Ablösung
,
die Beseitigung einer rechtlichen Verpflichtung auf Grund gesetzlicher Bestimmung; insbesondere die Aufhebung der auf dem Grund und Boden ruhenden privatrechtlichen Lasten und Verpflichtungen dinglicher Art. Es hängt in Deutschland [* 2] mit dem Lehnswesen des Mittelalters, welches lange Zeit das öffentliche wie das private Rechtsleben beherrschte, zusammen, daß der ländliche Grundbesitz zum überwiegenden Teil nicht im vollen Eigentum der Besitzer und Bebauer desselben stand und zudem mit einer kaum erschwinglichen Last zu gunsten der Gutsherrschaft, der Kirche, milder Stiftungen und sonstiger Korporationen und Privatpersonen beschwert war.
Wie die volle persönliche
Freiheit erst in neuerer Zeit unsrer Landbevölkerung zu teil ward, so ist
auch die
Befreiung des
Grundeigentums erst im
Lauf dieses
Jahrhunderts zur That geworden und in manchen Gegenden noch jetzt über
das Vorbereitungsstadium nicht hinausgekommen. Die moderne Ablösung
sgesetzgebung verfolgt das doppelte
Ziel: Umwandlung des
nutzbaren
Eigentums unsrer Landbevölkerung in volles
Eigentum und
Befreiung dieses vollen
Grundeigentums
von den Feudallasten.
Die
französische Revolution gab auch in dieser Hinsicht zu einer freiheitlichen
Entwickelung der
Dinge den Anstoß, wenn auch
schon zuvor ein
Joseph II. die
Befreiung des deutschen Bauernstands von den drückendsten
Lasten versucht hatte. Die französische
Nationalversammlung ging in der denkwürdigen
Nacht vom mit einem großen
Beispiel voran, indem
sie alle
Fronen,
Zehnten und sonstigen Feudalrechte, insoweit dieselben keine andre rechtliche Grundlage als gewaltsame Einführung
hatten oder sonst mit dem Gemeinwohl unverträglich waren, ohne
Entschädigung aufhob, für die im
Privatrecht wurzelnden
Gerechtsame
aber die Ablösung
dekretierte.
Preußen

* 3
Preußen.
Für
Deutschland beginnt mit der
Stein-Hardenbergischen
Gesetzgebung in
Preußen
[* 3] das große Befreiungswerk und die planmäßige
Durchführung der Ablösung
, welche in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts in allen deutschen
Staaten in
Angriff genommen und in konsequenter
Weise durchgeführt ward. Am wenigsten vorgeschritten ist die Ablösung
bis jetzt in
Mecklenburg.
[* 4] Für die preußische
Monarchie sind insbesondere von Wichtigkeit die
Edikte vom und vom das Ablösung
sgesetz und das Rentenbankgesetz
vom und das
Gesetz vom betreffend die der Reallastberechtigungen, welche den geistlichen und Schulinstituten
sowie den frommen und milden
Stiftungen
zustanden.
Dazu kamen dann verschiedene Ablösung
sgesetze für die neuen
Provinzen. Außerdem heben wir aus der großen
Menge von Ablösung
sgesetzen
die österreichischen
Patente vom und vom die bayrischen
Gesetze vom und vom das
königlich sächsische
Gesetz vom und die württembergischen
Gesetze vom und her
vor. Die preußische
Gesetzgebung insbesondere, an welche sich vielfach andre Ablösung
sgesetzgebungen anlehnen, hat das Obereigentumsrecht
des
Lehns-,
Grund- und Erbzinsherrn sowie das Eigentumsrecht des Erbverpachters und das grund- oder gutsherrliche
Heimfallsrecht
mit Ausnahme der diesen Verhältnissen entspringenden
Abgaben und Leistungen ohne
Entschädigung aufgehoben.
Leichlingen - Leidener

* 5
Leiden.
Ebenso erfolgte in den meisten
Staaten die Aufhebung der aus der
Guts-,
Gerichts-,
Vogtei-,
Grund- oder Dienstherrlichkeit herrührenden
Lasten ohne
Entschädigung. Was aber die eigentlichen
Grundlasten anbetrifft, bei deren Ablösung
eine
Entschädigung stattfindet, so
unterscheidet die preußische
Agrargesetzgebung zwischen den
Reallasten und den
Grunddienstbarkeiten. Bei
den letztern
(Prädial-,
Realservituten) besteht die Verpflichtung in einem Dulden oder
Leiden.
[* 5]
Dahin gehören die zahlreichen
Forst und
[* 6]
Waldservituten und die
Weidegerechtigkeiten, deren Ablösung
im
Interesse einer rationellen
Land und
Forstwirtschaft als geboten erscheint. Im
Gegensatz zu diesen Belastungen des
Grundeigentums charakterisieren sich
die
Reallasten als die Verpflichtung zu einem positiven
Thun, zu einer Leistung, zu welcher der betreffende
Grundeigentümer verpflichtet ist. In diese
Kategorie fallen zahlreiche
Abgaben bei Besitzveränderungen,
Zehnten,
Natural- und
Geldabgaben,
Fronen,
Hand
[* 7] und Spanndienste und
Grundzinsen aller Art. Nach dieser
Richtung hin erscheint die Ablösung
als eine soziale
Reform von größter Wichtigkeit.
Die preußischen Ablösung
sgesetze beziehen sich auch nur auf diese Art der Ablösung, während
die der
Grunddienstbarkeiten in den sogen. Gemeinheitsteilungsgesetzen behandelt wird. Ablösbar
sind hiernach alle beständigen
Abgaben und Leistungen mit Ausnahme der öffentlichen
Lasten, welche auf
Grund und
Boden gelegt
sind. Dazu kommt nach der deutschen
Gewerbeordnung (§ 8) auch die Ablösung
derjenigen
Zwangs und
Bannrechte,
welche durch das
Gesetz nicht aufgehoben sind, und bei denen die Verpflichtung auf Grundbesitz haftet, die Mitglieder einer
Korporation als solche betrifft oder den Bewohnern eines
Orts oder
Distrikts vermöge ihres
Wohnsitzes obliegt.
Ablozieren - Abner

