Abd
ul
-Asis
Chan
, der 32.
Sultan der
Osmanen (1861-76), geb. 9. Febr. 1830 als der zweite Sohn des
Sultans
Mahmud II.,folgte seinem
Bruder
Abd ul-Medschid
in der Regierung. Entgegen den Erwartungen der alttürk. Partei erklärte er sich für die
Reform und
umgab sich mit liberalen
Räten. Jedoch fehlte es ihm zur Durchführung seiner
Absichten an Festigkeit
[* 3] und Einsicht, wozu noch kam, daß seit 1862 seine nervöse Aufregung ihn bisweilen unzurechnungsfähig machte.
Bis 1871 blieb unter ihm das von seinem Vorgänger geschaffene Großwesirregiment. Abd ul
-Asis Chan
wurde von Fuad 1863 veranlaßt,
nach
Ägypten
[* 4] und 1867 wider alles Herkommen sogar nach dem Occident zu gehen, besuchte im Juni
Paris,
[* 5] verweilte 12. bis 23. Juli
in
London,
[* 6] begrüßte 24. Juli
das preuß. Königspaar in Koblenz
[* 7] und kehrte über
Wien
[* 8] nach
Konstantinopel
[* 9] zurück. Die
Reise, die kolossale
Summen verschlungen hatte, blieb ohne den daraus gehofften Nutzen. Nach
Aali
Paschas
Tode, Sept. 1871, suchte Abd ul
-Asis
das osman.
Erbfolgegesetz zu Gunsten seines
Sohnes Jussuf Izzeddin abzuändern und auf Kosten der Monarchie sich Schätze zu sammeln.
Unterstützt von einer gewissenlosen
Camarilla, auf die der russ.
Botschafter Ignatiew unbedingten Einfluß hatte, wählte
in diesem
Sinne seine Minister.
Alle Staatseinkünfte suchte er sich anzueignen, und während er 1873 dem
Chediv gegen ein Geschenk von 21 Mill.
Frs. fast alle
Rechte eines
Souveräns verlieh, blieben die
Soldaten ohne
Sold und die
Beamten ohne Gehalt. Als infolgedessen die
Zersetzung immer weiter um sich griff und in der
Herzegowina ein bedenklicher
Aufstand
ausbrach, ließ Abd
ul-Asis Chan
auf den
Rat Ignatiews die
Zinsen der türk.
Staatsschuld auf die Hälfte
reduzieren und vernichtete dadurch den Kredit der
Pforte. Am nötigte ihn ein
Aufstand der
Softas (s. d.), seinen
russisch gesinnten Großwesir
Mahmud Nedim zu entlassen und ein patriotisches Ministerium mit
Mehemed Ruschdi und
Hussein Awni einzusetzen. Diese zwangen ihn, dem
Throne zu Gunsten seines Neffen
Mehemed
Murad zu entsagen. Bereits
am 4. Juni starb er als Staatsgefangener im
Palast von Tschiragan. Ein im Juni 1881 gegen mehrere der höchsten Staatsbeamten,
darunter
Midhat Pascha (s. d.), eingeleiteter Prozeß ergab, daß Abd
ul-Asis Chan
ermordet
worden war. -
Vgl. Azam, L'avénement d'A. (Par. 1861);
Millingen (Osman-Seify-Bev), La Turquie sous le règne d'A. (Brüss. 1868);