Wurmkrankheit
(Wurmsucht,
Helminthiasis, Verminatio), das Vorhandensein von
Eingeweidewürmern (s. d.) im Innern des
lebenden
Körpers, insbesondere im
Darmkanal. Die wichtigste, weil gefährlichste Wurmkrankheit
ist die
Trichinenkrankheit, deren
Wesen
zu gleicher Zeit von Zencker und
Virchow ergründet worden ist, nachdem schon die mosaische
Gesetzgebung darauf hindeutet,
daß im hohen
Altertum gefährliche
Folgen nach dem
Genuß von Schweinefleisch beobachtet worden sind.
Daß unter den wilden
Schweinen in
Mesopotamien thatsächlich die
Trichinenkrankheit vorkommt, hat eine 1881 von
Virchow gemachte
Untersuchung derartigen
Fleisches unzweifelhaft erwiesen. Bei dieser Wurmkrankheit
gelangen die in den
Muskeln
[* 2] eingekapselten
Tiere in
den
Darm,
[* 3] dort vermehren sie sich und erregen durch ihr massenhaftes Durchwandern der Darmwand eine
Entzündung
derselben; dann bohren sie sich in die umliegenden
Muskeln, namentlich das
Zwerchfell, ein und setzen nun ihren Weg bis in
entfernte Muskelpartien fort.
Während dieser Wanderung besteht neben großer Schmerzhaftigkeit der befallenen Glieder [* 4] mehr oder minder heftiges Fieber, das sich bei äußerst zahlreicher Einfuhr der Trichinen zu bedrohlichen und tödlichen Graden steigern kann. Ist das Fieber überstanden, so kapseln sich die Würmer [* 5] in den Muskeln ein und können in diesem Zustand ohne Schaden für die Gesundheit dauernd liegen bleiben. Man findet sie noch nach Jahren lebend, selbst wenn ihre Kapsel sich mit einer Kalkschale umgeben hat (was bei Menschen gewöhnlich, bei Schweinen dagegen nicht vorkommt), eine Entwickelung kann aber erst wieder in dem Darm eines neuen Wirts zu stande kommen.
Den Trichinen gegenüber sind alle andern durch Würmer bedingten allgemeinen Krankheitsprozesse verhältnismäßig unbedeutend. Nur die Blasenwürmer, Finnen und Echinokokken, welche gleichfalls in den Geweben des Körpers wandern, können durch die Größe ihrer Blasen, durch den Sitz derselben in lebenswichtigen Organen, z. B. Gehirn [* 6] oder Auge, [* 7] und durch Entzündungen in ihrer Umgebung zuweilen ernstliche oder gar tödliche Folgen haben. Die Distomen oder Pentastomen, welche man in Leber und Milz findet (s. Tafel »Würmer«),
sind ganz ungefährlich, nur bei Schafen, Rindern und Schweinen rufen die Leberegel Erweiterung der Gallengänge, Gelbsucht und zuweilen schwere Leberentzündungen hervor. Die eigentlichen Darmbewohner, der Klasse der Rund- und Plattwürmer angehörig, haben ziemlich abgegrenzte Domänen inne. Den Zwölffingerdarm bewohnt das Anchylostomum duodenale, den Dünndarm der Bandwurm [* 8] (Tainia solium, Botryocephalus latus u. T. mediocanellata) und die Familie der Spulwürmer (Ascaris lumbricoides); im Blinddarm haust der Trichocephalus dispar, und selbst der Mastdarm ist erwählter Lieblingssitz für einen Madenwurm, Oxyuris vermicularis.
Diese
Gruppe hat man gewöhnlich im
Sinn, wenn man von Wurmkrankheit
spricht, und man kann nur sagen, daß alle diese
Schmarotzer ziemlich
unschuldige Bewohner des menschlichen
Darms sind, daß sie jedenfalls besser sind, als ihr
Leumund unter
ängstlichen
Laien und Wurmdoktoren sie darzustellen sucht. In gewöhnlichen
Fällen erregen sie einen lästigen
Katarrh, der
ihre
Entfernung wünschenswert macht, höchst ausnahmsweise bereiten sie lebensgefährliche Anhäufungen im
Darm.
Die Behandlung der Wurmkrankheit
sollte sich niemals auf eine bloße
Vermutung gründen, sondern erst eintreten,
wenn
Würmer oder
Stücke davon in den Ausleerungen nachgewiesen worden sind. Unter Umständen genügt ein Abführmittel, z. B.
auch bei den
Trichinen, solange diese im
Darm sich vermehren, also 2-6
Tage nach dem
Fleischgenuß.
Später ist ihnen ebensowenig
beizukommen wie den
Finnen oder Echinokokken. Die wurmtötenden
Mittel nennt man Anthelmintica oder Antiparasitica;
zu ihnen gehören der
Zitwersame und das daraus bereitete
Santonin (gegen
Spulwürmer), die
Farnkrautwurzel, die Granatwurzelrinde,
Kamala und
Kusso (gegen
Bandwürmer). Auch diesen fügt man ein Abführmittel,
Rizinusöl od. dgl., hinzu.