Titel
Abendmahl
§. 1. I) Eine gemeine Abendmahlzeit
, welche ein Hausvater mit seinen Kindern und Gesinde
zu halten Pflegt.
Luc. 22, 20.
1 Cor. 11, 25. Joh. 13, 4.
z. 2. II) Ein Gastmahl, welche heut zu Tage, leider, GOtt erbarme es! die vorige Gestalt verloren haben, und möchte wohl heißen, wie Judas in seiner Epistel v. 12. sagt. Dergleichen haben angestellt:
Herodes den Obersten und Hauptleuten in Galiläa, Marc. e, 21.
Holofernes seinen Dienern, Jud. 12, 11. Loth den Engeln, 1 Mos. 19, 3. Martha zu Bethanien dem HErrn JEsu, Joh. 12, 1. 2. f. Matth. 26, 6. und Marc. 14, 3. Osias den Aeltesten, Jud. 6, 18.
§. 3. III) Ein Hochzeitmahl. Tob. 8, 1.
§. 4. IV) Ein Liebesmahl.
Luc. 14, 12. A. G. 20, 7. wurde vermuthlich eins gehalten, u. 11. Judas v. 12. nennt sie Agapas.
§. 5. V) Ein Sacrament des neuen Testaments, ¶
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welches von Christo selbst eingesetzt ist, und in welchem der wahre Leib und das wahre Blut unsers HErrn und Heilandes JEsu Christi, in, mit, bei und unter dem Brod und Wein Allen, die davon essen und trinken, wahrhaftig zum Gedächtniß des Todes Christi, zur Vergebung der Sünde, Stärkung des Glaubens, zur Vereinigung mit Christo, und zur Erlangung des ewigen Lebens mitgetheilt wird.
§. 6. a) Der Stifter ist unser Heiland, Matth. 26, 26. 27. Marc. 14, 22. Luc. 22, 19. 1 Cor. 11, 23. welcher es aus lauter Liebe gegen uns eingesetzt, Eph. 5, 2. Joh. 13. 1. Wiewohl, da es ein Werk außer GOtt, der Vater und heilige Geist keinesweges ausgeschlossen.
§ 7. b) Die Materie ist 1) irdisch, das ist, wahres wesentliches Brod, (es sei nun ungesäuert, wider die Griechen; oder gesäuert, wider die Lateiner; dünn oder dick, wider die Calvinisten) und wahrer wesentlicher Wein, (er sei roth oder weiß; oder auch wohl an einigen Orten mit ein wenig Wasser vermischt), wenn nur der mehrste Theil aus lauterm Wein besteht, (ut odor, color et sapor praevaelat), s. Luc. 22, 19. 20. 1 Cor. 10, 16. 17. c. 11, 23. 25-28.
2) Himmlisch, das ist der wahre wesentliche Leib, und das wahre Blut Christi, welches er am Stamm des Kreuzes für uns vergossen (wider die Calvinisten) und zwar nur während des Gebrauchs, nicht aber außer dem Gebrauch (wider der Päpstler Transsubstantiation, Zerstümmlung und Herumtragung); dieses ist klar aus Pauli Worten. 1 Cor. 10, 16.
§. 8. Das Irdische und das Himmlische werden sacrammtirlicher Weise vereinigt, da ein jedes in seinem Wesen bleibt, und beides wahrhaftig mit dem Munde empfangen wird. Jenes auf eine irdische, natürliche und empfindbare, dieses aber auf eine unempfindbare, übernatürliche und unbegreifliche Art. Und solches muß geschehen, weil GOtt nichts redet, was nicht wahr, 4 Mos. 23, 19. und weil er allmächtig ist und überschwenglich thun kann, Eph. 3, 10. Offb. 1, 8. Hier muß die Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens.
§. 9. c) Sowohl Würdige als Unwürdige empfangen mit und unter dem Brod und Wein den wahren Leib und das wahre Blut unseres Heilandes; obschon die Reformirten wider Paulus, 1 Cor. 11, 27. ein andres darzuthun vergeblich bemüht sind. Denn wird der Unwürdige schuld an dem Leib und Blut Christi, so muß er es ja nothwendig auch genießen.
