Achäer
,
einer der vier Hauptstämme des hellenischen
Volks, welcher seinen Ursprung von
Achäos, einem Sohn des
Xuthos
und Enkel des
Hellen, ableitete. Sie waren den
Äoliern nahe verwandt und an verschiedenen
Stellen der griechischen
Küste ansässig,
und zwar erscheinen sie als die herrschenden
Geschlechter, aus denen
Fürsten und
Helden hervorgehen, und
die zuerst
Staaten gründen.
So in
Phthiotis, wo
Peleus und
Achilleus herrschten, und von wo sie sich zuerst in
Argolis und sodann
über einen großen Teil des
Peloponnes ausbreiteten, mit Ausnahme
Arkadiens, wo die
Pelasger sich behaupteten, und Ägialeias,
wo
Ionier saßen. Da in der Heroenzeit das achäische Königshaus der
Atriden in ganz
Griechenland
[* 3] von vorwiegendem
Einfluß war, so wird bei
Homer der
Name Achäer
, wie der der
Argeier und
Danaer, auch zur Bezeichnung der Griechen insgesamt gebraucht.
Infolge der dorischen
Wanderung (s.
Dorier) gingen ihre
Staaten im
Peloponnes fast alle zu
Grunde. Ein Teil der Achäer
blieb in
den von den
Doriern eroberten
Landschaften wohnen und vermischte sich mit jenen. Ein andrer wandte sich im
Verein mit
Äoliern
nach der nordwestlichen
Küste von
Kleinasien, wo sie in den langwierigen
Kämpfen um Dardanien
(Troas) sich an
Sagen und Liedern
von den Thaten ihrer
Helden
Achilleus und
Agamemnon stärkten und anfeuerten, aus denen später die
»Ilias«
entstand.
Nur in
Arkadien behaupteten die Achäer
ihre Unabhängigkeit und nahmen von hier aus den
Ioniern das nördliche
Küstenland (Ägialeia)
ab, das seitdem
Achaia (s. d.) genannt wurde. Herodot Wählte zwölf achäische
Städte auf, die zusammen einen
Staatenbund
bildeten und am Heiligtum des
Poseidon
[* 4] bei
Helike gemeinsame
Feste feierten. Sie standen anfangs unter der
Herrschaft von
Königen, des
Orestes Nachkommen, deren letzter
Ogyges war. Auf das
Königtum folgte eine gemäßigte
Demokratie.
Durch die Abgeschlossenheit ihres
Landes begünstigt, blieben die Achäer
bis zum 4. Jahrh.
v. Chr. den Verwickelungen des übrigen
Griechenland fern und beteiligten sich auch weder am
Persischen noch am Peloponnesischen
Krieg. Im Thebanischen
Krieg standen sie zuerst auf seiten der Spartaner, schlossen jedoch dann mit den Thebanern einen Separatfrieden und wurden
von den beiden streitenden
Parteien nach der
Schlacht bei
Leuktra zu
Schiedsrichtern gewählt. Das Versinken
Buras und
Helikes
ins
Meer durch ein
Erdbeben
[* 5] (373) trug dazu bei, das lockere Bundesverhältnis der Achäer
vollends zu lösen.
Bei
Chäroneia (338) kämpften sie auch zum letztenmal mit für
Griechenlands
Freiheit. Die makedonische Herrschaft wurde von
dem achäischen
Volk, das hinsichtlich seiner geistigen
Entwickelung andern griechischen
Stämmen nachstand, aber von ursprünglicher
und kraftvoller Art war, besonders hart empfunden. Die Achäer
benutzten deshalb die Thronstreitigkeiten
und andre Verwirrungen in
Makedonien zur Vertreibung der
Besatzungen und zur Erneuerung des alten Achäischen
Bundes (280).
Größere Bedeutung erhielt dieser
Bund aber erst 251, als
Aratos, der seine Vaterstadt
Sikyon von der Herrschaft des
Tyrannen
Nikokles befreit und dem
Bund zugeführt hatte, zum
Bundesfeldherrn
(Strategen) gewählt wurde. Es gelang
ihm, den
Bund nach außen hin mächtig auszudehnen und ihm zugleich eine vortreffliche
Verfassung zu geben.
