Titel
Welcker
,
1) Friedrich Gottlieb, einer der geistvollsten Altertumsforscher, geb. zu Grünberg [* 2] im Großherzogtum Hessen, [* 3] vorgebildet von seinem Vater, einem Landpfarrer, studierte in Gießen, [* 4] wurde 1803 Lehrer am dortigen Pädagogium, reiste 1806 nach Italien, [* 5] war 1808 zu Rom [* 6] Hauslehrer bei ¶
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Welcker
v. Humboldt, wurde 1809 ordentlicher Professor der Archäologie und griechischen Litteratur zu Gießen, machte 1814 als Freiwilliger
den Freiheitskrieg mit, verwendete den folgenden Winter in Kopenhagen
[* 8] zur Bearbeitung des Zoëgaschen Nachlasses, legte 1816 aus
politischen Gründen sein Amt in Gießen nieder, wurde aber noch in demselben Jahr Professor in Göttingen
[* 9] und 1819 in Bonn,
[* 10] ward hier in die Untersuchung gegen Arndt verwickelt, aber 1826 freigesprochen, auch 1832 wegen des Wiederabdrucks
zweier politischer Abhandlungen auf kurze Zeit seiner amtlichen Funktionen enthoben, machte 1841 eine größere Reise nach
Griechenland
[* 11] und Kleinasien (beschrieben im »Tagebuch einer griechischen Reise«, Berl. 1865, 2 Bde.),
verlebte 1852 noch einmal den Winter in Rom, zog sich seit 1861 wegen eines Augenleidens von der akademischen
Thätigkeit zurück und starb in Bonn. Um die Bonner Universität hat er sich nicht bloß durch seine vielseitigen
Vorlesungen hochverdient gemacht; er hat auch die Bibliothek und das akademische Kunstmuseum (von ihm
selbst beschrieben, Bonn 1827, 2. Aufl. 1841; Nachtrag 1845) begründet.
Seine kunstgeschichtlichen Studien legte er nieder in der Übersetzung von Zoëgas »I bassirilievi antichi di Roma« [* 12] (Gieß. 1811-12, 2 Bde.),
»Zoëgas Abhandlungen« (Götting. 1817),
»Zoëgas Leben« (das. 1819, 2 Bde.),
der »Zeitschrift für Geschichte und Auslegung der alten Kunst« (das. 1817 bis 1818, 3 Hefte),
besonders in »Alte Denkmäler« (das. 1849-64, 5 Bde.). Zur Mythologie lieferte er die bahnbrechende »Griechische Götterlehre« (Götting. 1857-63, 3 Bde.) u. a. Aus dem Gebiet der griechischen Litteratur verdanken wir ihm besonders eine Übersetzung der »Wolken" und »Frösche« [* 13] des Aristophanes (Gieß. 1810-12, 2 Bde.) sowie Ausgaben der »Fragmenta Alcmanis lyrici« (das. 1815),
»Hipponactis et Ananii fragmenta« (Götting. 1817),
»Philostratorum imagines et Callistrati statuae« (Leipz. 1825, mit Jacobs),
»Theognidis reliquiae« (Frankf. 1826),
der »Sylloge epigrammatum graecorum« (Bonn 1828) und der Hesiodischen »Theogonie« (Elberf. 1865). Für die griechische Litteraturgeschichte waren epochemachend: »Die Äschyleische Trilogie« (Darmst. 1824; Nachtrag, Frankf. 1826);
»Der epische Cyklus« (Bonn 1835-49, 2 Bde.; 2. Aufl. 1865-82);
»Die griechischen Tragödien mit Rücksicht auf den epischen Cyklus geordnet« (das. 1839-41, 3 Bde.).
Außerdem besorgte er die Sammlung von Dissens »Kleinen Schriften« (mit Thiersch und O. Müller, Götting. 1839) und Näkes »Opuscula« (Bonn 1842-45, 2 Bde.),
die 3. Auflage von O. Müllers »Handbuch der Archäologie« (Bresl. 1848) und redigierte 1833-38 mit Näke, seit 1842 mit Ritschl das »Rheinische Museum für Philologie«. Seine »Kleinen Schriften zur griechischen Litteraturgeschichte« erschienen gesammelt in Bonn und Elberfeld [* 14] (1844-67, 5 Bde.),
außerdem »Kleine Schriften zur Mythologie, Kunst und Litteraturgeschichte« (Elberf. 1868).
Vgl. Kekulé, Das Leben F. G. Welckers
(Leipz. 1880).
