Abcprozeß
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Sillerscher, s. Abwässer.
Abcprozeß
4 Wörter, 39 Zeichen
Abcprozeß,
Sillerscher, s. Abwässer.
die im Haushalt und namentlich in der Industrie abfließenden, mit verschiedenen Stoffen verunreinigten Wässer. Man rechnet in der Hauswirtschaft bei Vorhandensein einer Wasserleitung [* 3] pro Kopf und Tag einen Verbrauch von etwa 50 Lit. Wasser und kann annehmen, daß dasselbe, wenn es aus einer kleinern, nicht industriereichen Stadt, ohne mit Exkrementen verunreinigt zu sein, in einen größern Fluß gelangt, eine Bedenken erregende Verunreinigung des letztern nicht hervorbringt.
Dagegen werden manche kleinere Wasserläufe namentlich durch Industrieabwässer in solcher Weise verunreinigt, daß die öffentliche Wohlfahrt ernstlich gefährdet erscheint. Größere Städte mit Kanalisation können gar nicht daran denken, das Kanalwasser, welches sämtliche Exkremente und die Hauswässer, sowie die der Fabriken aufgenommen hat, selbst in größere Flüsse [* 4] abzuleiten. In England, wo diese Verunreinigung der öffentlichen Wasserläufe einen erschreckend hohen Grad erreicht hatte, ist ein Gesetz erlassen worden, nach welchem jeder Fabrikant bestraft werden kann, welcher Wasser von bestimmter Qualität in einen Fluß leitet.
Enthalten die Abwässer nur mineralische Substanzen, wie z. B. in der Metallwarenindustrie, bei Paraffin-, Mineralöl- und Stearinfabriken, so ist es in der Regel leicht, sie unschädlich zu machen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die arsenhaltigen Abwässer, die durch Vermischen mit Eisen- und Mangansalzen und Fällen mit Kalkmilch unschädlich gemacht werden können. Seifenwässer der Tuchfabriken versetzt man mit Säuren, um aus der Seife fette Säuren abzuscheiden, welche gesammelt und in verschiedener Weise verwendet werden können, oder man mischt die Abwässer mit Kalk, sammelt die abgeschiedene unlösliche Kalkseife und verarbeitet diese auf Leuchtgas [* 5] oder scheidet daraus die fetten Säuren ab. Weitaus am bedenklichsten sind die Abwässer, welche fäulnisfähige Substanzen enthalten. In diesen Wässern entwickeln sich Algen [* 6] und Pilze, [* 7] welche oft ganze Wasserläufe erfüllen und zum Teil reduzierend auf Schwefelsäuresalze wirken, Schwefelwasserstoff entwickeln und dadurch die Fische [* 8] töten und die Luft verunreinigen.
Vor allem aber erscheinen solche Wässer als Herde für die Entwickelung von Krankheitserregern, und man hat sich daher vielfach um ihre Reinigung bemüht. Leider sind die Erfolge bis jetzt gering. Man erreicht durch Zusatz von Chemikalien (besonders schwefelsaurer Thonerde und Kalk) eine vollständige Klärung, auch eine Abscheidung mancher gelöster Stoffe, und wenn die geklärten Flüssigkeit sofort in einen großen Fluß geleitet werden kann, so sind die hauptsächlichsten Gefahren beseitigt. Dabei geht aber das in den Abwässern enthaltene Ammoniak vollständig verloren, und die erhaltenen Niederschläge, welche etwa 62 Proz. organische Substanzen enthalten, sind stark fäulnisfähig, schwer zu behandeln und haben unbedeutenden Wert für Landwirtschaft und Industrie. Auch das geklärte Wasser bleibt noch fäulnisfähig, weil es noch mehr als die Hälfte des in Form organischer Substanzen vorhanden gewesenen Stickstoffs enthält.
Besonders ausgebildet zur Reinigung von Abwässern, welche fäulnisfähige Substanzen enthalten, ist Sillars ABC-Prozeß, so genannt nach den dabei zur Verwendung kommenden Substanzen: Alum (schwefelsaure Thonerde), Blood (Blut) und Clay (Lehm). Man versetzt die Abwässer sofort mit Blut, Holzkohle und Lehm, fügt dann schwefelsaure Thonerde, eventuell Kalk hinzu und läßt absetzen. Der Bodensatz wird gepreßt und getrocknet, das klare Wasser in den Fluß ¶
geleitet. Die Süvernsche Masse besteht aus 100 Teilen Kalk, 8 Teilen Teer, 33 Teilen Chlormagnesium, mit Wasser auf 1000 Teile gebracht. Diese Masse reinigt das 100fache Gewicht Kanalwasser, der Niederschlag setzt sich bald ab, die Fäulnis des geklärten Wassers wird aber nur so lange aufgehalten, als noch Ätzkalk darin enthalten ist. Sobald dieser durch die Kohlensäure der Luft als kohlensaurer Kalk ausgeschieden ist, entwickeln sich wieder Fäulnisorganismen.