* 12
Seite 1.48.
Diese Ablösung
ist in den einzelnen deutschen
Staaten zumeist
Hand in
Hand mit der Aufhebung der Gewerbeprivilegien
geregelt worden. Was die Behörden anbetrifft, welche die Ablösung
ssachen zu bearbeiten haben, so sind in manchen
Staaten
die ordentlichen Verwaltungsbehörden, in andern die ordentlichen
Gerichte damit beauftragt, während in manchen
Staaten, wie
in
Österreich,
[* 8]
Preußen,
Sachsen,
[* 9]
Oldenburg,
[* 10]
Braunschweig
[* 11] und in verschiedenen
Staaten
Thüringens, besondere
Behörden (Auseinandersetzungsbehörden, Ablösung
skommissionen) damit betraut sind. Das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz
(§ 14) hat diese besondern
Gerichte, denn es handelt sich dabei auch um richterliche
Entscheidungen, ausdrücklich beibehalten.
In
Preußen bestehen zur Bearbeitung von Ablösungen
und andern Auseinandersetzungen die kollegialischen
Generalkommissionen,
als deren
Organe an
Ort und
Stelle Spezialkommissarien (Ökonomiekommissarien
¶
mehr
und Ökonomiekommissionsräte) fungieren. In einigen Provinzen sind statt der Generalkommissionen die Regierungen damit betraut Streitigkeiten, welche erst durch das Ablösungsverfahren hervorgerufen werden, sind in erster Instanz von der Generalkommission, resp. da, wo die Regierung deren Funktionen wahrnimmt, von einem besondern Spruchkollegium zu entscheiden. In zweiter und letzter Instanz gehören sie vor das Oberlandeskulturgericht in Berlin. [* 13] Nur in Streitigkeiten, welche sich auf den der Ablösung zu Grunde liegenden Rechtszustand selbst beziehen, ist eine dritte Instanz, das Reichsgericht in Leipzig, [* 14] gegeben, welches in dieser Hinsicht an die Stelle des frühern Obertribunals in Berlin getreten ist.
Das Ablösungsverfahren, welches in den einzelnen Staaten sehr verschieden normiert ist, wird regelmäßig nur auf Antrag (»Provokation«) des Berechtigten oder des Verpflichteten, zuweilen aber auch von Amts wegen eingeleitet. Die Entschädigung erfolgt regelmäßig durch Kapitalisierung des jährlichen Reinertrags, zuweilen aber auch durch Verwandlung der Grundlast in eine Natural- (Korn-) oder Geldrente und mitunter auch durch eine Abfindung mit Grund und Boden.
Bei Feststellung der Abfindungssumme variiert die Gesetzgebung zwischen dem 10-25fachen Betrag des jährlichen Reinertrags. Zur Erleichterung der Ablösung sind vielfach Rentenbanken errichtet worden, welche in Preußen den Berechtigten durch 4proz. staatlich garantierte Rentenbriefe in der Höhe des 20fachen Betrags abfinden, während der Verpflichtete bis zur gänzlichen Tilgung der Schuld 56 1/12 oder 41½ Jahre hindurch die nötige Zins und Tilgungsrente an die Bank zu entrichten hat.
Diese Rente wird der Staatssteuer gleich behandelt und erhoben. Die Rentenbanken (in Königsberg, [* 15] Berlin, Stettin, [* 16] Ratzeburg, Breslau, [* 17] Magdeburg, [* 18] Hannover [* 19] und Münster) [* 20] stehen unter einem besondern Direktorium und unter der gemeinsamen Aufsicht des Landwirtschafts- und des Finanzministeriums. Ein Gesetz vom dehnte die Frist zur Anbringung von Anträgen auf Vermittelung der Rentenbank bis aus. S. Agrarpolitik und Forstpolitik.
Vgl. Judeich, Die Grundentlastung in Deutschland (Leipz. 1863);
Friedlieb, Rechtstheorie der Reallasten (Jena [* 21] 1860);
Danckelmann, Ablösung und Regelung der Waldgrundgerechtigkeiten (Berl. 1880).