ursprünglich eine latinische
Göttin der
Vegetation, des
Frühlings und als solche von
Gärtnern und
Winzern verehrt,
später als
Göttin der
Liebe mit der griechischen
Aphrodite
[* 2] (s. d.), deren
Kultus von
Sizilien
[* 3] und zwar besonders wohl vomBergEryx nach
Italien
[* 4] gedrungen war, identifiziert. Sie gelangte zu besonderer Bedeutung als
Göttin des latinischen
Bundes und hatte
als solche Heiligtümer in
Lavinium und
Ardea. Die
Sage, daß
Äneas der Sohn von ihr und
Anchises war, wurde dahin erweitert,
daß er nach der Zerstörung
Trojas nach
Latium auswanderte. InRom
[* 5] hatte sie in alter Zeit besondere Verehrung
als
Murcia,
[* 6] worin man später fälschlich die »Myrtenfreundin« (Myrtea)
sehen wollte, als Cloacina,
Libitina
(Göttin der Lust, aber auch der Vergänglichkeit, des
Todes).
Die älteste historische Nachricht von einer Verehrung der als
Aphrodite ist, daß 217
v. Chr. nach der
Schlacht am Trasimenischen
See auf Geheiß der
Sibyllinischen Bücher der Venus vom
BergEryx (s. d.) in
Sizilien ein
Tempel
[* 7] gelobt und auf dem
Kapitol erbaut
wurde. Neben den mannigfachen dem griechischen Aphroditekultus entsprechenden
Formen der Verehrung, die sie genoß, hat eine
besondere Bedeutung die als Venus genetrix, d. h. als Stammmutter des römischenVolkes durch ihren Sohn
Äneas.
Speziell verehrte sie als Stammmutter das
Geschlecht der
Julier, das seine Abstammung von ihrem Enkel
Julius, dem Sohn des
Äneas,
herleitete; in diesem
Sinn errichtete ihr
Cäsar als Venus genetrix auf dem von ihm angelegten
Forum
[* 8] 46
v. Chr. einen prächtigen
Tempel, bei dem alljährlich elftägigeSpiele gefeiert wurden. Als Stammmutter des ganzen römischen
Volkes
war ihr nebst der
Roma
[* 9] (s. d.) von
Hadrian der 135
n. Chr. vollendete, in den
Ruinen noch vorhandene herrliche Doppeltempel in der
Nähe des
Kolosseums (später templum Urbis genannt) geweiht.
Geheiligt war der Venus der 1. April, wo sie von den römischenMatronen neben der
Fortuna virilis, der
Göttin
des
Glücks der
Frauen bei den Männern, und der
Concordia als Venus verticordia (Wenderin der weiblichen
Herzen zu
Zucht und
Sitte)
verehrt wurde. Von geringerer Bedeutung war der Kult der Venus.Obsequens (der Willfährigen), Salacia
(Göttin der Buhlerinnen)
u. a. Auch in
Kampanien stand, wohl infolge griechischer Einflüsse, der Kult der in hohem Ansehen; dahin
gehört die Venus. Fisica (Stadtgöttin von
Pompeji).
[* 10] Über die künstlerischen
Darstellungen s.
Aphrodite. S. auch
Venusberg.
bei den Alchimisten das
Kupfer,
[* 11] weil dieses den
Namen (lat. cuprum, griech. chalkos kyprios) von der der
Venus heiligen
InselCypern
[* 12] bekommen hatte.
Pythagoras die Identität beider erkannt haben. Da Merkur
[* 15] und Venus sich innerhalb der Erdbahn um die Sonne
[* 16] bewegen, so zeigen
sie uns einen ähnlichen Wechsel derLichtgestalt wie unser Mond;
[* 17] vgl. Planeten
[* 18] (scheinbare Bewegung der Planeten). Indessen sind
diese Phasen dem bloßen Auge
[* 19] nicht sichtbar, und erst Galilei hat 1610 durch das Fernrohr
[* 20] die Sichelgestalt
der Venus beobachtet. Venus hat unter allen Planeten die am wenigsten von einem Kreis
[* 21] abweichende Bahn; die Exzentrizität derselben
beträgt nur 0,0068641 (ungefähr 1/150), der mittlere Halbmesser aber 0,723331 mittlere Erdbahnhalbmesser = 107,535,000 km
oder ungefähr 14½ Mill. geogr. Meilen.
Diese Bahn durchläuft in 224,70079 Tagen oder 224 Tagen 16 Stunden 49 Minuten 9 Sekunden, sie legt also in der
Sekunde durchschnittlich 4,7 geogr. Meilen zurück. Der Erde kommt sie zur Zeit ihrer untern Konjunktion näher als irgend ein
andrer Planet, nämlich bis auf 5½ Mill. Meilen, während sie in der obern Konjunktion 34½ Mill. Meilen
von ihr entfernt ist. Die größte Helligkeit zeigt Venus nicht zu der Zeit, wenn sie uns ihre vollständig beleuchtete
Scheibe zukehrt, weil sie dann am weitesten von uns entfernt ist, auch nicht in ihrer größten Erdnähe (in der untern Konjunktion),
weil sie uns hier ihre dunkle Seite zukehrt, sondern dann, wenn sie vor und nach der untern Konjunktion
etwa 40° von der Sonne absteht.
