Als aber
Apollon
[* 5] eine
Pest ins griechische
Lager
[* 6] sendete, so daß unaufhörlich die Totenfeuer loderten, und der
SeherKalchas
verkündigte, der
Raub der Priesterstochter
Chryseïs durch
Agamemnon sei
Ursache des göttlichen
Zorns, der nur durch Herausgabe
der Entführten versöhnt werden könne, da entbrannte Streit zwischen ihm und dem Oberfeldherrn
Agamemnon,
der zum
Ersatz für
Chryseïs die von Achilleus erbeutete
Briseïs verlangte. Achilleus entsagte zwar, von
Athene
[* 7] besänftigt, der Geliebten;
aber weinend flehte er am Seegestade die
Mutter um
Rache an, auf deren Bitte
Zeus den TroernSieg gewährte,
bis ihr Sohn
Genugthuung fand. Achilleus nahm nun, weder am
Rat noch selbst am
Kampf teil, sondern blieb in den Gezelten, mit
Gesang
und Saitenspiel den Groll besänftigend.
Die Troer bedrängten die Griechen hart; umsonst suchten diese den Trotzigen zu versöhnen, bis endlich sein Liebling
Patroklos
ihn rührte. Er gestattete dem
Freund seine
Scharen zur
Schlacht zu führen, und ordnete sie; er selbst
aber blieb zurück.
Patroklos rettete die
Schiffe,
[* 8] fiel aber von
HektorsHand.
[* 9] Um seine
Leiche entbrannte erbitterter
Kampf. Vom
heftigsten
Schmerz erfaßt, eilte Achilleus waffenlos, doch von
Athene geschützt, an den Wallgraben und rief so furchtbar
drohend hinüber, daß die Troer flohen.
Patroklos'
Leiche ward heimgebracht und von Achilleus beweint. Am andern
Morgen brachte ihm die
Mutter neue
Waffen
[* 10] von des
Hephästos
[* 11] Hand, darunter einen kunstreich geschmiedeten
Schild.
[* 12] Achilleus rief die
Achäer zusammen, söhnte sich mit dem Gegner aus, und von
Athene gestärkt, legte er die
Rüstung
[* 13] an, die ihn wie mit
Flügeln hob, und ergriff den
Speer, den kein
andrer zu schwingen vermochte. Er stürmte hinaus und tötete, wen er erreichte. Die flüchtigen Troer stürzten vor ihm
scharenweise in den
Xanthos (Skamander), und ihre
Leichen dämmten die
Wellen.
[* 14] Der ergrimmte Flußgott erhob sich zuletzt selbst
gegen den
Helden, ward aber von
Hephästos auf Geheiß der
Hera
[* 15] zurückgedrängt. Jetzt traf Achilleus unter
TrojasMauern mit
Hektor
zusammen. Dreimal jagte, dreimal, als er ihn erlegt hatte, schleifte er ihn um die Stadt; den
Leichnam gab er später dem
greisen
Vater¶
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zurück. Nun erst wurde Patroklos bestattet. Des Achilleus Ende deutet Homer nur an, »vor dem skäischen Thor«. Seine Gebeine wurden
zu denen des Freundes gesellt; darüber stieg ein Grabhügel am Hellespont empor. Um die Waffen des Helden stritten Ajax und Odysseus;
letzterer trug sie davon. Dies ist der Homerische der Held der »Ilias«, der schnellfüßige, blondgelockte
Peleione, der Schönste und Tapferste der Griechen, Feinden furchtbar, zärtlich gegen Freunde, großmütig, dem ungerechten
Oberherrscher trotzend, den Göttern gehorchend, Gesang und Ruhm liebend, den Tod verachtend, untergehend in voller Jugendherrlichkeit.
Spätere erzählen, Thetis habe ihn, um ihn unsterblich zu machen, ins Feuer oder in den Styx getaucht,
daher er nur an der Ferse, an der die Mutter ihn hielt, verwundbar gewesen sei. Andre berichten auch, wie er, ohne Muttermilch
im Waldgebirge groß genährt, von seiner ängstlichen Mutter unter die Töchter des Lykomedes gesteckt, aber von dem schlauen
Odysseus ausgespäht und bewogen wurde, mitzuziehen gegen Troja, das nach des Sehers Kalchas Verkündung
ohne Achilleus nicht zu nehmen war.
(lat. Achilles), der Sohn des Myrmidonenkönigs Peleus (daher der Pelide) und der Nereïde Thetis, der schönste,
schnellste und tapferste unter den griech. Helden vor Troja. Seinen Zwist mit dem obersten Führer Agamemnon und dessen Beilegung
besingt die Homerische Ilias: Als im 10. Jahre des Krieges in der Heeresversammlung veranlaßt hatte,
daß Agamemnon dem Priester Chryses seine Tochter zurückgab, um den Zorn des Apollon zu besänftigen, nahm der König die Sklavin
des Achilleus, die Briseïs, für sich in Anspruch.
