Acetīne,
s. Essigsäure.
Acetine
118 Wörter, 892 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
s. Essigsäure.
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Acetine,
Essigsäureäther des Glycerins, den Fetten analog zusammengesetzte Körper, deren es, da Glycerin ein dreiatomiger Alkohol ist, drei gibt, das Mono-, Di- und Triacetin. Ein Gemisch dieser Äther entsteht bei anhaltendem Kochen von 1 Teil Glycerin mit 1,5 - 2 Teilen Eisessig. Destilliert man schließlich die noch vorhandene überschüssige Essigsäure ab, so erhält man eine etwas dickliche, farblose Flüssigkeit, welche hauptsächlich Mono- und Diacetin neben wenig Triacetin enthält. Dies Produkt, unter dem Namen Acetin im Handel, dient als Lösungsmittel für wasserunlösliche Farbstoffe, namentlich der Indulinreihe, und wird als solches den Druckfarben zugesetzt. Beim nachfolgenden Dämpfen zerfällt es vermutlich allmählich in Glycerin und Essigsäure, während der gelöste Farbstoff in der Faser abgelagert wird.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Acetine,
s. Geheimmittel. ^[= (Arcana), wirkliche oder angebliche Arzneimittel, deren Zusammensetzung geheim gehalten wird. ...]
(Acetylsäure) C2H4O2 findet sich in der Natur teils frei, teils an Basen gebunden im Saft vieler Pflanzen, namentlich baumartiger Gewächse, im Schweiß und Muskelsaft, im Safte der Milz und andrer Drüsen, im Blut Leukämischer und nach dem Genuß zucker- und stärkemehlreicher Substanzen auch im Magen. [* 3] Sie bildet sich bei sehr vielen chemischen Prozessen, z. B. bei der trocknen Destillation [* 4] der meisten nicht flüchtigen organischen Körper, wie Holz [* 5] (daher im Holzessig), beim Schmelzen von Zucker, [* 6] Weinsäure und ähnlichen Substanzen mit Kalihydrat, bei der Fäulnis und hauptsächlich bei der Oxydation des Alkohols.
Reiner Alkohol verdunstet an der Luft unverändert, läßt man ihn aber auf fein verteiltes Platin (Platinmohr) tröpfeln, so wird er schnell zu Essigsäure oxydiert. Der Platinmohr enthält verdichteten Sauerstoff, und dieser wird auf den Alkohol übertragen. Verdünnter Alkohol geht bei Gegenwart eines Ferments an der Luft gleichfalls in Essigsäure über, und darauf beruht die Essiggewinnung. Konzentrierte Essigsäure wird meist aus Holzessig dargestellt. Man neutralisiert denselben mit Kalk, verdampft die Lösung des essigsauren Kalks zur Trockne und bringt das Salz [* 7] unter dem Namen Weißkalk in den Handel. Wo aber der Holzessig direkt auf Essigsäure verarbeitet werden soll, destilliert man ihn (wobei zuerst Methylalkohol, Holzgeist, übergeht), neutralisiert das Destillat, welches bedeutend reiner ist als der rohe Holzessig, mit kohlensaurem Natron, verdampft die Lösung des essigsauren Natrons (Rotsalz) zur Trockne, zerstört den größten Teil der empyreumatischen Substanzen, mit welchen das Salz verunreinigt ist, durch Schmelzen desselben und reinigt es durch Umkristallisieren.
Man destilliert nun den gerösteten essigsauren Kalk mit Salzsäure oder, wenn es sich um reinere Essigsäure handelt, das essigsaure Natron mit Schwefelsäure. [* 8] Zur Gewinnung der stärksten Essigsäure wird das essigsaure Natron durch Schmelzen entwässert und mit konzentrierter Schwefelsäure destilliert. Die gewonnene Essigsäure rektifiziert man, um die letzten Spuren empyreumatischer Stoffe zu zerstören, über übermangansaurem Kali. Bei starker Abkühlung scheidet sich dann reine Essigsäure in Kristallen ab, von welcher wasserhaltige Säure abgegossen werden kann.
