Titel
Zuckersteuer.
Der
Zucker,
[* 2] vornehmlich
Genußmittel, ist ein ergiebiger und damit auch geeigneter
Gegenstand der
Besteuerung. Die
Erhebung der auf ihn gelegten
Abgabe ist einfach, wenn sie, wie beim ausschließlichen Verbrauch
von Kolonialzucker, lediglich auf dem Weg der Verzollung eingeführten
Zuckers erfolgen kann. Diese Besteuerungsform bestand
in
England, wo fast gar kein
Zucker fabriziert wurde, bis 1874, in welchem Jahr die englische Zuckersteuer
mit der
Wirkung aufgehoben wurde, daß der Zuckerverbrauch auf den
Kopf von 23 kg in 1873 auf 31 kg in 1880 gestiegen ist.
Schwerer wird die richtige Besteuerung, wenn durch dieselbe auch die heimische Erzeugung getroffen werden muß, indem dann je nach dem Verfahren der Bemessung und Erhebung und nach der Verschiedenheit der technischen Entwickelung der Fabrikation nicht allein Steuer und Zoll leicht ungleich werden, sondern auch die Steuerlast selbst eine für die einzelnen Gegenden und Fabriken sehr verschiedene Höhe annehmen kann. Insbesondere bereitet die Frage der Ausfuhrvergütung große Schwierigkeiten.
Eigentlich soll bei der Ausfuhr nur eine einfache Steuerrestitution gewährt, d. h.
nur die bereits wirklich bezahlte
Steuer zurückerstattet, werden. Diese
Restitution wird jedoch zur
Ausfuhrprämie, wenn der
Steuerpflichtige von seinen Erzeugnissen weniger
Steuern entrichtet, als das
Gesetz voraussetzt, dagegen bei der Ausfuhr den
vollen Betrag der
Steuer als Rückersatz empfängt. Infolgedessen wird die Ausfuhr lohnend, es steigt dann der
Preis im Inland, und so muß denn auch der heimische
Konsument dem Fabrikanten eine Art
Prämie zahlen. In
Österreich
[* 3] wurde
diese
Prämie 1875/76 so hoch, daß
sie den ganzen Betrag der Zuckersteuer
überstieg und der Staatskasse Verlust brachte. In
Deutschland
[* 4] war in
Millionen
Mark im
Durchschnitt der Jahre
Ertrag d. Zuckersteuer |
Ausfuhrvergütung | Diese Prozente von jenem | Nettoertrag von Steuer und Zoll | Zuckerverbrauch pro Kopf Kilogr. | |
---|---|---|---|---|---|
1860/69 | 31.0 | 2.5 | 8 | 32.2 | - |
1870 | 41.4 | 3.7 | 9 | 39.5 | - |
1870/79 | 56.9 | 10.4 | 18 | 51.7 | 6.7 |
1879/80 | 76.9 | 24.4 | 31 | 54.5 | 6.3 |
1881/82 | 100.3 | 45.0 | 45 | 56.9 | 6.5 |
1884/85 | 166.4 | 128.5 | 77 | 39.4 | 9.9 |
1885/86 | 113.1 | 90.1 | 80 | 24.5 | 6.8 |
1886/87 | 141.2 | 114.2 | 81 | 28.3 | 7.0 |
1887/88 | 118.4 | 113.6 | 96 | 6.6 | 8.5 |
Die
absolute und relative Zunahme der Ausfuhrvergütung ist im wesentlichen eine
Folge des Umstandes, daß dieselbe die wirklich
bezahlte
Steuer übersteigt. Die Zuckersteuer
wird erhoben in folgenden vier
Formen:
1) Vom Rohmaterial als Rübensteuer, bei welcher die Steuersumme nach der Menge der in die Fabrik eingebrachten Rüben ausgeworfen wird. Diese Steuer wurde 1841 in Deutschland eingeführt. Damals wurde unterstellt, daß 1 Ztr. Rehzucker aus 20 Ztr. grünen Rüben gewonnen werde. 1 Ztr. Rüben wurde mit 3 Pf. = 2,5 Reichspfennig, 1 Ztr. Zucker demnach mit 50 Pf. belastet. Seit 1869 wurde ein Rendement von 1 Ztr. Zucker aus 12,5 Ztr. Rüben der Besteuerung zu Grunde gelegt. Dieser Satz trifft für süddeutsche Fabriken im allgemeinen zu, während in Norddeutschland die verwandten Rüben an Zucker reicher sind, so daß bereits aus 9,3 Ztr. Rüben 1 Ztr. Zucker gewonnen werden kann. 1 Ztr. Rüben wurde bis 1886 mit einer Steuer von 80 Pf. belegt, wonach 1 Ztr. Zucker mit 8,61-10 Mk. getroffen wurde. 1886 wurde die Steuer auf 0,85 Mk. erhöht, die Ausfuhrvergütung etwas erniedrigt.