Grollend zog sich Achilleus vom Kampfe zurück. Erst als die Troer unter HektorsFührung in das griech. Lager
eindrangen, gestattete Achilleus seinem Freunde Patroklos in seiner eigenen Rüstung die Myrmidonen in den Kampf zu führen. Der Tod
des Patroklos durch Hektor ließ Achilleus allen Groll vergessen; gerüstet mit den von Hephaistos
[* 20] kunstreich geschmiedeten Waffen,
stürmt er in den Kampf, treibt die Troer hinter die Mauer der Stadt zurück und tötet Hektor, giebt den
Leichnam aber nach der Bestattung des Patroklos gegen reiches Lösegeld dem König Priamos zurück. Von der Vorgeschichte des
Helden teilt die Ilias mit, daß er von seiner Mutter im väterlichen Hause zu Phthia (Thessalien) erzogen, von
Phoinix in der Rede-und Kriegskunst, von dem KentaurenCheiron in der Heilkunde unterrichtet wurde; zur Teilnahme an dem Kriege
von Nestor und Odysseus aufgefordert, führte er seine Myrmidonen in 50 Schiffen nach Troas. Erst eine späte Sage erzählt,
daß Thetis ihren Sohn, um
¶
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107 ihn unsterblich zu machen, ins Feuer oder in das Wasser der Styx getaucht habe, so daß nur die Ferse, an der sie ihn gebalten,
verwundbar blieb (daher sprichwörtlich die Achillesferse). Auch nachhomerisch, aber alt ist die Dichtung, daß Thetis den Achilleus, um
ihn der Teilnahme an dem Feldzuge zu entziehen, zum König Lykomedes auf die Insel Skyros gebracht habe,
wo er in Weiberkleidern unter den Töchtern des Königs verborgen lebte (eine derselben, Deïdameia, soll ihm den Neoptolemos
geboren haben), bis durch eine List des Odysseus sein Geschlecht entdeckt und er bewogen wurde, sich den Helden anzuschließen.
Des Achilleus Thaten in den ersten neun Jahren des Krieges waren in den Kyprien (s. Cyklische Dichter) und andern
Epen behandelt. Ein anderes Epos, die Äthiopis, erzählte das Schicksal des Helden nach dem Tode des Hektor; nachdem Achilleus Penthesileia,
die Königin der Amazonen, und Memnon, den Sohn der Eos,
[* 22] Fürsten der Äthiopen, welche den Troern zu Hilfe
kamen, getötet hat, fällt er selbst durch Paris und Apollon, d. h. der Gott lenkt den von jenem geschossenen Pfeil. Erst
alexandrinische Erfindung läßt Achilleus im Tempel des thymbräischen Apollon von Paris bei der Vermählung mit Polyrena, der jüngsten
Tochter des Priamos, hinterlistig erschossen werden.
Von dem Kampf um die Leiche des Helden und seiner Bestattung, die mit dem Streite des Äias und Odysseus
um die hinterlassene Rüstung schloß, erzählen Odyssee und Äthiopis; während aber die Odyssee Achilleus nach seinem
Tod in der Unterwelt weilen läßt, berichtete die Äthiopis und die ganze nachhomerische Dichtung, daß Thetis die
Leiche vom Scheiterhaufen nach der InselLeuke (vor der Donaumündung) oder in das elysische Gefilde gebracht babe, wo er mit
andern vergötterten Heroen fortleben sollte.
Sicher wurde in histor. Zeit auf jener Insel als Heros verehrt; nicht minder berühmt war seine Kultusstätte am Vorgebirge
Sigeum am Hellespont (Grab des Achilleus); aber auch in Sparta, Elis und andern Orten wurde er verehrt. Dieser
Kultus besonders dient der Ansicht zur Stütze, daß Achilleus ursprünglich ein Gott gewesen sei, ein Fluß- oder Sonnengott oder Blitzheros.
–
Die bildende Kunst der Griechen hat Achilleus häufig dargestellt; berühmt war eine große Gruppe
des Skopas, die später in einem Neptunustempel im Circus Flaminius zu Rom
[* 23] stand: sie stellte wahrscheinlich die Überführung
des Achilleus nach Leuke oder der Insel der Seligen dar. Doch ist keine Statue oder Büste erhalten, die mit Sicherheit auf ihn bezogen
werden könnte (z. B. der Achilleus Borghese im Louvre). Die Beziehung der westl. äginetischen Giebelgruppe in
München
[* 24] (s. Äginetische Kunst) auf den Kampf um die Leiche des Achilleus wird bestritten; ebenso zweifelhaft ist die Deutung der
schönen Marmorgruppe in Rom, die unter dem Namen des Pasquino bekannt ist. Über die zahlreichen Vasenbilder,
Wandgemälde und Basreliefs, die Scenen aus der Achilleussage behandeln, vgl. u. a.
Overbeck, Galerie heroischer Bildwerke (1852). Einen ziemlich späten Cyklus von Darstellungen aus Achilleus' Leben bietet die sog.
Ilische Tafel (s. d.) im Kapitolinischen Museum. Berühmt ist der Kopf des Achilleus auf einem pompejanischen Wandgemälde (Helbig,
«Wandgemälde Campaniens», Nr. 1309), das die Wegführung der Briseïs darstellt.