Kann das geklärte Wasser sofort in einen größern Fluß abgeleitet werden, so leistet das Verfahren recht gute Dienste. [* 10] Friedrich wendet eine Desinfektionsmasse aus Kalk, Thonerdehydrat, Eisenhydroxyd und Karbolsäure an und erhält eine klare Flüssigkeit, die nicht fault, solange sie alkalisch reagiert. Kalk eignet sich auch für die Reinigung der Haus- und Wirtschaftswässer und verhindert die Entwickelung des durch fette Säuren bedingten übeln Geruchs; immer aber ist Bedingung, daß das geklärte Wasser in einen großen Fluß abgeleitet wird, denn die Wirkung des Kalks hört bald auf, und dann entwickelt sich in dem Wasser auch von neuem Fäulnis. Zu hoher Kalkgehalt der Abwässer wirkt in kleinen Wasserläufen nachteilig auf die Fische.
Viel günstiger als die chemische Reinigung gestaltet sich die Filtration durch Sand, wobei die Flüssigkeit in kurzen Zwischenräumen aufgegeben wird, damit sie innerhalb des Filtriermaterials mit Luft in Berührung kommt. Unter diesen Umständen werden die organischen Stoffe zu Kohlensäure, Wasser und Salpetersäure oxydiert, und die Reinigung ist vollständig, wenn in 24 Stunden nicht mehr als 33 Lit. Flüssigkeit für 1 cbm Filtriermaterial aufgegeben wird.
Zur Ausführung des Verfahrens muß man den zum Filtrieren [* 11] bestimmten Boden in 2 m Tiefe gut drainieren, die Oberfläche ebnen und in vier Teile teilen, von denen einer nach dem andern die Abwässer sechs Stunden aufnimmt. Da bei diesem Verfahren aber der ganze Dungwert verloren geht, der Boden vielleicht auch, weil er keine Vegetation zu tragen im stande ist, üble Gerüche entwickelt, so ist dasselbe höchstens für einzelne Fabriken zu empfehlen; im übrigen aber leistet die landwirtschaftliche Verwertung des Kanalwassers, die Berieselung von Kulturflächen, entschieden viel mehr.
Die größten Schwierigkeiten und Mißstände bereiten die der Zuckerfabriken. Eine Fabrik, welche täglich 4000 Ztr. Rüben verarbeitet, liefert in ihren Abwässern so viel organische Substanz, wie in den Abwässern einer Stadt von 50,000 Einw. enthalten ist. Diese Abwässer garen ungemein leicht, verbreiten die widerlichsten Gerüche und verschlämmen kleinere Bäche vollständig. Von den zahlreichen zur Reinigung dieser Abwässer angewandten Methoden verdient die von Bodenbender besondere Beachtung. Er sucht die Bildung von Buttersäure und Milchsäure im Betrieb der Fabrik möglichst zu vermeiden, scheidet durch Absetzenlassen und Filtrieren alle festen organischen Stoffe ab, setzt so viel Kalk zu, daß die Flüssigkeit noch sehr wenig Ätzkalk gelöst enthält, und pumpt sie nun auf ein Gradierwerk, auf welchem der in den Abwässern enthaltene Zucker [* 12] schnell oxydiert wird, während buttersaurer und milchsaurer Kalk der Oxydation viel energischer widerstehen.
Das gereinigte Wasser kann einem Bach übergeben werden, wenn derselbe auch nicht mehr als das Fünffache des Abwassers mit sich führt. Unter geeigneten Verhältnissen erweist sich auch Berieselung sehr wirksam, doch erfordert dieselbe sehr ausgedehnte Flächen. Müller sammelt die an Kohlehydraten reichen in Bassins, bringt sie auf 25-40° und steigert ihren Stickstoffgehalt durch Zusatz von Fleisch, Blut, Kleber, Exkrementen etc. auf 1 Proz. der organischen Substanz des Wassers.
Unter diesen Verhältnissen entwickeln sich die fermentartig wirkenden Organismen sehr lebhaft, und die Zersetzung der gärungs- und fäulnisfähigen Substanzen erfolgt in sehr kurzer Zeit. Dabei sich entwickelnde lästige Dämpfe und Gase [* 13] entweichen durch Drainröhren ins Feld. Das hinreichend zersetzte Wasser wird unter Zutritt von Luft durch Koksstaub, Kohle, Sand oder gewachsenen Boden filtriert und liefert ein sehr reines Drainwasser, während der auf den Filtern und in den Bassins abgelagerte Schlamm, frisch oder kompostiert, einen wertvollen Dünger darstellt.
Vgl. Fischer, Die Verwertung der städtischen und Industrieabfallstoffe (Braunschw. 1875);
Derselbe, Die menschlichen Abfallstoffe (das. 1881);
Possart, Die Verwertung des Abfallwasser aus den Tuchfabriken, Spinnereien etc. (Berl. 1879).