Accent
(lat., bei den Griechen Prosodía, »Beigesang«),
in der
Grammatik die
Betonung
[* 2] und die zur Bezeichnung derselben üblichen Zeichen (Accente
). Die griechischen
Accente
wurden von dem alexandrinischen
Grammatiker
Aristophanes von Byzanz (3. Jahrh.
v. Chr.) erfunden; indessen verstand
man damals unter
Prosodie oder Accent
auch die beiden
Spiritus
[* 3] und die Interpunktionszeichen; erst das spätere
Altertum schränkte
den
Gebrauch des
Worts Accent
auf die
Betonung ein. Für den in diesem engern
Sinn gibt es im
Griechischen drei
Zeichen: die oxeia prosodia (´), »der scharfe oder Hochton«, bei den
Römern accentus
acutus;
die bareia prosodia (`),
»der
gesenkte oder Tiefton«, bei den
Römern accentus
gravis, und die perispomene prosodia (ˇ),
»der gewundene
Accent«
, nach der Gestalt des Zeichens, bei den
Römern accentus
circumflexus, womit ein gedehnter, sich erst hebender und dann
senkender
Ton bezeichnet wird.
Die
Neugriechen haben die drei alten Accente
beibehalten; der Akutus und
Gravis finden sich auch
in den romanischen
Sprachen, namentlich im
Französischen (accent
aigu und accent
grave), das auch den
Zirkumflex in der Form ^ erhalten hat (accent
circonflexe). In andern neuern oder neu entdeckten
Sprachen hat man namentlich
den Akutus und
Gravis dazu angewendet, um in der lateinischen
Schrift nicht durch besondere
Buchstaben ausgedrückte Lautnüancen
zu bezeichnen: so sind im
Ungarischen á
é í ó lange
Vokale im
Gegensatz zu den kurzen a
e i o. Im
Polnischen
ist é ein zwischen e und i in der Mitte liegender
Vokal, é ist wie tsch oder dsch zu sprechen;
bei der Umschreibung des Sanskritalphabets durch lateinische Buchstaben hat R´ den Lautwert tsch, g´ den Lautwert dsch etc. In der Metrik bezeichnet allgemein ´ den Hochton, ` den Tiefton.
Auch die alten indischen
Grammatiker sind die Erfinder eines besondern
Systems von Accenten
, die sie jedoch nur in den
Wedas und andern als heilig geachteten Sanskritwerken zur Anwendung brachten.
Sie unterschieden einen »gehobenen
Ton« (udâtta),
einen »ungehobenen
Ton« (anudâtta) und einen »tönenden
Accent«
(svarita), der als eine
Kombination eines höhern mit einem tiefern
Ton beschrieben wird. Diese drei Accente
entsprechen
also genau den drei griechischen; doch war die Bezeichnungsweise eine andre und auch in verschiedenen Gegenden
Indiens, wie
die neuere Forschungen gezeigt haben, eine verschiedene und nur darin übereinstimmend, daß in der
Regel
horizontale oder perpendikuläre
Striche über und unter der
Linie oder quer die
Buchstaben durchkreuzend zur Anwendung kamen.
Der griechische wie der indische Accent
drückten wahrscheinlich die musikalische
Höhe oder Tiefe des
Tons aus; dagegen beruht
in den neuern europäischen
Sprachen der Accent
meist auf mehr oder weniger lauter
Aussprache der accentuierten
Silbe, also auf der
Intensität des
Tons. Den musikalischen Accent haben wir
Deutschen nur im Satzton, der von dem Wortaccent wohl
zu unterscheiden ist; so wird in der
Frage das
Wort, auf dem der
Nachdruck liegt, zugleich mit höherer
Stimme gesprochen, während
bei der Behauptung der Tiefton eintritt, und unser Ja z. B. kann je nach
der
Höhe des
Tons, mit dem es ausgesprochen wird, sehr verschiedene Bedeutungen haben.