2) Karl Theodor, deutscher Liberaler und Rechtsgelehrter, Bruder des vorigen, geb. zu Oberofleiden im Großherzogtum
Hessen, studierte zu Gießen und Heidelberg
[* 15] die Rechte. Seinen schriftstellerischen Ruf gründete er bereits als Student mit dem
Werk »Die letzten Gründe von Recht, Staat und Strafe« (Gieß. 1813). Noch in demselben Jahr habilitierte er
sich zu Gießen, und im folgenden Jahr ward er zum außerordentlichen Professor ernannt. Als der Aufruf des Königs von Preußen
[* 16] zur Bildung von
Freiwilligenkorps erging, wollte auch Welcker
zu den Waffen
[* 17] greifen, erhielt aber keinen Urlaub und
ging nun als Professor der Rechte nach Kiel,
[* 18] wo er mit Dahlmann u. a. die »Kieler Blätter« redigierte.
Von Kiel folgte er einem Ruf nach Heidelberg und 1819 nach Bonn. Zur Zeit der Demagogenriecherei wegen angeblicher Umtriebe zur Rechenschaft gezogen, endlich aber freigesprochen (vgl. seine »Aktenmäßige Verteidigung gegen die Verdächtigung der Teilnahme an demagogischen Umtrieben«, Stuttg. 1823-24),
ging er 1823 als Professor der Rechte nach Freiburg, [* 19] wo sein Werk »Das innere und äußere System der praktischen, natürlichen und römisch-christlich-germanischen Rechts-, Staats- und Gesetzgebungslehre« (Bd. 1 auch unter dem Titel: »Die Universal- und die juristisch-politische Encyklopädie und Methodologie«, das. 1829), entstand. 1830 reichte er beim Deutschen Bund die Forderung nach vollkommener Preßfreiheit ein, und 1831 vom Oberamt Ettenheim in die badische Kammer gewählt, trat er hier als Wortführer der Liberalen auf.
Seine mit K. v. Rotteck begründete Zeitschrift »Der Freisinnige« ward 1832 verboten und die beiden Redakteure ihre Amtes entsetzt.
Beide vereinigten sich hierauf zur Herausgabe des »Staatslexikons«
(Altona
[* 20] 1834-49, 15 Bde. und 4 Supplementbände; 3. Aufl.,
Leipz. 1856-66, 14 Bde.). Im August 1840 wurde Welcker
zwar wieder in seine Professur eingesetzt, schon im folgenden Jahr aber
wegen einiger auf einer Reise durch Norddeutschland gehaltener Reden abermals suspendiert.
Seitdem lebte er in Heidelberg. Nach dem Ausbruch der Revolution von 1848 wurde Welcker
zuerst badischer Vertrauensmann
beim Bundestag und dann von Frankfurt
[* 21] ins Parlament gewählt, wo er seinen Sitz im rechten Zentrum nahm und Mitglied des Verfassungsausschusses
ward. Im Juli 1848 ging er als Bevollmächtigter des Deutschen Bundes nach Ratzeburg, im August als Gesandter
der Zentralgewalt nach Stockholm.
[* 22] Wiewohl Stifter der sogen. großdeutschen Partei, brachte er den Antrag, betreffend
die erbliche Kaiserwürde des Königs von Preußen, in die Nationalversammlung. Im Juni 1849 schied Welcker
aus der Nationalversammlung
und legte auch seine Stelle als Bevollmächtigter der badischen Regierung bei der Zentralgewalt nieder. Er
starb in Heidelberg. Von seinen Schriften sind noch hervorzuheben: »Die rechtliche Begründung unsrer Reform« (Frankf.
1861) und »Der preußische Verfassungskampf« (das.
1863).