§. 10. d) Jedoch sind beide in Ansehung der Frucht und des Nutzens unterschieden. Die Gläubigen und also die Würdigen genießen es, wie es Christus befohlen, zum Gedächtniß ihres Heilandes, Luc. 22, 19. 1 Cor. 11, 26. 1 Tim. 2, 8. zur Vergebung der Sünden, Matth. 26,28. zur Erneuerung der lebendigen Gemeinschaft mit JEsu, und Erinnerung an die stete geistliche Genießung desselben, die Bedingung des geistlichen Lebens, Joh. 6, 53-56. zur Empfangung neuer Lebenskraft, zur Erweckung brüderlicher Liebe und Gemeinschaft, 1 Cor. 10, 17. und zur Hoffnung der ewigen Vereinigung mit Christo und den Gläubigen im Reiche der Herrlichkeit, Matth. 26, 29. da hingegen die Unwürdigen diesen herrlichen Nutzen nicht nur nicht davon tragen, woran sie selbst schuld, indem sie damit umgehen wie mit einer andern Speise, 1 Cor. 11, 19. 29. 2 Cor. 2, 15. 16. sondern auch theils durch die Entweihung des Heiligen, theils durch die Unterdrückung der ernsten Eindrücke und Gewissensrührungen sich selbst göttliches Mißfallen und Verhärtung zuziehen.
§. 11. e) Dieses Liebesmahl des Heilandes soll ein wahres Glied des Leibes Christi oft, 1 Cor. 11, 25. 26. und mit guter Vorbereitung und Prüfung, ib. v. 26. f. genießen. Man kann zwar Keinem, wie oft er zum heiligen Nachtmahl gehen soll, vorschreiben; jedoch, wenn ich eine Zahl erwählen sollte, so wollte ich, zum Gedächtniß der 5 Wunden meines Heilandes, die fünfte nehmen. Andere wollen dreimal sich zum Tisch des HErrn nahen, weil drei Personen in der Gottheit; Andere zweimal, weil zwei Sacramente; noch Andere nur einmal, weil nur Ein GOtt 2c. Die evangelisch-lutherische Kirche hat den viermaligen jährlichen Genuß empfohlen. Der Maßstab hierbei muß Jedem der Drang seines Bedürfnisses sein, und giebt also der seltenere Genuß ein sicheres Merkzeichen der mindern Sehnsucht nach der Gemeinschaft JEsu.
§. 12. f) Es heißt auch in H. Schrift 1) der Tisch des HErrn, 1 Cor. 10, 21. weil es zur Apostelzeit auf einem Tisch ausgetheilt worden;
2) das neue Testament. Luc. 22, 20. 3) die Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi. 1 Cor. 10, 16. Sonst wird es genannt 4) Eucharistia, ein Lob- und Dankmahl, weil Christus solches mit Danken gestiftet, Matth. 26, 27. 5) Synaxis, oder Congregatio, weil es in der Versammlung der Heiligen genossen wird, und daher außer dieser, es sei denn im Fall der Noth, nicht sollte genossen werden.
6) Agape, sowohl wegen der Liebesgaben, welche die Reichen zu schicken Pflegten, wenn sie zum heiligen Nachtmahl gingen; als auch wegen der Liebesmahle, welche nach der Genießung ausgerichtet wurden;
7) das Sacrament des Altars, weil es auf dem Altar ausgespendet wird;
8) das Nachtmahl, weil es Christus in der Nacht gestiftet, 1 Cor. 11, 23. 9) Missa, doch nicht im päpstlichen Sinn, denn so ist es der Einsetzung Christi zuwider, Ebr. 9, 12. 25. 28 f. und auch dem Beispiel, welches die Apostel geben, A. G. 2, 41. Es nahm es nicht Einer für Alle.
§. 13. g) Es ist im alten Testament vorgebildet worden a) durch das Osterlamm, 2 Mos. 12, 8. Wir haben auch ein Osterlamm, Christum, für uns geopfert, 1 Cor. 5, 7. b) durch das Manna, 2 Mos. 16, 15. Joh. 6, 35. 54. 55. Christus ist das Brod des Lebens. S. mein Colleg. Bibl. §. 116.
Die Worte der Einsetzung s. Matth. 26, 26. Marc. 14, 22. Luc. 22, 19. 1 Cor. 11, 23.