Außerdem tritt bei uns der musikalische in dem sogen. Singen hervor, das ein deutscher Dialekt dem andern schuld gibt, und das ohne Zweifel auf verschiedenartiger Modulation der Stimme beruht; hierauf gehen auch die Ausdrücke »eine fremde Sprache [* 4] mit oder ohne Accent oder mit fremdem Accent sprechen« u. dgl. Dagegen spielt im Chinesischen und den hinterindischen Sprachen der musikalische Accent eine ungemein wichtige Rolle, indem er dazu dient, die zahlreichen gleichlautenden einsilbigen Wörter, welche diese Sprachen haben, voneinander zu unterscheiden. So soll im Anamitischen ba bà bâ bá bedeuten: »Drei Damen (geben eine) Ohrfeige (dem) Günstling des Fürsten«.
Außer dem Zurücktreten des musikalischen Accents ist für die meisten neuern Sprachen auch das Zusammenfallen der betonten mit den langen Silben charakteristisch. So werden im Neuhochdeutschen die zwei Momente der vernehmlichern Aussprache und der längern Dauer einer Silbe nicht mehr unterschieden, und so fällt z. B. das im Mittelhochdeutschen in der Aussprache ganz getrennte Tor (Thür) und Tôre (Narr) in unserm jetzigen Thor zusammen, wie überhaupt die betonten Kürzen gedehnt worden sind, wenn es hiervon auch namentlich in den Mundarten einzelne Ausnahmen gibt, z. B. Glas, [* 5] Gas, das in der gesamten norddeutschen, treten, holen, das in der bayrischen Aussprache noch kurz gesprochen wird.
Hierauf beruhen auch die totale Verschiedenheit der neuhochdeutschen von der mittelhochdeutschen Metrik und der durchgreifende Unterschied zwischen Alt- und Neugriechisch. Was die Stellung des Accents im Wort betrifft, so pflegt derselbe im Lauf der Sprachgeschichte immer mehr auf die Anfangssilben zurückzutreten. So ruht er im Sanskrit und Griechischen noch häufig auf der Schlußsilbe; im Latein, in dem weniger altertümlichen äolischen Dialekt des ¶
mehr
Altgriechischen, im Deutschen, Englischen und in andern germanischen Sprachen wird er dagegen möglichst zurückgeworfen, und im Böhmischen liegt er auf der ersten Silbe. Auch in den semitischen Sprachen hatte ursprünglich die vorletzte Silbe den Accent übrigens pflegen in den meisten Sprachen längere Wörter mehr als einen Accent zu haben, wie z. B. in unserm Haushaltung die erste Silbe den Hoch-, die zweite den Tiefton hat. Für Sprachgeschichte und Sprachvergleichung ist der von großer Bedeutung, namentlich durch die vielfach beobachtete Thatsache, daß die auf die Accentsilbe folgenden unbetonten Silben eines Worts starken, oft bis zu völliger Abwerfung gehenden Verkürzungen unterliegen. So ist das lateinische amáre im Französischen zu aimer, amátus zu aimé geworden etc.
In der Musik versteht man unter Accent die Hervorhebung einzelner Töne durch größere Tonstärke. Bisher galt zu Recht bestehend, daß der erste Ton jedes Taktes einen Accent bekommt und in zusammengesetzten Taktarten auch die Anfangstöne der Takthälften oder Taktdrittel. Doch steht diese Theorie mit der musikalischen Praxis im Widerspruch; nicht Accente, sondern crescendo und diminuendo sind die natürlichen dynamischen Formen der Taktmotive. Wirklicher Accent ist dagegen die beliebte Verstärkung [* 7] des Motiv- und Phrasenanfangs sowie die Hervorhebung dissonierender Töne; diese Accente dienen der deutlichen Darlegung des musikalischen Inhalts.
Vgl. Takt, Rhythmik und Phrasierung.