Abwässer
(Stadtlauge). Die aus Haushaltungen stammenden Abwässer
(Hauswässer) besitzen,
sobald das von
Straßen und
Plätzen abfließende
Meteorwasser mit
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ihnen sich mischt, in Bezug auf ihren Gehalt an schwebenden und gelösten fäulnisfähigen Stoffen eine sehr übereinstimmende Zusammensetzung, gleichviel ob ihnen die festen Exkremente aus Wasserklosetten beigemischt sind (Tabelle I) oder nicht (Tabelle II). Für landwirtschaftliche Zwecke soll sich das Wertverhältnis
Tabelle I | In 100,000 Teilen Wasser fanden sich Teile: | ||||||||||
Gelöster fester Rückstand | Organischer | Ammoniak | Nitrate und Nitrite | Gesamter Stickstoff | Chlor | Schwebestoffe | |||||
Kohlenstoff | Stickstoff | mineralische | organische | insgesamt | |||||||
Grenzen | 62.0 | 2,215 | 1,516 | 0.380 | - | 1,829 | - | 23.18 | 11.22 | 34.40 | |
160.7 | 6,504 | 5,644 | 30,350 | - | 30,638 | - | 13.18 | 33.38 | 46.56 | ||
Durchschnitt | 82.4 | 4,181 | 1,975 | 5,435 | - | 6,451 | 11.54 | 17.81 | 21.30 | 39.11 | |
Tabelle II | In 100,000 Teilen Wasser fanden sich Teile: | ||||||||||
Gelöster fester Rückstand | Organischer | Ammoniak | Nitrate und Nitrite | Gesamter Stickstoff | Chlor | Schwebestoffe | |||||
Kohlenstoff | Stickstoff | mineralische | organische | insgesamt | |||||||
Grenzen | 91.7 | 3,235 | 0.699 | 2,030 | - | 2,371 | 8.6 | 3.68 | 6.36 | 10.04 | |
91.1 | 7,945 | 2,946 | 25,960 | - | 24,325 | 20.6 | 9.84 | 27.12 | 36.96 | ||
Durchschnitt | 72.2 | 4,696 | 2,205 | 6,703 | 0.003 | 7,728 | 10.66 | 24.18 | 20.51 | 44.69 |
der Abwässer
aus Städten mit Abfuhrsystem zu demjenigen aus Städten mit Wasserklosetten etwa wie 10:12 stellen. Jedenfalls macht
die getrennte Beseitigung der Exkremente die übrigen Abwässer
nur unwesentlich weniger fäulnisfähig, wenn auch diesem Satz nicht
für alle Fälle absolute Geltung beizumessen ist. Die Zusammensetzung der Abwässer
schwankt mit den Jahreszeiten
[* 3] vermöge des Wechsels im Wasserverbrauch für Haushaltungszwecke sowie der Ungleichheit der atmosphärischen Niederschläge.
Ebenso zeigen sich Schwankungen entsprechend den Lebensgewohnheiten an den Wochentagen und in den Tagesstunden. Für die Menge der Hauswässer ist der erfahrungsmäßige Verbrauch an Reinwasser pro Kopf und Tag maßgebend. Dieser schwankt zwischen 10 und 200 Lit. pro Tag, d. h. 3,65 u. 73 cbm pro Kopf und Jahr. Davon gehen etwa 10 Proz. infolge von Verdunstung ab, während die menschlichen Auswurfstoffe hinzukommen, so daß sich pro Kopf und Jahr etwa 3,78-74,1 cbm ergeben.
Dazu kommt nun der Anteil der atmosphärischen Niederschläge, welcher von Straßen und Plätzen abfließt.
Man wird denselben auf 50-75 Proz. der gesamten Niederschläge berechnen können, d. h. auf (0,5-0,75)*hF/1000 cbm, wenn die
Jahresniederschlagshöhe für den betreffenden Ort in Millimetern und F die Sammelfläche in Quadratmetern bezeichnet. Bei
der Kostspieligkeit der Reinigung der Abwässer
, und da bei heftigen Regengüssen kurze Zeit nach dem Beginn derselben der
größte Teil der Unreinigkeiten von den Straßen fortgeschwemmt ist, so pflegt man
den zuletzt abfließenden Teil stärkerer
Niederschlage ohne weiteres in den Flußlauf zu leiten. Je besser das Pflaster der Straßen ist, je sorgfältiger es rein gehalten
wird, und je stärker das Gefälle ist, um so größer darf dieser Teil sein. In Berlin
[* 4] bemißt man denselben
zu fünf Sechstel der ganzen Regenmenge.