Auch aus Essig kann man durch Neutralisieren mit kohlensaurem Natron etc. Essigsäure gewinnen, in neuester Zeit aber gelingt dies auch durch Destillation, wobei man nach denselben Prinzipien verfährt und ähnliche (Kolonnen-) Apparate anwendet wie bei der Spiritusfabrikation. [* 9] Essigsäure bildet eine farblose Flüssigkeit, riecht und schmeckt stechend sauer, wirkt höchst ätzend, erzeugt auf der Haut [* 10] schmerzhafte Brandblasen, zieht an der Luft begierig Feuchtigkeit an, raucht in ammoniakalischer Luft, erstarrt bei 16° kristallinisch (Eisessig), siedet bei 118°, ist brennbar, mischt sich mit Wasser, Alkohol und Äther, löst einige ätherische Öle, [* 11] Kampfer, Harze, fette Öle, Farbstoffe und reagiert stark sauer. Das spezifische Gewicht der reinen Essigsäure ist 1,055 bei 15°, steigt bei einem Wassergehalt bis 20 Proz. und sinkt dann wieder, so daß eine Essigsäure, die 43 Proz. reine Essigsäure enthält, wieder das spezifische Gewicht 1,055 zeigt. Die folgende Tabelle zeigt den Gehalt der Essigsäure von verschiedenem spezifischen Gewicht bei 15°.
Gehalt der Essigsäure von verschiedenem spezifischen Gewicht bei 15°.
Proz. E. | Spez. Gewicht | Proz. E. | Spez. Gewicht | Proz. E. | Spez. Gewicht | Proz. E. | Spez. Gewicht |
---|---|---|---|---|---|---|---|
0 | 0.9992 | 26 | 1.0363 | 51 | 1.0623 | 76 | 1.0747 |
1 | 1.0007 | 27 | 1.0375 | 52 | 1.0631 | 77 | 1.0748 |
2 | 1.0022 | 28 | 1.0388 | 53 | 1.0638 | 78 | 1.0748 |
3 | 1.0037 | 29 | 1.0400 | 54 | 1.0646 | 79 | 1.0748 |
4 | 1.0052 | 30 | 1.0412 | 55 | 1.0653 | 80 | 1.0748 |
5 | 1.0067 | 31 | 1.0424 | 56 | 1.0660 | 81 | 1.0747 |
6 | 1.0083 | 32 | 1.0436 | 57 | 1.0666 | 82 | 1.0746 |
7 | 1.0098 | 33 | 1.0447 | 58 | 1.0673 | 83 | 1.0744 |
8 | 1.0113 | 34 | 1.0459 | 59 | 1.0679 | 84 | 1.0742 |
9 | 1.0127 | 35 | 1.0470 | 60 | 1.0685 | 85 | 1.0739 |
10 | 1.0142 | 36 | 1.0481 | 61 | 1.0691 | 86 | 1.0736 |
11 | 1.0157 | 37 | 1.0492 | 62 | 1.0697 | 87 | 1.0731 |
12 | 1.0171 | 38 | 1.0502 | 63 | 1.0702 | 88 | 1.0726 |
13 | 1.0185 | 39 | 1.0513 | 64 | 1.0707 | 89 | 1.0720 |
14 | 1.0200 | 40 | 1.0523 | 65 | 1.0712 | 90 | 1.0713 |
15 | 1.0214 | 41 | 1.0533 | 66 | 1.0717 | 91 | 1.0705 |
16 | 1.0228 | 42 | 1.0543 | 67 | 1.0721 | 92 | 1.0696 |
17 | 1.0242 | 43 | 1.0552 | 68 | 1.0725 | 93 | 1.0686 |
18 | 1.0256 | 44 | 1.0562 | 69 | 1.0729 | 94 | 1.0674 |
19 | 1.0270 | 45 | 1.0571 | 70 | 1.0733 | 95 | 1.0660 |
20 | 1.0284 | 46 | 1.0580 | 71 | 1.0737 | 96 | 1.0644 |
21 | 1.0298 | 47 | 1.0589 | 72 | 1.0740 | 97 | 1.0625 |
22 | 1.0311 | 48 | 1.0598 | 73 | 1.0742 | 98 | 1.0604 |
23 | 1.0324 | 49 | 1.0607 | 74 | 1.0744 | 99 | 1.0580 |
24 | 1.0337 | 50 | 1.0615 | 75 | 1.0746 | 100 | 1.0553 |
25 | 1.0350 |
Das Acidum aceticum der Pharmacopoea germanica besitzt das spez. Gew. 1,064 und siedet bei 117°. Das Acid. acet. dilutum (Acetum concentratum) vom spez. Gew. 1,041 enthält 30 Proz. Essigsäure wirkt gärungswidrig; stark verdünnt, schimmelt sie an der Luft und zerfällt in Kohlensäure und Wasser. Bei Einwirkung von Chlor auf Essigsäure im Sonnenlicht entstehen drei Chloressigsäuren, welche zerfließliche Kristalle [* 12] bilden und zum Teil als Ätzmittel empfohlen worden sind.