Die bedeutendsten Städte des Peloponnes, wie Korinth, [* 6] Epidauros, Megalopolis und Argos, auch mehrere Städte des mittlern Griechenland, z. B. Megara und selbst Athen, [* 7] traten dem Bund bei. Sein Zweck war: möglichste Gleichheit und innere Freiheit der einzelnen Staaten bei starker und fester Vereinigung nach außen. Jede der verbündeten Republiken war in ihren innern Verhältnissen ganz selbständig; für gemeinschaftliche Bundeszwecke aber bildeten sie ein festgegliedertes Ganze, das dem Einzelstaat die Macht entzog, Krieg und Frieden zu schließen und Bündnisse einzugehen.
An der
Spitze standen ein
Strateg, ein
Hipparch, ein Hypostrateg und zehn
Demiurgen
(Archonten), welche die regelmäßigen
Bundesversammlungen
in
Ägion zusammenberiefen und die zu fassenden Beschlüsse vorbereiteten. Der
Bund schien
Griechenland neu beleben und verjüngen
zu können, und es herrschte große
Begeisterung für das neue freie Gemeinwesen, die aber nicht lange
nachhielt. Den ganzen
Peloponnes für den
Bund zu gewinnen, scheiterte an
Spartas und
Elis' Weigerung, und eifersüchtig betrachteten
die Ätolier die Fortschritte der Achäer.
Als diese sich mit den Spartanern zu gemeinsamem
Kampf gegen den Achäischen
Bund erhoben
und die Achäer
mehrere
Niederlagen erlitten, rief
Aratos den makedonischen König
Antigonos Doson zu
Hilfe und
gestattete ihm die Besetzung
Korinths, des
Schlüssels zum
Peloponnes.
Die
Schlacht bei
Sellasia (221) entschied zwar für die Achäer
, und
Sparta sank in
Ohnmacht; aber auch der Achäische
Bund selbst
hatte seine nationale Bedeutung verloren. Bereits 220 riefen die von neuem die Makedonier gegen die Ätolier
zu
Hilfe und veranlaßten dadurch den sogen.
Bundesgenossenkrieg (220-217). Im ersten
Krieg
Philipps V. von
Makedonien mit
Rom
211-205. blieben die den
Makedonien treu, 198 aber, im zweiten römisch-makedonischen
Krieg, traten sie zu den
Römern über
und erhielten dafür die Erlaubnis,
Korinth und die andern bisher von den Makedoniern besetzten
Städte
des
Peloponnes wieder in ihren
Bund aufzunehmen, wodurch derselbe zwar an
Ausdehnung,
[* 8] aber nicht an
Kraft
[* 9] gewann.
Streitigkeiten der Bundesstädte untereinander und der politischen
Parteien in den einzelnen
Städten und auf den
Tagsatzungen,
daneben die erbittertsten
Kämpfe mit den Ätoliern sowie mit
Nabis und Machanidas, den
Tyrannen von
Sparta,
rieben seine
Kräfte auf. Einzelne tüchtige
Männer, wie namentlich
Philopömen, suchten zwar diesem
Verfall zu steuern, doch
ohne dauernden Erfolg. Während des dritten römisch-makedonischen
Kriegs 171-168 blieben die Achäer
neutral, gerieten aber gerade
dadurch in völlige Abhängigkeit von den Siegern, welche im J. 167 1000 der edelsten Achäer
wegen
makedonischer
Gesinnung nach
Rom
[* 10] zur Verantwortung forderten
und sie in
Italien
[* 11] als Gefangene zurückhielten.
Fernere Gewaltthaten der
Römer
[* 12] reizten die Achäer
endlich 146 zur
Kriegserklärung. Ihr
Strateg
Kritolaos wurde aber von
Metellus
bei Skarpheia, sein Nachfolger Diäos von
Mummius bei Leukopetra besiegt,
Korinth, in dessen
Mauern eine
lärmende
Tagsatzung die
Forderungen der
Römer verworfen hatte, zerstört, der Achäische
Bund aufgelöst und ganz
Griechenland
unter dem
Namen
Achaia in eine römische
Provinz verwandelt (146
v. Chr.).
Vgl.
Gerhard, über den Volksstamm der Achäer
(Berl. 1854);
Klatt, Forschungen zur Geschichte des Achäischen Bundes (das. 1877).