Titel
Abd
ul
Hamid
, 1) Abd
ul Hamid
I., 27.
Sultan der
Osmanen, geb. Sohn
Achmeds III., folgte seinem
Bruder
Mustafa III., nachdem er 43 Jahre in enger Kerkerhaft geschmachtet hatte. Er war daher gänzlich unwissend und überdies
charakterschwach, dennoch aber dünkelhaft und über seine Macht verblendet. Er fand das hinfällige
Reich in der größten
Verwirrung. Die
Statthalter der entlegenen
Provinzen, wie
Syrien,
Ägypten,
[* 2]
Georgien, waren fast unabhängig,
und mit Rußland war die
Pforte in einen unglücklichen
Krieg verwickelt. Abd
ul Hamid
war nicht fähig, dem
Reich aufzuhelfen.
Der am zu
Kütschük Kainardschi abgeschlossene
Friede verschaffte Rußland bedeutende Gebietserweiterungen am
Schwarzen
Meer. Die
Krim,
[* 3] für unabhängig erklärt, wurde 1783 von Rußland genommen, und die
Pforte mußte es 1784 in
dem
Besitz derselben bestätigen. Auch mehrere
Paschas empörten sich, doch wurde
Scheich
Daher in
Syrien besiegt und getötet
und der Mameluckenbei in
Ägypten zur
Anerkennung der türkischen
Oberhoheit genötigt. Nachdem sich
Österreich
[* 4] und Rußland
eng verbunden hatten, erklärte Abd
ul Hamid
1787, der sein
Heer durch französische
Offiziere hatte reorganisieren
lassen, an letzteres den
Krieg, welcher mit der
Niederlage der türkischen
Flotte auf der
Höhe von
Kinburn und der
Eroberung von
Otschakow durch
Potemkin für die türkischen
Waffen
[* 5] sehr unglücklich begann. So groß wurde die Verlegenheit
der
Pforte, daß Abd ul Hamid
das
Silber seiner
Unterthanen als
Kriegssteuer forderte. Mitten unter den Zurüstungen
zu dem neu zu eröffnenden
Feldzug starb er, schon seit längerer Zeit geistig und körperlich herabgekommen,
Sein
Nachfolger war sein
Neffe
Selim III.
Vgl. Asim Tarichi, A history of Abd ul Hamed and Selim III. (Konstantin. 1867, 2 Bde.).
2) Abd ul Hamid
II., der 34. türk.
Sultan, zweiter Sohn
Abd ul Medschids, geb. ward nachdem sein älterer
Bruder,
Sultan
Murad
V., als wahnsinnig abgesetzt worden, auf den
Thron
[* 6] erhoben. Er stand anfangs ganz unter dem Einfluß der von
Midhat Pascha
geleiteten türkischen Reformpartei, gab 23. Dez. dem osmanischen
Reich eine konstitutionelle
Verfassung und
lehnte die Einmischung der
Konferenz der Großmächte zu
Konstantinopel
[* 7] in die türkischen Verhältnisse ab. Nach
Midhats
plötzlicher
Entlassung
(Februar 1877), dessen Eigenmächtigkeit ihm lästig war, verfiel Abd ul Hamid
aber trotz guten
Willens in den Fehler seiner
Vorgänger, die
Regierung nicht nach festen
Grundsätzen und planmäßig mit Einsicht und
Ausdauer, sondern
nach
Laune oder den
Eingebungen allmächtiger Günstlinge, wie seines
Schwagers
Mahmud Damat
Pascha, zu leiten.
Die Folgen waren während des Kriegs mit Rußland (1877-78) öfterer Wechsel der Feldherren und des Kriegsplans und willkürliches Eingreifen des Palastes in die Kriegsoperationen, nach dem unglücklichen Ende desselben aber fortwährendes Schwanken in der Politik und wiederholter Ministerwechsel, wodurch die Schwäche der Türkei [* 8] nach außen vermehrt und weitere Verluste außer den im Berliner [* 9] Frieden ihr auferlegten Abtretungen verursacht, im Innern die Finanznot und die Zerrüttung aufs höchste gesteigert wurden.
Inzwischen aber war es Abd ul Hamid
gelungen, sich von dem Einfluß der Günstlinge zu befreien
und die
Zügel der
Regierung mit fester
Hand
[* 10] zu ergreifen, nachdem er sich durch eisernen Fleiß die nötigen Kenntnisse in
den Staatsgeschäften angeeignet hatte. Mit
Hilfe deutscher Beamten begann er 1881 die
Reform der
Finanzen und nahm besonders
die Leitung der auswärtigen
Politik in die
Hand, um seinen Einfluß als
Kalif in
Asien
[* 11] und
Afrika
[* 12] zu vergrößern
und auszubreiten. Dabei erlitt er freilich 1882 in
Ägypten eine
Niederlage. Doch gelang es ihm, die
Bedingungen des
Berliner
Friedens allmählich zu erfüllen.