Behandelt man ein trocknes essigsaures Salz mit Phosphoroxychlorid, so entsteht Essigsäureanhydrid (wasserfreie Essigsäure) C4H6O3 , eine farblose Flüssigkeit, welche ungemein stechend sauer riecht, bei 137° siedet, sich nicht mit Wasser mischt und nicht den Charakter einer Säure besitzt, aber bei längerer Berührung mit Wasser wieder in Essigsäure übergeht. Verdünnte Essigsäure (Essig) wirkt durstlöschend, kühlend, setzt, in größern Quantitäten genommen, die Pulsfrequenz und Körpertemperatur herab, veranlaßt bei längerm Gebrauch Verdauungsstörungen, Appetitlosigkeit; Neigung zum Durchfall, Kolikschmerzen; das Gesicht [* 13] wird blaß, es erfolgt Abmagerung und bisweilen Lungenschwindsucht.
Reine Essigsäure wirkt innerlich ätzend wie Mineralsäure; äußerlich dient sie als blasenziehendes Mittel (Vésicatoire de Beauvoisin), als Ätzmittel bei Warzen und Hühneraugen (Acetine ist mit 0,5 Volumen Wasser verdünnte Essigsäure) und zu Riechfläschchen. Verdünnte Essigsäure (Essig) wird auch als blutstillendes Mittel, zu Waschungen bei starken Schweißen, zu Umschlägen bei Kontusionen etc. benutzt. Außerdem dient Essigsäure in der Färberei und Kattundruckerei, in der Photographie, zur Darstellung von Anilin, vielen Salzen und Äthern.
Geschichtliches. Essig, aus sauer gewordenen Fruchtsäften, Wein und Bier erhalten, war bereits im Altertum bekannt und als kühlendes Getränk geschätzt. Man wußte auch, daß er gewisse Steine und Metalle löst, auf manchen Steinen Aufbrausen ¶
erzeugt etc. Die Alchimisten arbeiteten viel mit Essig. Geber reinigte ihn im 8. Jahrh. durch Destillation, und Basilius Valentinus erhielt im 15. Jahrh. durch fraktionierte Destillation und durch trockene Destillation des Grünspans stärkere Essigsäure Stahl ließ 1723 Essig gefrieren, beseitigte das Eis [* 15] und gewann auf diese Weise ebenfalls stärkern Essig. Er stellte auch Essigsäure durch Destillation von essigsaurem Kali mit Schwefelsäure dar; und Lowitz entdeckte 1789 die reine kristallisierte Essigsäure Glauber bezeichnete 1658 die durch trockene Destillation des Holzes erhaltene Säure als Essigsäure. Später wurde die Identität geleugnet, bis sie von Fourcroy und Vauquelin nachgewiesen wurde.
Die ersten größern Holzverkohlungsöfen wurden aber erst 1819 zu Hausach in Baden [* 16] in Betrieb gesetzt. Daß die Essigbildung auf einer Oxydation beruhe, hatte schon Lavoisier erkannt; doch ward der Prozeß erst später genauer untersucht, und Liebig zeigte den Unterschied zwischen Alkohol- und Essiggärung. Das Prinzip der Schnellessigfabrikation ward von Boerhaave 1732 angegeben, für die Technik aber 1823 durch Schützenbach in Eudingen ^[richtig: Endingen] im Breisgau und durch Wagenmann in Berlin [* 17] (1825) nutzbar gemacht. In neuester Zeit gestalteten sich für die Darstellung der Essigsäure aus Holz die Verhältnisse günstiger, seitdem der 1812 im Holzessig nachgewiesene Methylalkohol für die Teerfarbenindustrie große Bedeutung gewann.