Aale
(Muraenoidei), Familie der Knochenfische aus der Unterabteilung der kahlbäuchigen Edelfische (Physostomi apodes), daher ohne Bauchflossen und mit einer Schwimmblase mit Ausführungsgang. Sie haben einen schlangenförmigen Körper, sind meist sehr ansehnlich und leben als Raubfische im Meer und in den Flüssen. Ihre Haut [* 2] ist nackt oder enthält sehr kleine Schuppen. Die Fortpflanzungsverhältnisse sind noch nicht bei allen Aalen genau bekannt. Wichtig sind der Flußaal, die Muräne (s. d.) und der Meeraal.
Gewisse sehr durchsichtige und zarte
Fische,
[* 3] die
Glas- oder Wurmfische (Helmichthyoidea), werden von einigen
Forschern für die Jugendformen von
Meeraalen erklärt, so z. B.
Leptocephalus Morrisii für den jungen
Conger vulgaris. Zu
der
Gattung
Aal
(Anguilla
Thunb.) mit schlangenartig gestrecktem
Körper, sehr engen Kiemenspalten, Samtzähnen und unmittelbar
in die Schwanzflosse übergehender
Rücken- und Afterflosse gehört der gemeine Flußaal (Aale
vulgaris.
Flem. s. Tafel
»Fische I«),
[* 4]
bis 6 kg schwer und 1,25 m lang, mit bis zum After cylindrischem, von da bis zur Schwanzspitze seitlich zusammengedrücktem Körper, vorstehendem Unterkiefer, kleinen Augen, kurzen, länglich eiförmigen Brustflossen und länglichen, äußerst zarten Schuppen, welche sich nicht decken und in der schleimigen Haut in zweierlei Richtungen derartig angeordnet liegen, daß viele Zickzacklinien entstehen. Die Färbung ist dunkelgrün, blauschwarz oder graugelb, am Bauch [* 5] stets heller. Er lebt in tiefem Wasser mit schlammigem Grund, besonders in Brackwasser und Lagunen, ist über ganz Europa [* 6] verbreitet, fehlt aber in allen Flüssen welche mittelbar oder unmittelbar ins Kaspische oder Schwarze Meer münden. Er ist sehr wanderlustig doch beruht der schon seit Albertus Magnus verbreitete Glaube, daß er nachts aufs Land gehe, um Schnecken [* 7] und Gewürm, wohl gar Erbsen zu fressen, auf Mißverständnis oder Verwechselung. Er ist durch sein enges Maul auf Würmer, [* 8] kleine Kruster und Fische beschränkt, überfällt aber auch Frösche [* 9] und soll selbst Aas nicht verschmähen. Im Winter hält er, im Schlamm verborgen, Winterschlaf.
Hat der
Aal ein gewisses
Alter erreicht, so wandert er vom
Oktober bis
Dezember, hauptsächlich in stürmischen, finstere
Nächten,
ins
Meer. Diese ausziehenden und noch nicht geschlechtsreifen Aale
kehren nicht zurück, aber
junge
Brut von 5 bis 9
cm
Länge steigt bereits im April und Mai, große Hindernisse überwindend, über
Schleusen, kleinere
Wehre und an
Felsen emporkletternd, in großen
Scharen in die
Flüsse,
[* 10] um hier jahrelang bis zu einer gewissen
Stufe der
Entwickelung
zu verharren. Diese einwandernden Aale
sind zum bei weitem größten Teil Weibchen, während die
kleiner bleibenden Männchen das
Meer nie verlassen.
Letztere unterscheiden sich von den stumpf stahlgrauen
¶
mehr
Weibchen durch einen auffallend bronzeartigen Metallglanz. Andre Forscher nehmen an, daß die geschlechtlich ausgebildeten
Aale
überhaupt nicht in die Flüsse steigen, sondern beständig im Meer bleiben, und daß die in das Süßwasser übergesiedelten
Aale
nur verkümmerte Weibchen sind. Derartige sterile Formen findet man übrigens auch in andern Fischfamilien. Um das
Verarmen der Flüsse an Aalen durch die Anlage neuer Mühlen
[* 12] zu verhüten, baut man Aalbrutleitern, d. h. aus rohen Brettern
zusammengenagelte Rinnen, welche mit einer Neigung von 1:5 bis 1:8 aus dem Oberwasser in das Unterwasser der Mühle reichen.
Die Rinnen sind mit niedrigen Querleisten benagelt, um das Abrutschen von Kies und kleinen Steinen, mit
welchen man den Boden bedeckt, zu verhindern, und so gelagert, daß nur wenig Wasser durch sie herabfließt. Diese Vorrichtungen
werden von der aufsteigenden Aalbrut bereitwillig benutzt, welche an großen Wehren ein unübersteigliches Hindernis finden
würde. Auf die Lebensweise der Aale
gründen sich der Aalfang und die Aalzucht, wie sie an manchen
Orten im größten Maßstab
[* 13] betrieben werden. Am vollkommensten entwickelt sind die Anlagen in den Lagunen von Comacchio zwischen
den Mündungen des Po di Volano und des Po di Primaro und am Orbitellosee.
Ein sehr ausgebildetes System von Schleusen und Kanälen wird dort im Frühjahr der einziehenden jungen
Aalbrut geöffnet und begünstigt vom August bis Dezember den Fang der erwachsenen, 5-6 Jahre alten Aale
, welche sich zur Auswanderung
anschicken. Die jährliche Ernte
[* 14] in Comacchio kann auf 1 Mill. kg veranschlagt werden. Man fängt den Aal mit Netzen und Reusen,
seltener mit der Angel und tötet ihn am besten durch Abtrennen des Kopfes. Die sehr lange anhaltende Reflexthätigkeit
des Rückenmarks, infolge deren sich die Stücke des toten Aals lebhaft winden, wird sofort beendigt, wenn man eine Stricknadel
in das Rückgrat stößt.
Sehr viele Aale
fängt man in Schleswig-Holstein
[* 15] und in den Ostseeprovinzen, die meisten aber in Holland, von
wo England und besonders London
[* 16] versehen werden. Zwei Gesellschaften, von denen jede fünf Schiffe
[* 17] besitzt, führen mit jeder
Reise 8-10,000 kg lebende Aale
ein. Die vorzüglichen Präparate der Küche von Comacchio kommen zum Teil auch nach Deutschland.
[* 18] Das fettreiche Aalfleisch ist überall frisch, geräuchert und eingemacht eine beliebte Speise, namentlich
waren die angelsächsischen Stämme von jeher Liebhaber desselben; Verwilligungen und Freibriefe wurden oft durch Zahlungen in
Aalen geregelt. Die Klöster begünstigten die Anlage von Aalteichen, und diesseit wie jenseit des Kanals zeugen zahlreiche
Namen von der frühern Ergiebigkeit des Aalfangs (Ellesmore, Elfinger Hof
[* 19] etc.).
Vgl. Coste, Voyage d'exploration sur le littoral de la France et de l'Italie (2. Aufl., Par. 1861).