Aali
Pascha, Mehemed Emin, hervorragender türk. Staatsmann, geb. 1815 als Sohn eines Beamten zu Konstantinopel, [* 2] ward auf Empfehlung Reschid Paschas bereits mit 15 Jahren im Übersetzungsbüreau des auswärtigen Amtes angestellt, wo er sich in kurzer Zeit eine umfassende Bildung aneignete. Im J. 1835 wurde er zweiter Gesandtschaftssekretär in Wien, [* 3] 1838 Gesandtschaftsrat und nach einem kurzen Aufenthalt als Unterstaatssekretär in Konstantinopel 1840-44 Gesandter in London. [* 4] In dieser Zeit gewann er, die europäischen Verhältnisse mit freiem Blick beurteilend, die Überzeugung von der Notwendigkeit durchgreifender innerer Reformen im türkischen Reich.
Unter
Reschid Pascha als
Großwesir war Aali Pascha
Minister der auswärtigen Angelegenheiten in der vielbewegten
Zeit von 1846 bis 1852. Dann eine kurze Zeit selbst
Großwesir, fiel er schon im
Oktober 1852 in
Ungnade und ward
Statthalter
zu
Smyrna, dann in
Brussa. Während des orientalischen
Kriegs im
Oktober 1854 zurückberufen, erhielt er auch diesmal neben
Reschid Pascha
als
Großwesir die Leitung der auswärtigen
Politik und nahm an den im März 1855 zu
Wien beginnenden
Verhandlungen
über die vier Garantiepunkte
Anteil.
Seit Juli 1855 selbst
Großwesir, präsidierte der
Kommission, aus deren
Verhandlungen der Hattihumajum vom hervorging,
ein gewaltiger Fortschritt in dem innern
Leben der Türkei,
[* 5] insofern er die Gleichberechtigung aller
Nationalitäten
und Bekenntnisse im türkischen
Reich verkündigte. Auch bei den
Verhandlungen des
Pariser
Friedens vertrat Aali Pascha
mit großer Entschiedenheit
und Gewandtheit die türkischen
Interessen, vermochte indes nicht mit allen seinen
Wünschen durchzudrängen.
Namentlich die Festsetzungen über die
Donaufürstentümer bereiteten der
Pforte Schwierigkeiten und veranlaßten schon Aali
Paschas Rücktritt vom Großwesiramt.
Indes blieb er Mitglied des
Großen
Rats und
Minister ohne
Portefeuille;
auch ward er (im
Januar 1858) nach dem
Tod
Reschid
Paschas wieder
Großwesir. Allein da seinem Reformeifer das Drängen der Vertragsmächte
lästig wurde und ihre
Forderungen unzweckmäßig erschienen, trat Aali Pascha
nach kurzer Zeit wieder ab. Für
kurze Zeit hatte er das Großwesiramt noch einmal interimistisch, vom Juni bis
November 1861 auch definitiv inne, worauf er
wieder das
Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten übernahm.
Mit dem
Großwesir
Fuad Pascha fuhr er entschlossen in den
Reformen fort: sein schon im
September 1865 gemachter
Vorschlag, durch
Einziehung des
Wakuf, d. h. der Moscheegüter, der Finanznot des
Staats abzuhelfen, wurde endlich 1868 wenigstens
teilweise ausgeführt, nachdem Aali Pascha
im
Februar 1867 wieder
Großwesir,
Fuad Pascha
Minister des
Auswärtigen geworden war. Während
des
Sultans
Reise zur
Pariser
Ausstellung im
Sommer 1867 führte Aali Pascha
die
Regentschaft, unterdrückte im
Winter 1867-68 den
Aufstand
in
Kreta und war auch weiterhin die eigentliche
Seele der nun von dem
Sultan selbst betriebenen
Reformen,
welche die Türkei von
Grund aus umgestalten sollten, trat dabei aber den erneuten Unabhängigkeitsgelüste
Ägyptens 1869 mit
ebensoviel
Energie wie Erfolg entgegen. Mitten in seinen
Entwürfen, deren
¶
mehr
Ausführung durch innere und auswärtige Verwickelungen vielfach gehindert und gefährdet wurde, starb Aali Pascha
auf
dem Landsitz Erenkeni in Kleinasien.