Nach den verschiedenen Reinigungsmethoden erreicht man vor allem eine Entfernung der ungelösten Schwebestoffe, also eine Klärung, viel weniger eine Beseitigung der gelösten fäulnisfähigen Substanzen. Den größten Erfolg erreicht man durch Bodenberieselung, welcher die Filtration am nächsten steht, wahrend die chemische Reinigung bisher nicht völlig befriedigende Resultate ergeben hat. Klares Aussehen und Abwesenheit von Bakterien bieten keinen Beweis für ausreichende Reinigung.
Man erreicht ersteres sehr leicht z.B. durch überschüssigen Kalk als Fällungsmittel. Sobald aber der Kalk beseitigt wird (nach dem Einlassen des Wassers in den Fluß wird dieser Kalk durch den im Flußwasser enthaltenen doppeltkohlensauren Kalk gefällt), unterliegen die noch im Wasser vorhandenen organischen Stoffe sehr bald der Fäulnis. Diesem Übelstand wird am besten entgegenzuwirken sein, wenn man das gereinigte Wasser auf irgend eine Weise in möglichst innige Berührung mit Luftsauerstoff bringt.
Zur Filtration benutzt man Sand, Kies, Steine, Koks und Torfmüll. Bei der aufsteigenden Filtration kommt der Sauerstoff der Luft sehr wenig zur Geltung, und dieüberdies wenig ökonomische Methode ist daher jetzt kaum noch im Gebrauch. Bei absteigender Filtration reißt das Wasser beständig kleine Luftmengen mit sich, und sobald man das Filter leer laufen läßt, findet gründliche Durchlüftung statt. Bei seitlicher Durchdringung des Filtermaterials (Torfmüll) wird das Filter zunächst überstaut, so daß beim Sinken des Wasserspiegels relativ große Flächenteile desselben für die Luft zugänglich werden und die Oxydation ziemlich energisch verläuft.
Quantitative und qualitative Leistung der Filter wechseln mit dem Filtermaterial und können bei sorgfältiger Betriebsweise und hinreichender Größe der Filter erheblich gesteigert werden, immerhin erreicht man durch Rieselung ungleich bessere Resultate. Hierbei findet schnelle Ablagerung der Schwebestoffe statt, die gelösten organischen Stoffe werden zum Teil vom Boden absorbiert und vom Sauerstoff der Bodenluft und des Wassers oxydiert, während auch anorganische Stoffe absorbiert und von den Pflanzen aufgenommen werden.
Voraussetzung so günstiger Wirkung sind Eignung des Bodens, ausreichende Größe der Malfelder und angemessene Verteilung der
Abwässer
auf dem Rieselfeld der Zeit nach. Der Boden muß hauptsächlich durchlässig sein (eventuell zu drainieren), 1 Hektar kann
etwa 15,000 cdm Abwässer
aufnehmen und ausreichend reinigen, wenn das Wasser in 10-12 Teile zerlegt wird, die
in der Jahreszeit und der Witterung entsprechenden Zeitabschnitten zugeführt werden müssen. Für Zeiten strengen Frostes, wenn
wegen derBestellungsweise der Felder, etwa mit Wintersaat, ein Teil der Abwässer
keine Verteilung auf den Feldern finden kann, legt
man Einstaubassins an, große, wenig tiefe Teiche, in denen die Abwässer
versinken und ihre Schlammteile auf
der Oberfläche zurücklassen. Diese Flächen werden im Frühjahr nach der Abtrocknung in gewöhnlicher Weise bestellt. Da
im übrigen die Abwässer
mit ziemlich hoher Temperatur auf den Feldern ankommen, so erfährt der Rieselbetrieb erst durch scharfen
und anhaltenden Frost ein Hemmnis. Bei der
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Anwendung chemischer Reinigungsmittel kommt innige Mischung derselben mit dem Abwasser und die Reihenfolge, in der die Zuschläge beigemengt werden, hauptsächlich in Betracht. Nach der Mischung kommen die in Behältern entweder zum Stillstand, oder sie werden so langsam fortbewegt, daß sich die Niederschläge ungehindert absetzen können. Vereinzelt werden die gereinigten Wässer nach dem Abziehen von den Niederschlägen auf Wiesen oder Äcker geleitet, um sie noch weiter zu reinigen.
Ein wunder Punkt aller chemischen Reinigungsverfahren ist die große Menge der Niederschläge, deren Lagerung, Behandlung und
Fortschaffung große Schwierigkeiten bereitet, 1 cbm Abwässer
liefert etwa 0,75-1,5 kg Schlamm, welcher
zu 30 Proz. und mehr von den Zuschlägen herrührt, also auch verminderten Düngerwert besitzt. Wenn dieser
Schlamm nicht rasch Abnahme findet, so können ernste Unzuträglichkeiten, mindestens große Belästigungen für die Gesundheit
der benachbarten Bewohnerschaft entstehen.