Die Erhebung der Rübensteuer ist einfach und sicher und für die Fabrikation nicht weiter lästig, da sie nur eine Überwachung des Einganges zur Fabrik erheischt. Dagegen bewirkt diese Steuer leicht eine Verschiedenheit in der Belastung, da sie die schlechte Rübe ebenso hoch trifft wie die zuckerreiche. Der Zuckergehalt wechselt aber nicht allein von Jahr zu Jahr, sondern auch von Ort zu Ort. Die Steuerlast kann einmal dadurch vermindert werden, daß man an Zucker reichere Rüben verwendet, dann dadurch, daß man den in der Rübe vorhandenen Zucker vollständiger ausbringt.
Der Zuckerreichtum wird bedingt durch Kunst und Erfahrung des Landwirts, vorzüglich aber durch die Beschaffenheit des Bodens. Das Ausbringen aber hängt vom Stande der Technik ab. Verbesserungen der letztern bewirken Steuerersparungen; dabei können selbst solche dem Unternehmer Vorteil bringen, welche vom Standpunkt der Gesamtheit aus unwirtschaftlich sind. Aus den genannten Gründen wird bei der Rübensteuer die Exportbonifikation leicht zur Ausfuhrprämie. Um dieselbe zu beseitigen, wurden 1864 und 1865 Zuckerkonventionen zwischen England, Frankreich, Belgien [* 5] und Holland abgeschlossen. Doch war das Vertragsverhältnis nicht von Dauer. 1888 wurde abermals über eine Zuckerkonvention von Vertretern der meisten europäischen Staaten in London [* 6] Beratung gepflogen.
2) Die Besteuerung des Halbfabrikats als Zuckersaftsteuer (Saftsteuer) wurde in Belgien 1843 eingeführt, indem unterstellt wird, daß aus einer gegebenen Menge Saft eine von der Dichtigkeit desselben abhängige Menge Zucker gewonnen werde. Diese Besteuerungsart teilt die Mängel der Rübensteuer, sie trifft leicht die weniger rentabeln Unternehmungen stärker als die gewinnreichen. Außerdem ist die Dichtigkeit nicht immer maßgebend für den Zuckergehalt. Insbesondere führt die Saftsteuer leicht zur Defraudation, das mit ihr verbundene Überwachungssystem zur Störung des Fabrikbetriebs. Belgien sah sich genötigt, um sich für jeden Fall eine gewisse Einnahme zu sichern, 1849 durch Gesetz ein Minimum der Gesamtsteuer zu bestimmen, welches jeweilig erhöht wird, wenn im Laufe von drei Kampagnen der Zuckerverbrauch des Landes eine gewisse Höhe überschritten hat.