Es wird dem ursprünglichen Zwecke dieser Concordanz gemäß, und den Wünschen und Bedürfnissen mancher Leser entsprechend sein, in gedrängter Kürze die Gründe der evangelisch-lutherischen Lehre vom h. A. darzustellen, womit dieselbe von älteren Theologen *) und besonders von dem jetzt so wenig mehr bekannten und gelesenen J. A. Ernesti, in s. Opusculis Theolog. S. 135-186, Brevis repetitio et adsertio sententiae Lutheranae de Praesentia corporis et Sanguinis J. C. in Coena Sacra, vertheidigt, ja auch selbst von namhaften reformirten Theologen (Theremin, Adalberts Bekenntnisse S. 166
*) Z. B. Spener von der wirklichen Gegenwart des Leibes und Blutes J. C. im h. in der Lauterkeit des evangelischen Christenthums. I. 598-618. ¶
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-186, 186-197) anerkannt worden ist, darzustellen.
I. Was den Sinn dieser Lehre anlangt, so glaubt die lutherische Kirche, daß im h. A. eine wahre, wesentliche oder reelle, substantielle Mittheilimg des Leibes und Blutes J. C. geschehe, auf eine übernatürliche, unsichtbare und unbegreifliche Weise. Diese Mittheilung geschieht mittelst des mündlichen Empfanges von Brod und Wein, nicht so, als ob die höhere Substanz in diesen äußeren Zeichen eingeschlossen oder mit denselben verschmolzen sei, was durchaus geleugnet wird; sondern in sofern der Genuß von Brod und Wein die von Christo verordnete Bedingung, unter welcher, oder das von ihm gewählte Mittel ist, wodurch der Leib und das Blut Christi uns mitgetheilt werden soll. Es leuchtet ein, daß ein solches äußeres Mittel an sich nicht nöthig wäre, daß Christus seinen Leib oder dasselbe uns mittheilen könnte; daß wir aber ohne ein solches Zeichen nie wissen könnten, ob und wenn Christus uns jenes Gut mittheilen wolle, hingegen durch das äußere Zeichen die Versicherung oder Vergewisserung davon erhalten; daß wir also glauben dürfen, so gewiß wir das Brod und den Wein empfangen, so gewiß empfangen wir auch den Leib und das Blut Christi. [Eine deutliche Erklärung Luther's gegen die Meinung von der Impanatio steht in der Schrift: Daß die Worte Christi: «das ist mein Leib» noch feste stehen, Werke XX. 1011. 12. §. 119.] Es ist oft, namentlich von Leibnitz,
(Œuvres Philosophiques, par Raspe. Amst. et Leipz. 1765. S. 482.) und von Hoffmann, (Materialien zur Erklärung seines Katechismus
der christl. Lehre 2te A. L. 1837. S. 440-463. besond. S. 447 ff.) behauptet worden, daß von dieser
Lutherischen Lehre im Wesentlichen die Calvinische nicht abweiche. Dagegen ist von Gerhard Loc. Theol. ed. Cotta. Tom. X. 184 sq.
und von Ernesti (Theolog. Bibliothek V. 235 f. VI. 706.) erinnert worden, daß die reformirte Kirche ausdrücklich die wahre
Gegenwart des Leibes Christi nur im Himmel anerkenne, und die Möglichkeit einer Gegenwart auf Erden leugne,
wie es Beza am stärksten aussprach, (s. Gerhard 1. c. S. 180.) Die Erhebung der Seele in den Himmel, um da den Leib Christi
zu empfangen, ist entweder etwas ganz Transcendentes und auf kein Schnriftwort Gegründetes, (s. Gerhard 1. c.
S. 187. not.) oder sagt nur aus, daß der Glaube sich Christum vergegenwärtige, in der Andacht sich erhebe, was auch außer
dem h. A. geschehen kann; - besonders aber verräth die Behauptuug, daß der Genuß des Leibes und Blutes Christi nicht mit
dem Munde, sondern nur mit dem Glauben geschehe, und daher, ganz consequent, nur den Gläubigen zu Theil
werde, den Sinn, daß nur ein Genießen der Frucht des Leibes und Blutes Christi, oder der Kraft seines Leidens und Sterbens
gemeint sei; - woraus denn folgt, daß dies auch außer dem Abendmahl
geschehen könne, und daß der
Gläubige in demselben nicht specifisch Verschiedenes von dem empfange, was er bei jeder, die Gemeinschaft mit Christo fördernden
Andacht empfängt; woraus eigentlich die Entbehrlichkeit dieses Sacraments folgen würde *). Höchstens könnte von einem
graduellen, nicht von einem wesentlichen Unterschiede zwischen dem im Abendmahle
Statt findenden und dem zu aller
Zeit möglichen Genusse Christi die Rede sein.
