A
priōri (lat.), ein in der Erkenntnistheorie namentlich seit Kant gebräuchlicher Kunstausdruck, der seinen Ursprung hat in der von Aristoteles aufgestellten Unterscheidung solcher Erkenntnis, die aus dem sachlich und logisch Frühern oder Vorausgehenden (a priori), d. h. aus allgemeinern Grundsätzen oder Principien gewonnen wird, von solcher, die aus dem Spätern, d. h. Abhängigen (a posteriori), nämlich aus weniger allgemeinen Erkenntnissen und zuletzt aus den einzelnen empirischen Thatsachen abgeleitet ist.
Danach deckt sich Erkenntnis a posteriori mit induktiver oder Erfahrungserkenntnis, Erkenntnis a priori mit deduktiver oder Vernunfterkenntnis. Ungefähr so ist der Gebrauch beider Ausdrücke noch bei Leibniz. Nachdem aber die erkenntnis-theoretische Frage sich hauptsächlich auf die Grundsätze, die «allgemeinen und notwendigen» Wahrheiten, konzentriert hatte, ging die Bezeichnung Erkenntnis a priori vorzugsweise auf diese über. Die Grundsätze galten ehedem als von selbst verständlich und unmittelbar evident (gemeinhin als angeboren, s. d.); Kant zog gerade sie in Prüfung und verlangte für jeden Begriff und Satz, der a priori gelten will, eine besondere Deduktion (Nachweisung seiner Gültigkeit), die darin besteht, daß er als eine notwendige Bedingung oder ein Grundgesetz der Erfahrung selbst erwiesen wird.
Nach dieser Auffassung sind die apriorischen Bestandteile der Erkenntnis weder in einem abgesonderten Gebiet jenseit der Erfahrung zu suchen, noch sind sie jemals zulänglich zu einer Erkenntnis von Objekten, die außerhalb des Bereichs unserer Erfahrung liegen; insofern bedeutet das nicht mehr einen Gegensatz zur Erfahrung, sondern beide Begriffe entsprechen sich genau. Nur indem Erfahrung nicht allein für das Ganze der empirischen Erkenntnis, sondern daneben auch für den einen Faktor derselben (denjenigen nämlich, der nicht auf dem Erkenntnisgesetz, sondern auf dem gegebenen sinnlichen Stoff beruht) gebraucht wird, steht das Apriorische dem Empirischen gegenüber und lehnt Kant eine empirische Begründung der von ihm behaupteten Erkenntnisse a priori (z. B. des Kausalgesetzes) ab. Noch besonders verwahrt er sich gegen die Gleichsetzung des Apriorischen mit dem Angeborenen. Alle Erkenntnis ist nach ihm erworben, aber ihr Erwerb beruht selbst auf solchen Principien, die in der Erkenntnis ursprünglich und für sie grundlegend sind. Sie werden uns erst bewußt im Laufe der Erfahrung selbst, die auf ihnen beruht; ja sie sind vielleicht dasjenige, worin wir am spätesten eine volle, abgeschlossene Einsicht gewinnen.