Die Klärbeckenanlage in Frankfurt
[* 6] a. M. für 18,000 cbm Abwässer
pro Tag besitzt vier gemauerte überwölbte Becken, welche die
in sechs Stunden durchlaufen. Die Wässer gelangen aus den Zuleitungskanälen nacheinander in mehrere Kammern, in denen durch
Netze die gröbern Schwebestoffe aufgefangen und die Zuschläge (schwefelsaure Thonerde und Kalk) nacheinander gegeben werden.
Vor den Becken liegt eine sogen. Galerie, in welcher schwere Stoffe sich absetzen, und aus welcher die Wässer,
in flacher Schicht über Wehrrücken fallend, mit Wechselbetrieb in die Klärbecken gelangen. In derselben Weise fallen die
geklärten in eine Galerie vor dem untern Ende der Becken und fließen von hier aus in den Main ab. Der flüssigere Schlamm
fließt aus den Becken in einen tief liegenden Kanal
[* 7] und wird aus diesem durch eine Schlammpumpe gehoben.
Die festern Teile müssen ausgekarrt werden. Der Zufluß der Zuschlagflüssigkeiten wird durch Kaliberhähne geregelt. Nach
dem Verfahren von Müller-Nahnsen (Ottensen, Halle,
[* 8] Dortmund)
[* 9] fallen die Abwässer
, nachdem die Zuschläge (Kalk, lösliche Kieselsäure,
schwefelsaure Thonerde) beigemischt sind, durch ein zentrales Rohr, welches in einer Scheibe mit durchlochter
Unterseite endigt, in einen Brunnen
[* 10] von 5-10 m Tiefe und steigen in diesem so langsam auf (ein paar Millimeter pro Sekunde),
daß die Niederschläge zu Boden sinken können.
Schräg gestellte Tafeln leisten dem Aufsteigen von Schwebestoffen Widerstand und befördern mithin das Absetzen. Wenn nötig,
passieren die Abwässer
noch einen zweiten Brunnen und gelangen dann in den Fluß. Durch eine Pumpe
[* 11] werden die
Niederschläge aus dem Brunnen entfernt, ohne den Betrieb zu stören. Die Regelung der Zuschlagsmengen, entsprechend den Abwässer
mengen,
erfolgt durch einen selbstthätig wirkenden Apparat. Prinzipiell stimmt mit diesem Verfahren dasjenige von Rückner-Rothe (Essen,
[* 12] Braunschweig)
[* 13] überein, nur werden hier die Abwässer durch Luftverdünnung in einen Heberkessel
gesaugt, der mit seinem untern Rand in den Brunnen eintaucht. In die obere Wölbung des Heberkessels mündet ein Rohr, welches
zu einer Luftpumpe
[* 14] führt.
Ein aus Latten hergestellter kegelförmiger Körper hängt im Brunnen unter dem Kessel und bedeckt sich bald mit niederfallenden Schlammteilen, so daß er aufsteigende Schwebestoffe am weitern Steigen hindert. Die Anwendung des Kessels gestattet, an Tiefe der Brunnen zu sparen, und ermöglicht eine sehr genaue Regelung der Wassergeschwindigkeit, entsprechend dem Verunreinigungszustand der Abwässer. Der Zufluß der Zuschläge (dieselben wie beim Müller-Nahnsenschen Verfahren) erfolgt auch hier durch einen selbstthätig wirkenden Apparat.
Die Anlage in Wiesbaden [* 15] ist eine Kombination der Frankfurter mit der Rückner-Rotheschen, insofern die Abwässer zunächst die hintereinander liegenden Brunnen mit aufsteigender Bewegung passieren und dann zum weitern Absetzen der Schwebestoffe in größere Becken gelangen. Als Zuschlag wird nur Kalkmilch benutzt. Die Kosten der Reinigung der Abwässer nach dem Verfahren von Müller-Nahnsen und Rückner-Rothe betragen etwa 1 Mk. pro Kopf und Jahr.
Vgl. König, Die Verunreinigung der Gewässer (Berl, 1887);
Gerson, Die Verunreinigung der Wasserläufe durch Abflußwässer aus Städten und Fabriken und ihre Reinigung (das. 1889);
Heinzerling, Die Beseitigung der Abfallwässer (Halle 1885);
Fadejeff, Die Unschädlichmachung der städtischen Kloakenauswürfe (deutsch von Menzel, Leipz. 1886).