Deutlich erhellt dies aus der Erklärung des Ursinus in den Explicationibus catecheticis ed. Parei 1607. S. 526. Manducare carnem Christi est 1. credere, 2. fide accipere remissionem peccatorum, 3. uniri Christo, 4. participem fierei vitae Christi. Den Einwurf, daß es sich nicht begreifen lasse, wie es möglich sei, daß alle Communicanten den Leib Christi empfingen, und am Wenigsten, wie die Apostel bei der Einsetzung des h. A. ihn empfangen konnten, hätten sich die Gegner ersparen können, weil es nie Jemandem eingefallen ist, jenen Genuß in die sinnliche Welt herabzuziehen, und zu einem grobfleischlichen zu machen, da er, wenn gleich reell und substantiell, doch ganz übersinnlicher Art, uns unbegreiflich ist. S. Luther's Werke IX. 1037. XX. 2200. Ernesti Opusc. S. 176. 147. 178. und im Anti-Muratorius S. 66.
II. Gründe für diese Lehre. Christus sagt nicht: «das bedeutet meinen Leib», sondern «das ist mein Leib». Einen Tropus anzunehmen, ist gerade hier hart und wider den allgemeinen Sprachgebrauch, da von einem Gleichniß hier gar nicht die Rede sein kann, und da, wenn man Jemandem etwas zum wirklichen Genusse, zum Nehmen und Essen hinreicht, und die Worte hinzufügt: «es ist das oder das», man auch das Genannte selbst, und nicht ein bloßes Bild davon meint, der Andere auch das Genannte wirklich zu empfangen erwarten wird. - «Mein Leib! mein Blut!» «Diese Worte waren für Luther zu gewaltig, sie drängten sich stets in ihrem eigentlichen, buchstäblichen Sinne seinem Gemüthe auf - und ich gestehe, daß es mir ebenso ergeht.» Theremin 1. c. S. 167. Ein nicht geringes Gewicht giebt auch dieser Erklärung die Uneinigkeit der Gegner, die in sehr viele und abweichende Meinungen zerfallen sind, s. Gerhard ed. Cotta 1. c. S. 130. col. 2. 133-42., sowie die Ungewißheit, die sie bisweilen verrathen, wovon eine merkwürdige Erzählung über Oekolompadius sich findet in Daniel Greser's Leben. Dresd. 1587. Bog. D. I. II. - Dazu kommt das Zeugniß des Apostels Paulus, 1 Cor. 10, 26. wo er den Genuß des Brodes und Weines die Gemeinschaft des Leibes und Blutes oder das Mittel nennt, wodurch wir dieser Gaben theilhaftig werden, (panis eucharisticus in usu sacramentali est organum, medium et ^[siehe Bild] per quod distribuitur rt communicatur corpus Christi, Gerhard 1. c. S. 172.) was nach Ernesti 1. c. S. 150. 151. nicht auf den geistlichen Genuß Christi gehen kann, weil er diesen Genuß von Allen, auch den Unwürdigen, behauptet, bei welch letzteren kein geistlicher Genuß Statt findet.
Auch kann der Leib Christi hier nicht die Gemeine, als der geistliche Leib Christi sein, weil dazu das hinzugesetzte: «Gemeinschaft des Blutes» nicht paßt;
daher Zwingli hier ins Gedränge kam. (S. Planck Geschichte, II. 271 ff. not. 120.) Wenn ferner Paulus 1 Cor. 11, 27. sagt, daß der unwürdige Communicant an dem Leibe und Blute des HErrn schuldig sei, oder sich an demselben versündige, ihn entweihe, violati et propris profanati corporis Christi reus est, (Ernesti S. 151.) so setzt dies die Gegenwart des Leibes Christi voraus, und es ist hart und gezwungen, dies nur von einer Entweihung des
*) (Spener I. e. S. 614. «Ich begreife nicht, was man nach der reformierten Lehre in dem Sacramente mehr empfinge, als außer demselben in der täglichen geistlichen Genießung, woraus aber folgte, daß das Sacrament in gewisser Maße ohne Nutzen wäre, wenn wir einerlei auch außer demselben genießen.») ¶