die abtragende Thätigkeit, welche das
Meer vermöge der Brandungswelle auf das
Festland an der
Küste ausübt. Die mechanische
Wirkung der Brandungswoge auf die Gestaltung der Meeresküste ist von verschiedenen Umständen abhängig und richtet
sich 1) nach der
Höhe und
Stärke
[* 2] der
Wellen,
[* 3] welche durch herrschende Windrichtung und Windstärke bedingt
werden, nach dem
Abstand zwischen
Ebbe und
Flut und dem etwanigen Vorhandensein von Eisschollen;
2) nach der vertikalen und horizontalen
Gliederung derKüste, der
Zusammensetzung,
Lagerung und
Festigkeit
[* 4] des Gesteins. Das
Meer wirkt zernagend in dem ganzen
Raum, an welchem es brandet, mit den
Gezeiten verschiebt sich aber die Angriffslinie
der Brandungswelle innerhalb gewisser
Grenzen,
[* 5] welche nach unten bis unter das
Niveau von Niedrigwasser reichen, nach
oben über
die gewöhnliche Fluthöhe hinausgehen, weil beim Zusammentreffen von
Sturm undHochwasser das
Meer noch in größern
Höhen
anbrandet. Im stärksten
Maß geht die Zerstörung zwischen der halben Fluthöhe und der obern Brandungsgrenze
vor sich. In höhern
Breiten treten Eisschollen als sekundäres
Agens der zerstörenden
Wirkung der Meereswellen hinzu. An Flachküsten
geht der größere Teil der lebendigen
Kraft
[* 6] der
Welle durch
Reibung
[* 7] an der Strandoberfläche verloren, am größten ist ihre
Wirkung, wenn sich eine steile oder senkrechte Felswand weichen oder stark zerklüfteten Gesteins
dem
Angriff darbietet. Im letztern
Fall bildet sich durch die Ausnagung des
Wassers an gezeitenlosen
Küsten in der
Höhe des
Meeresniveaus eine
Hohlkehle, welche gegen das Land einspringt. An
Küsten, welche dem
Wechsel derGezeiten ausgesetzt sind,
ist die Angriffsfläche nach
oben und nach unten ausgedehnter.
Durch die Unterhöhlung verlieren die höhern überragenden Felsmassen ihre
Stütze und brechen ab. Die
auf den
Boden der
Hohlkehle niederfallenden Felsblöcke werden durch die
Brandung zerkleinert, zu
Sand zerrieben und durch den
rückfließenden Unterstrom der
Welle ins
Meer geführt. So schafft sich die
Brandung durch Abrasion auf der Felsunterlage einen sanft
gegen das Land ansteigenden
Strand, der mit dem abradierten
Detritus,
Sand und
Kies bedeckt ist. Je länger
dieser
Prozeß andauert, und je weiter die Strandterrasse landwärts sich vorschiebt, desto mehr wird die
Kraft der Brandungswelle
durch
Reibung verbraucht.
Erfolgt keine Veränderung in dem gegenseitigen
Niveau von Meeresspiegel und Land, so tritt ein stationärer
Zustand ein, jede
Verschiebung aber im
Stand von Land und
Meer bietet der Abrasionswelle neue Angriffspunkte. Senkt sich der
Meeresspiegel gleichmäßig (negative Strandlinienschiebung), so wird mit dem Aufsteigen der
Küste der soeben gebildete Brandungsstrand
wieder modifiziert werden; nur bei ungleichförmigem, von Ruhepausen unterbrochenem Sinken können Strandterrassen und
-Linien
entstehen, die bei fortgesetzter
Erniedrigung des Meeresniveaus als gehobene erscheinen.
Eingreifender sind die Veränderungen bei positiver
Verschiebung der
Strandlinie, wenn der Meeresspiegel im
Verhältnis zum
Land ansteigt. Die Strandfläche erweitert sich in diesem
Falle landeinwärts entweder ebenmäßig oder in
Stufen. Dabei
bildet
sich eine sanft ansteigende Felsfläche, die Abrasionsfläche. Nach derAnsicht F. v.
Richthofens sollen
auf diese
Weise ganze
Gebirge weggehobelt worden sein. Meistens wird die
Fläche durch die von der
Brandung zerkleinerten Abrasionstrümmer
bedeckt sein, die sich während der Transgression des
Meers als
Sedimente auf dem
Boden ablagerten.
(vgl. Bd. 17) bezeichnet nicht nur die abtragende Thätigkeit, welche das Meer vermöge der Brandungswelle
auf das Festland an der Küste ausübt, sondern auch die mechanisch abnutzende Wirkung, welche durch bewegte Luft mit Hilfe fester
Gesteinspartikel von einer gewissen Härte auf Steine hervorgerufen wird. Dieselbe Wirkung wird als Erosion
[* 8] (s. d., Bd. 17) bezeichnet,
wenn ein andres Agens, wie z. B. rinnendes Wasser oder strömendes Eis,
[* 9] dabei beteiligt ist.