3) Die Pauschalierungssteuer, welche die Steuer nach einer angenommenen Leistungsfähigkeit der Saftgewinnungsapparate bemißt, und zwar bei ¶
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dem System der Pressen nach der Höhe der Zentrifugen oder Saftpressen und der Größe der Preßflächen, bei dem Diffusionssystem nach dem Umfang und der Zahl der Füllungen der Diffusionsgefäße, wurde in Österreich 1865 eingeführt, nachdem man ursprünglich es mit der Fabrikatsteuer, dann mit der Rohmaterialsteuer versucht hatte. Diese Steuer macht eine fortlaufende Kontrolle des technischen Betriebs entbehrlich und gewährt damit der Fabrikation freien Spielraum.
Sie begünstigt dagegen, wie Rüben- und Saftsteuer, die Fabriken, welche zuckerreichere Rüben verarbeiten, sie ist schwer zu bemessen, da sich die Leistungsfähigkeit der Apparate nicht genügend genau feststellen läßt, zumal dieselbe durch technische Verbesserungen erhöht werden kann; sie zwingt ferner auch bei geringeren Bedarf zur Produktion, weil die Steuer doch entrichtet werden muß, endlich wird sie infolge technischer Verbesserungen in Verbindung mit der Ausfuhrvergütung leicht finanziell unergiebig. Auch Österreich sah sich 1875 gezwungen, die Steuer in der Art zu kontingentieren, daß ein Minimalbetrag ausgeworfen wurde, der jedenfalls gezahlt werden muß. Wird derselbe vom Unterschied zwischen Steuer und Ausfuhrvergütung nicht erreicht, so werden die Fabrikanten zu Nachzahlungen nach Maßgabe ihrer Produktion gehalten.
4) Die vom fertigen Fabrikat erhobene Fabrikat- oder Produktensteuer besteht in Frankreich und in Rußland. Am besten wird diese Steuer beim Ausgang des Produktes aus der Fabrik oder von Niederlagen bemessen und erhoben. Sie bietet dann den Vorteil, daß die Steuer richtig veranlagt wird, daß durch Technik und Qualität der Rüben bedingte einseitige Begünstigungen vermieden werden. Der Betrieb wird ferner nicht gestört, endlich kann die Ausfuhrvergütung richtig bemessen und demnach ohne Nachteile gewährt werden.
Soll die Steuer gleichmäßig belasten, so muß sie die Unterschiede in den Qualitäten berücksichtigen. Dies geschieht in Deutschland bei der Verzollung durch Anwendung von Mustern zum Vergleich (Standardmustern), wobei die Farbe entscheidet, bei Bemessung der Ausfuhrvergütung durch Anwendung des Polarisationsapparats. Die besondere Art des französischen und russischen Besteuerungsverfahrens ist mit erheblichen Schattenseiten verknüpft. In Frankreich wurde die Steuer 1837 mit der Bestimmung eingeführt, daß sie allmählich bis zur Höhe des Zolles gesteigert werde, welcher von aus französischen Kolonien eingeführtem Zucker erhoben wurde.
Dabei wurden hohe Ausfuhrprämien gewährt, infolge deren die französische Zuckerindustrie sich rasch entwickelte. Für die Besteuerung wird zunächst eine nach Menge und Dichte des Safts bestimmte Minimalausbeute festgesetzt. Zur Ermittelung der wirklichen Produktion wird die Fabrik dem sogen. exercise, einer scharfen, für den Betrieb sehr lästigen Kontrolle, bis zur Fertigstellung des Produktes unterworfen. Eine Folge dieser Besteuerung ist die Trennung der Rohzuckerfabriken von den Raffinerien.
Kein Zucker darf ohne Begleitschein die Fabrik verlassen. In Rußland wurde 1881 die bis dahin bestandene
Pauschalierungssteuer durch die Fabrikatsteuer ersetzt. Der Zucker wird in besondern Räumlichkeiten gewogen. Die Emballage
des die Fabrik stets mit Begleitschein verlassenden Zuckers wird mit Nummern und dem Fabrikzeichen versehen. Bei der Besteuerung
wird kein Unterschied in der Qualität gemacht. Außer der Zuckersteuer
wird noch eine Patentgebühr von 5 Rubel
für 1000 Pud Zucker entrichtet.