3) Hermann, Anatom und Anthropolog, Neffe des vorigen, geb. zu Gießen, studierte seit 1841 daselbst und in Bonn Medizin
und Naturwissenschaft, wurde 1850 Assistenzarzt in Gießen, habilitierte sich 1853 als Privatdozent für
Anatomie, wurde 1855 Professor am anatomischen Institut, 1859 Professor der Anatomie in Halle,
[* 23] 1876 Direktor des dortigen anatomischen
Instituts. Welcker
arbeitete besonders über die Irradiation,
[* 24] die Zählung der Blutkörperchen
[* 25] und die Bestimmung der in den Tieren
enthaltenen Blutmenge; er führte das Mikrotom in die anatomische Technik ein und gab ein Verfahren zur
Schädelmessung an, auch zeigte er, auf welche Weise über das Zusammengehören eines Schädels und eines Kopfprofils ziemlich
sicher entschieden werden kann. Er schrieb unter anderm: »Über Anfertigung mikroskopischer Präparate« (Gieß. 1856),
»Über Wachstum und Bau des menschlichen Schädels« (Leipz. 1862);
»Schillers Schädel und Totenmaske« (Braunschw. 1883) und gab die Sammlung »Dialektgedichte« (2. Aufl., Leipz. 1885) heraus. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Welcker
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Friedr. Gottlieb, Altertumsforscher, geb. zu
Grünberg im Großherzogtum Hessen, studierte zu Gießen, wurde 1803 Lehrer am Pädagogium daselbst, hielt bald auch Vorlesungen
an der Universität und machte 1806 eine Reise nach Italien. In Rom wurde er Hauslehrer bei Welcker
von Humboldt,
zu dem er in ein Freundschaftsverhältnis trat, wovon die von Haym herausgegebenen Briefe Humboldts an Welcker
(Berl. 1859) Zeugnis
geben. Zurückgekehrt nahm Welcker
in Gießen 1808 die Vorlesungen neben seiner Lehrerstelle wieder auf; 1809 wurde
er ord. Professor der griech. Litteratur und Archäologie, 1814 machte er als Freiwilliger die Kriege in
Frankreich mit und verlebte den folgenden Winter in Kopenhagen, um die Herausgabe des Zoegaschen Nachlasses vorzubereiten,
woraus «Zoegas' Leben» (2 Bde., Stuttg.
1819) und «Abhandlungen» (Gött. 1817) hervorgingen. 1816 nahm er, da er wegen seiner freimütigen
Gesinnung mit den Behörden in Konflikt kam, seinen Abschied in Gießen und erhielt gleich darauf einen
Ruf nach Göttingen. 1819 kam er an die neugegründete Universität Bonn, wo er höchst erfolgreich wirkte. Als Oberbibliothekar
begründete er die Bibliothek; auch das vorzügliche akademische Kunstmuseum ist seine Schöpfung. 1841 unternahm Welcker
eine
neue Reise nach Italien, die ihn auch nach Griechenland und Kleinasien führte und deren Tagebuch später
veröffentlicht ist (2 Bde., Berl.
1865). Darauf folgte 1852 noch ein Winteraufenthalt in Rom. 1854 gab er das Oberbibliothekaramt ab, legte 1859 auch seine
Professur nieder und starb zu Bonn.
Seine litterar. Thätigkeit hat die Altertumskunde nachhaltig gefördert. Außer der Fragmentsammlung des Alkman (Gieß. 1815), der Übersetzung und Erklärung der «Wolken» und «Frösche» des Aristophanes (2 Bde., ebd. 1810–12),
nebst der Bearbeitung von Zoegas «Basreliefs von Rom» (2 Bde., ebd.1811–12),
den Ausgaben der Fragmente des Hipponax und des Ananius (Gött. 1817),
des Theognis (Frankf. 1826),
Philostratos (mit Jacobs, Lpz. 1825),
Hesiodos («Theogonie», Elberf. 1865),
der «Sylloge epigrammatum» (Bonn 1828) haben die Schriften «Die Äschyleische Trilogie» (Darmst. 1824) mit «Nachtrag» (Frankf. 1826),
«Die griech. Tragödien mit Rücksicht auf den epischen Cyklus geordnet» (3 Bde., Bonn 1839–41),
«Der epische Cyklus oder die Homerischen Dichter» (2 Bde., ebd. 1835–49; neue Aufl., Tl. 1, 1865; Tl. 2, 1882) noch jetzt einen hohen Wert, und in noch höherm Grade gilt dies von der später erschienenen «Griech. Götterlehre» (3 Bde., Gött. 1857–62), einer Darstellung der religiösen Vorstellungen der Griechen unter dem Gesichtspunkte geschichtlicher Entwicklung, sowie von den eine methodische Erklärung der alten Kunstwerke aus der Sage und Poesie begründenden «Alten Denkmälern» (5 Bde., ebd. 1849–64),
einer Sammlung der bedeutendsten Monumente. Die wichtigsten der in philos. Zeitschriften sowie
in den Schriften des Archäologischen Instituts, in der «Archäol. Zeitung» und in dem von Welcker
seit 1834 mit Näke ^[August Ferdinand
Naeke], seit 1841 mit Ritschl ^[Friedrich Wilhelm] redigierten «Rhein. Museum» erschienenen Aufsätze W.s
sind gesammelt in den «Kleinen Schriften» (5 Bde., Bonn und Elberf. 1844–67).–Vgl. Kekulé, Das Leben Friedrich Gottlieb W.s
(Lpz. 1880).