Abessinien.
Der
Negus Negesti von Abessinien
,
Johannes, hatte zwar nach seinem
Sieg über das ägyptische
Heer 1876 bei
Gura
seine mächtigen und nur ungern seiner Oberherrschaft sich fügenden
Vasallen in
Schoa und
Godscham sich gefügig gemacht, allein
ihre Bestrebungen, unabhängig zu werden, waren damit keineswegs gebrochen. Namentlich hatte Menelek von
Schoa, ein
Sprosse
altäthiopischen
Stammes, niemals die
Hoffnung aufgegeben, den Tigriner Usurpator vom
Thron
[* 2] zu stoßen.
Daran änderte auch nichts, daß Johannes wiederholt Menelek als Erben des abessinischen Throns bezeichnete und ein Ehebund zwischen den Kindern beider abgeschlossen wurde. Menelek legte zwar den angenommenen Titel Negus Negest ab, begnügte sich mit dem eines Negus von Schoa und verpflichtete sich, einen jährlichen Tribut an Johannes zu zahlen; aber er ließ sein Endziel doch nie außer Augen. Er unterwarf bis 1885 das Gebiet der Soddo-Galla, Kabiena, Inarja, Gomma, Gumma, Gera, [* 3] Dschimma Kaka, Kaffa und Gurage und bändigte damit die zügellosen Galla vollständig.
Dann wurde auch das von den Engländern dem Emir Abdullah, welcher den italienischen Reisenden Porro und Gefährten ermorden ließ, übergebene Harar erobert. Inzwischen war das Streben des Negus Johannes darauf gerichtet gewesen, den Hafen von Massaua [* 4] von Ägypten [* 5] zurückzuerhalten, und er hatte sich deshalb wiederholt, wiewohl vergebens, an die europäischen Kabinette gewandt. Als nun die Italiener die Stadt mit Zustimmung der Engländer besetzten, glaubten sie auch in die freundschaftlichen Beziehungen zum Negus treten zu können, welche Admiral Hewett durch den Vertrag vom angeknüpft hatte. Um dieselben noch enger zu knüpfen, schickten sie eine Gesandtschaft unter dem General Pozzolini zu Johannes.
Indes nahm der Negus, welcher die Besetzung von Massaua als einen Eingriff in seine Rechte betrachtete, sofort eine feindselige Haltung an. Sein General Ras Alula griff die bis Saati vorgeschobenen Posten der Italiener an und vernichtete infolge des Verrats Debebs, eines Neffen des Negus, der sich das Vertrauen der Italiener erschlichen hatte, 25. und eine aus 552 Mann bestehende, zur Verstärkung [* 6] der Posten abgesandte italienische Abteilung bei Dogali bis auf 83 Mann.
Wegen der enormen
Kosten und Schwierigkeiten eines größern
Feldzugs in Abessinien
unterließen es die
Italiener, eine
Genugthuung vom
Negus zu erzwingen, welche dieser freiwillig nicht gewährte. Menelek aber weigerte sich, einer
Aufforderung des
Negus, mit
ihm gegen die
Italiener vorzugehen, nachzukommen, unterhielt vielmehr freundschaftliche Beziehungen zu
denselben, und als der schon seit
Jahren in
Schoa weilende
Graf
Antonelli Anfang
Februar 1889 von
Italien
[* 7] mit Kriegsmaterial für
den
Krieg in
Schoa eintraf, wurde er in der königlichen
Residenz Entotto mit großem Gepränge empfangen; Menelek ließ 4000
Krieger
ausrücken, um den
Italiener zu ehren. An König
Humbert aber richtete er ein Schreiben,
worin er erklärte,
seinen ganzen Einfluß aufbieten zu wollen, um den Zugang von der italienischen
Kolonie Assab nach
Schoa durch das Danakilland
über
Aussa freizumachen. Im
Winter 1887-1888 zog er ein
Heer von 40,000 Mann
Fußvolk nebst viel
Reiterei
an der Nordwestgrenze zusammen.
Johannes aber, der bereits mit einem Heer am Abaj stand, mußte sich gegen die Mahdisten wenden, welche den schon im Vorjahr glücklich ausgeführten Streifzug wiederholten und die Umgebung des Tanasees verwüstet hatten. Im Verein mit dem König von Godscham trieb er die Derwische aus dem Land und verfolgte sie über die Grenze hinaus, wurde aber von ihnen 7. und bei Metemmeh gänzlich geschlagen und starb selbst an den erhaltenen Wunden zu Makalle auf einer Insel im Tanasee, nachdem er seinen Thron seinem Neffen Mangascha vermacht hatte.
Der mächtigste Häuptling in Abessinien
,
Ras Mikael, unterwarf sich aber dem Herrscher von
Schoa, der sogleich
nach Empfang der Nachricht von der
Niederlage des
Johannes nach
Norden
[* 8] vorrückte, um den
Thron des
Negus Negesti zu besteigen.
Mit seiner Thronbesteigung wird jedenfalls das Unternehmen der
Italiener, von
Massaua aus in wirtschaftliche
Verbindung mit
Abessinien
zu treten, aussichtsvoller, denn Menelek zeigt sich als einen ebenso warmen
Freund
Italiens,
[* 9] als
Johannes
ein heftiger Gegner desselben war.
Die Besetzungen der auf der gesunden Gebirgsstufe gelegenen
Orte
Keren und
Asmara (4. Aug) sind wichtige
Schritte zur
Verwirklichung der italienischen
Projekte. Mitte 1889 ordnete König Menelek eine Gesandtschaft nach
Italien
ab, die dort mit allen
Ehren empfangen wurde. Die förmliche Abtretung des von
Italien zur
Sicherung seiner militärischen
Stellung
beanspruchten Bogoslandes wurde vereinbart und ein
Vertrag abgeschlossen, wonach Abessinien
mit
Schoa sich unter das Protektorat
Italiens
stellte.