Holland hat seit 1863 sowohl die Saftbesteuerung als auch die Fabrikatbesteuerung. Der Fabrikant, welchem jene als zu hoch erscheint, kann sich für Letztere entscheiden und hat sich demgemäß der Betriebskontrolle zu unterwerfen. Durch Gesetz vom wurde auch in Deutschland eine Fabrikatsteuer unter dem Namen Verbrauchsabgabe eingeführt. Die Rübensteuer bleibt auch fernerhin bestehen (seit 1888 nur noch 80 Pf. von 100 kg Rüben). Die Verbrauchsabgabe (12 Mk. von 100 kg inländischem Rübenzucker) wird, sobald der Zucker aus der Steuerkontrolle in den freien Verkehr tritt, von demjenigen erhoben, welcher den Zucker zur freien Verfügung erhält.
Die Ausfuhrvergütung beträgt für Rohzucker und raffinierten Zucker (90-98 Proz. Zuckergehalt) 8,50 Mk., für Kandis und weißen, harten Brotzucker 10,65 Mk., für alle übrigen harten Zucker 10 Mk. Auch kann ein Rückersatz stattfinden für Zucker, welcher zur Viehfütterung oder zur Herstellung andrer Fabrikate als Verzehrungsgegenstände verwendet wird. Zur Sicherung des Steuereinganges sind die Zuckerfabriken und Fabriklager unter entsprechende Steuerkontrolle gestellt worden. In Österreich wurde unter Aufhebung der 1878 und 1880 gesetzlich neugeregelten Pauschalierungssteuer durch Gesetz vom eine Fabrikatsteuer unter der Bezeichnung als Verbrauchsabgabe eingeführt.
Nach demselben ist von Rübenzucker und allem Zucker von gleicher Art (Rohrzucker) in jedem Zustand der Reinheit mit alleiniger Ausnahme von zum menschlichen Genuß nicht geeignetem Sirup für 100 kg netto 11 Gulden, für Zucker andrer Art in festem Zustand 3 Guld., in flüssigem Zustand 1 Guld. zu zahlen. Die Ausfuhrvergütung ist je nach dem Grade der Polarisation [* 8] verschieden bemessen. Sollte dieselbe für sämtlichen während einer Erzeugungsperiode ausgeführten Zucker den Betrag von 5 Mill. Guld. übersteigen, so ist die diese 5 Mill. überschreitende Summe von sämtlichen Unternehmern der Zuckererzeugungsstätten an die Staatskasse zu ersetzen. Die Verbrauchsabgabe haftet auf den Zuckererzeugnissen, solange diese sich in der Erzeugungsstätte oder in einem Freilager oder unter amtlichem Verschluß, oder auf dem Transport aus einer Ergänzungsstätte in ein Freilager oder umgekehrt oder auf dem Transport zur Ausfuhr befinden.
Vgl. Le [* 9] Pelletier de Saint-Remy, Questionnaire de la question des sucres (Par. 1877);
v. Kaufmann, Die Zuckerindustrie in ihrer wirtschaftlichen und steuerfiskalischen Bedeutung (Berl. 1878);
»Report from the select committee on sugar-industries« (Lond. 1879);
Wolf, Über die Reform der Zuckersteuer
in Österreich (Wien
[* 10] 1880);
Derselbe, Die Zuckersteuer
(in der »Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft« 1882);
Troje, Die Rübenzuckersteuer
(Harb. 1886);
Reinhold, Das Zuckersteuer
gesetz vom (Leipz.
1888);
»Das (österreichische) Zuckersteuer
gesetz vom 20. Juni 1888« (2. Aufl.,
Prag
[* 11] 1888).