Das Phänomen der
Abrasion läßt sich künstlich nachahmen, so daß man die Intensität derselben durch Messung bestimmen kann.
Dieselbe ist je nach den Bedingungen, unter denen das Experiment vollzogen wird, eine ganz verschiedene
und hängt in erster Linie von der Härte und äußern Beschaffenheit des zum Abradieren verwandten Materials sowie von der Stärke
des bewegenden Luftzugs ab. Zahlreiche Versuche, welche man mit Gesteinsmaterial von verschiedener Natur angestellt hat, haben
als allgemeines Resultat ergeben, daß die Abrasion direkt proportional ist der Menge des Sandes, welche zum Abradieren
verwandt wird, sowie der Stärke des Windes, welcher der Sand treibt. Im einzelnen gestalten sich die Verhältnisse folgendermaßen:
Ein geglätteter Stein widersteht der Abrasion besser als einer mit rauher Oberfläche, ebenso ein trockner besser als einer,
der von Wasser durchzogen ist.
Die Abrasion wirkt um so energischer, je senkrechter die der Abrasion ausgesetzte Gesteinsfläche zur Richtung des abradierenden Materials
steht; dieselbe nimmt sehr schnell an Intensität ab, sobald die Neigung unter 60° beträgt. Sind die Sandkörner durch die
auf ein Gestein ausgeübte Abrasion bereits abgerundet, so wirken sie fernerhin nicht mehr so energisch,
als wenn sie ihre eckige Form bewahrt haben. Pulverisierter Kalk übt keine Abrasion auf Quarz aus; bei Kalk gegen Kalk oder Quarz gegen
Quarz ist die Wirkung die gleiche.
Die größte Abnutzung wird durch Quarzpulver auf ein Kalkgestein hervorgerufen. Bei gleicher Härte widerstehen
homogene Gesteine
[* 10] oder heterogene, aus kleinen Gesteinselementen zusammengesetzte der Abrasion besser als klastische Gesteine aus
grobem oder verschiedenartigem Material. Für jeden festen Körper kann man den absoluten Wert des Widerstandes gegen die Abrasion durch
eine Zahl ausdrücken, wenn man als Einheit den Widerstand annimmt, welchen eine Quarzfläche leistet, die senkrecht
zur optischen Achse steht.
In der Natur kann man das Produkt der Abrasion überall da beobachten, wo die Bedingungen für die Wirkung derselben erfüllt sind,
nämlich wo Sand in genügender Menge vorhanden ist oder stets von neuem gebildet wird und der Wind vorherrschend in einer bestimmten
Richtung weht. Bei einer Geschwindigkeit von weniger als 4 m in der Sekunde bleiben selbst Sandkörner,
die nur 0,25 mm im Durchmesser haben, unbeweglich liegen. Um Sandkörner von 0,5 mmDurchmesser zu transportieren, muß die Geschwindigkeit
des Windes 7-8 m in der Sekunde erreichen.
Mit zunehmender Windstärke setzen sich auch die größern und schwerern Sandkörner in Bewegung und streichen
ganz nahe über den Boden hin. Treffen sie auf ein Geröllstück, so abradieren sie die ihnen zugekehrte Seite, die mit der
Zeit kleine Rinnen, Streifen, Schrammen oder auch polierte Flächen erkennen läßt, während die andern Seiten gewöhnlich
eckig bleiben, doch kommen auch Fälle vor, in denen alle Seiten geglättet sind. Die geglättete Seite
ist meistens nach einer bestimmten Himmelsgegend gerichtet, die mit der Richtung des vorherrschenden Windes übereinstimmt.
Sehr häufig finden sich derartig geformte Steine, sogen. Dreikanter oder Pyramidalgeschiebe, in ehemalig vergletscherten
Gebieten. IhreBildung hat jedoch mit den eiszeitlichen Gletschern nichts zu thun; es sind durch den Wind
erzeugte Sandschliffe, deren Form durch die Lage, Größe und etwanige Umhüllung des Geröllstückes bedingt wird.
(lat.), nach F. von Richthofen die Erscheinung, daß bei allmählichem Sinken
eines Kontinents die langsam weiter landeinwärts vordringende Brandung das Festland zu einer mehr oder weniger ebenen Fläche
gleichsam abhobelt, indem zugleich das hierbei zertrümmerte Gesteinsmaterial auf dem neugebildeten Boden
des vordringenden Meers zur Ablagerung gelangt. Die Abrasion steht in bestimmtem Gegensatz zur Erosion (s. d.),
welch letztere das Relief der Erdoberfläche formenreicher gestaltet, während die erstere dasselbe zunächst unterseeisch
ausebnet, es aber nach einer negativen Niveauverschiebung als Flachland in die Erscheinung treten läßt.