Abstrákt
Bezeichnung eines
Begriffs, welcher nur die allgemeinen und darum
wesentlichen Merkmale eines
Dinges enthält. Die mehreren
Gattungen von
Pflanzen,
Bäumen, Sträuchern,
Gräsern,
Moosen etc. gemeinsamen
Merkmale, zu einem
Begriff vereinigt, geben z. B. den abstrakten
Begriff einer
Pflanze. Auf dieselbe
Weise kann man aus einer
Anzahl einzelner
Erscheinungen im
Leben, die gewisse Merkmale gemein haben, eigentümliche
Begriffe zusammensetzen,
z. B. die
Begriffe
Tugend,
Kunst, schön, wahr oder einzelne hervortretende Merkmale eines vorhandenen
Begriffs auffassen und
daraus einen neuen ableiten, z. B. weibisch, kindlich.
Die Abstraktion wird demnach durch ein Absehen vom Besondern und ein Ausscheiden des bloß Individuellen vollzogen, daher der Name. Solcher Abstraktionen aber unterscheidet man zweierlei, quantitative und qualitative. Wird von der Form eines Ganzen oder der Verbindungsweise der einzelnen Teile desselben eine klare, von den einzelnen Teilen selbst aber eine undeutliche Darstellung gegeben, so haben wir eine quantitative Abstraktion. Der Mathematiker (welcher diese Art von Abstraktionen am meisten gebraucht) will nicht ein rotes oder grünes Dreieck, [* 2] sondern er richtet seine Aufmerksamkeit bloß auf die Weise der Verbindung der einzelnen Linien und Winkel [* 3] zu einem Dreieck, spricht deswegen von einem rechtwinkeligen, schiefwinkeligen, gleich- und ungleichseitigen.
Ebenso spricht er von abstrakten
(»unbenannten«)
Größen und will, wenn er mit seinem
a, b, c, x, y, z
rechnet, nicht gerade
Münzen,
[* 4]
Steine etc. bezeichnen, sondern nur auf eine
Verbindung von
Einheiten hinweisen. Die
Sieben ist
ihm eine
Verbindung von
Einheiten, kurz jede Zahl
an sich nur eine
Darstellung eines bestimmten Verhältnisses der Vielheit zur
Einheit. Die quantitativen
Abstraktionen liefern uns alle
Raum- und Zeitbestimmungen, daher denn auch die
Worte »dort«, »wann«,
»wo«, »über«, »unter«
solche
Abstraktionen sind.
Anders steht es mit den qualitativen Abstraktionen. Behalten jene von dem in der anschaulichen Erkenntnis mit allen seinen Beschaffenheiten aufgefaßten Gegenstand das Ding selbst vor dem Bewußtsein, lassen aber die Beschaffenheiten der einzelnen Teile verbleichen, so heben die Abstraktionen der zweiten Art die Beschaffenheiten des angeschauten Gegenstands recht hervor, lassen aber die Vorstellung des Gegenstands selbst dunkler werden. Liefern jene die Subjektvorstellungen für jedes Urteil, so geben diese dafür die Prädikate. - In der bildenden Kunst ist eine Darstellung abstrakt, wenn der Künstler sich bloß gemeinsamer Begriffe zur Bezeichnung seiner Ideen bedient, also die Individualisierung ausschließt, wodurch die Anschaulichkeit verloren geht. Daher ist der abstrakte Vortrag beim Redner, der bewegen, beim Dichter, der schildern und malen soll, ein Fehler.