Abstimmung
,
die förmliche und ausdrückliche Willenserklärung der Mitglieder einer Versammlung oder eines Kollegiums über eine bestimmte Frage. Zu einem gültigen Beschluß ist Beschlußfähigkeit, d. h. die Anwesenheit der vorschriftsmäßigen Anzahl von Mitgliedern, und je nach dem einzelnen Fall und nach den bestehenden Vorschriften Stimmeneinhelligkeit oder Stimmenmehrheit erforderlich. In letzterer Beziehung wird entweder eine bestimmte Mehrheit, z. B. zwei Drittel der Mitglieder, oder absolute Majorität (eine Stimme über die Hälfte sämtlicher Stimmen), oder nur relative Majorität erfordert.
Letztere liegt dann vor, wenn sich für eine Meinung nur mehr
Stimmen erklären als für jede einzelne
Sonstige Meinung. Die Abstimmung
erfolgt entweder öffentlich durch Handaufheben, Aufstehen von den Sitzen, Auseinandertreten,
Zuruf
(Akklamation), oder geheim durch Stimmzettel, Stimmtäfelchen oder schwarze und weiße
Kugeln
(Ballotage). Eine weitere
Art der öffentlichen Abstimmung
ist die durch Namensaufruf, bei welchem mit »Ja«
oder »Nein« geantwortet wird.
Letztere Art und
Weise rechtfertigt sich aber für größere Versammlungen
nur durch die besondere Bedeutung des
Falles; sie kann leicht zur Verschleppung von Gegenständen und zur Parteiintrige gemißbraucht
werden.
Nach der
Geschäftsordnung des deutschen
Reichstags sind die
Fragen, die zur Abstimmung
kommen, so zu stellen, daß sie einfach durch
»Ja« oder »Nein« beantwortet
werden können.
Unmittelbar
vor der Abstimmung
ist die
Frage zu verlesen. Ist vor einer Abstimmung
infolge einer darüber gemachten Bemerkung
der
Präsident oder einer der fungierenden
Schriftführer zweifelhaft,
ob eine beschlußfähige Anzahl von Mitgliedern anwesend
sei, so erfolgt der Namensaufruf. Erklärt dagegen auf die erhobene Bemerkung oder einen diesbezüglichen
Antrag
auf Auszählung des
Hauses der
Präsident, daß kein Mitglied des
Büreaus über die Anwesenheit beschlußfähigen Anzahl von
Mitgliedern (199) zweifelhaft sei, so sind damit Bemerkung und
Antrag erledigt.
Die Abstimmung
geschieht nach absoluter Mehrheit durch Aufstehen oder Sitzenbleiben. Ist das Ergebnis nach der
Ansicht des
Präsidenten
oder
eines der fungierenden
Schriftführer zweifelhaft, so wird die
Gegenprobe gemacht. Liefert auch diese
noch kein sicheres Ergebnis, so erfolgt die Zählung des
Hauses und zwar, nach englischem
Muster, in folgender
Weise (sogen.
Hammelsprung): Der
Präsident fordert die Mitglieder auf, den
Saal zu verlassen. Sobald dies geschehen, sind die
Thüren zu schließen,
mit Ausnahme einer
Thür an der
Ost- und einer an der Westseite. An jeder dieser beiden
Thüren stellen
sich je zwei
Schriftführer auf.
Auf ein vom
Präsidenten mit der
Glocke gegebenes Zeichen treten nun diejenigen Mitglieder, welche mit »Ja«
stimmen wollen, durch die
Thür auf der Ostseite, rechts vom
Büreau, diejenigen aber, welche mit »Nein«
stimmen wollen, durch die
Thür an der Westseite, links vom
Büreau, in den
Saal wieder ein. Die an jeder der beiden
Thüren
stehenden
Schriftführer zählen laut die eintretenden Mitglieder. Demnächst gibt der
Präsident ein Zeichen mit der
Glocke,
schließt die Abstimmung
und läßt die
Thüren des
Saals öffnen.
Jede nachträgliche Abstimmung
ist ausgeschlossen, nur der
Präsident und die dienstthuenden
Schriftführer geben ihre
Stimmen nachträglich
ab, worauf der
Präsident das
Resultat der Zählung des
Hauses verkündet. Auf namentliche Abstimmung
kann beim
Schluß der Beratung
vor der
Aufforderung zur Abstimmung
angetragen werden; ein solcher
Antrag muß aber wenigstens von 50 Mitgliedern
unterstützt werden. Der
Präsident erklärt die Abstimmung
für geschlossen, nachdem der namentliche Aufruf sämtlicher Mitglieder
des
Reichstags erfolgt und nach Beendigung desselben durch Wiederholung des
Alphabets Gelegenheit zur etwanigen nachträglichen
Abstimmung
gegeben worden ist. Bei allen nicht durch Namensaufruf erfolgten Abstimmungen hat jedes Mitglied des
Reichstags das
Recht,
seine von dem Beschluß der Mehrheit abweichende Abstimmung
, kurz motiviert, schriftlich dem
Büreau zu übergeben u. deren
Aufnahme
im stenographischen
Berichte, ohne vorgängige Verlesung im
Reichstag, zu verlangen.
Für die in den Richterkollegien hat das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz (§§ 194 ff.) besondere Vorschriften gegeben. Hiernach soll die Entscheidung der Regel nach auf Grund absoluter Majorität der Stimmen erfolgen. Bilden sich in Beziehung auf Summen, über welche zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen so lange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergibt.
Bilden sich in einer
Strafsache, von der
Schuldfrage abgesehen, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich
hat, so werden die dem Beschuldigten nachteiligsten
Stimmen den zunächst minder nachteiligen so lange hinzugerechnet, bis
sich eine Mehrheit ergibt. Zur Bejahung der
Schuldfrage wird nach der deutschen Strafprozeßordnung (§
262) die Mehrheit von zwei Dritteilen der
Stimmen erfordert. Die Reihenfolge bei der Abstimmung
richtet sich nach dem
Dienstalter,
bei den
Schöffengerichten und in den
Kammern für
Handelssachen nach dem
Lebensalter: der jüngste stimmt zuerst, der Vorsitzende
zuletzt. Wenn ein
Berichterstatter ernannt ist, so gibt dieser seine
Stimme zuerst ab. Bei der
¶
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der Geschwornen richtet sich die Abstimmung
nach der Reihenfolge der Auslosung. Der Obmann stimmt zuletzt. Nicht selten wird übrigens
auch der Ausdruck Abstimmung
gleichbedeutend mit »Wahl« (s. d.) gebraucht.