Die Masse der Venus beträgt 0,787 von der der Erde(1/412150 der Sonnenmasse), die mittlere Dichte 0,806 von der der Erde oder
4,5 von der des Wassers; die Schwerkraft ist daher auf der Oberfläche der Venus 0,8 von der
auf der Erde, und die Fallbeschleunigung beträgt dort 7,8 m. Eine Abplattung ist bei der Venus nicht wahrgenommen worden. Aus
der Beobachtung einiger matter Flecke auf der Scheibe des Planeten, namentlich aber aus der regelmäßigen Wiederkehr einer Abstumpfung
des südlichen Horns der Lichtgestalt hat de Vico in Rom 1839-42 die Rotationsdauer zu 23 Stund. 21 Min. 21,93
Sek. bestimmt, ziemlich genau übereinstimmend mit dem ältern ResultatSchröters: 23 Stund. 21 Min. 19 Sek. Für die Anwesenheit
einer Atmosphäre auf der Venus sprechen mehrere Umstände.
Namentlich machen das nebelartige Aussehen der bereits erwähnten Flecke und die auffallende Abnahme des
Lichts nach der Lichtgrenze hin es wahrscheinlich, daß Venus von einer Atmosphäre umhüllt ist, in welcher eine sehr dichte
und dicke Schicht von Kondensationsprodukten schwebt. Das Spektrum der Venus stimmt fast vollständig mit dem der Sonne überein
und zeigt nicht die breiten Absorptionsbanden, welche den Spektren der obern Planeten eigen sind; nach
Vogel und Lohse rührt dies wahrscheinlich daher, daß das Sonnenlicht nicht tief in die Atmosphäre der Venus eindringt, sondern
größtenteils an der Wolkenschicht derselben reflektiert wird.
Auch die Thatsache, daß in der untern Konjunktion, wenn sie uns ihre dunkle Seite zukehrt, von einem zarten leuchtenden Ring
umgeben erscheint, spricht für die Anwesenheit einer
Atmosphäre. Nach Messungen Lymans beträgt die
Horizontalrefraktion derselben 44½', ein Viertel mehr als die der Erdatmosphäre. Die von Schröter in seinen »Aphroditographischen
Fragmenten« (1796) erwähnten Berge auf der Venus, die bis 5,8 geogr. MeilenHöhe erreichen sollen, hat kein späterer Beobachter
wiedergefunden.
Eigentümlich und bis jetzt noch nicht genügend erklärt ist das zuerst 1712 von Derham bemerkte aschfarbene
Licht,
[* 23] welches die unerleuchtete Seite der Venus bisweilen aussendet. Klein hat 1871 auf die Möglichkeit der Beleuchtung
[* 24] des Planeten
durch einen Mond hingewiesen. Einen solchen wollte allerdings schon 1645 Fontana in Neapel
[* 25] beobachtet haben, und von
Dom. Cassini (1762 und 1786), Short (1740) u. a. existieren ebenfalls vermeintliche Beobachtungen des Venusmondes, für welchen
Lambert 11 Tage 5 Stunden Umlaufszeit berechnet hat.
Neuere Beobachter seit 1764 haben denselben indessen nicht gesehen. (Vgl. Schorr, Der Venusmond, Braunschw.
1875; Stroobant in den »Astronomischen Nachrichten«, Bd. 118, Nr.
2809.) Wie bei dem Merkur, so findet auch bei der Venus, wenn ihre untere Konjunktion in der Nähe eines Knotens
ihrer Bahn stattfindet, ein sogen. Durchgang durch die Sonne statt, wobei der Planet in Gestalt einer kleinen schwarzen Scheibe
von O. nach W. über die Sonne zieht. Zum erstenmal wurde ein solcher Durchgang beobachtet in England von
Horrox und Crabtree die nächsten Durchgänge fallen auf
(Planet). Eine kritische Untersuchung der frühern Arbeiten zur Bestimmung der Rotationsdauer der Venus hat Schiaparelli
zu dem Ergebnis geführt, daß dieser Planet höchst wahrscheinlich in derselben Zeit von 224,7 Tagen sich einmal um seine
Achse dreht, in welcher er seinen Umlauf um die Sonne vollendet, und daß die Drehungsachse nahezu senkrecht
auf der Bahnebene steht, höchstens um 10-15° von der senkrechten Stellung abweicht. Die Beobachtungen einzelner dunkler Flecke
auf der Planetenscheibe durch D. Cassini (1669) und J. ^[Jacques] Cassini (1732), aus denen eine Rotationsdauer von ungefähr 24 Stunden
abgeleitet wurde, waren zu selten, und die Anzahl der Rotationen zwischen zwei Beobachtungen war zu wenig
bekannt, als daß sie einer sichern Bestimmung hatten als Grundlage dienen können; Schiaparelli findet übrigens, daß die
Beobachtungen des ältern Cassini sich leichter durch eine Periode von 224,7 Tagen als durch eine solche von 24 Stunden erklären
lassen.
Aus diesen gleichzeitigen Beobachtungen ergibt sich, daß die Rotation sehr langsam von statten gehen muß, da die Lage
der Flecke gegen die Lichtgrenze während eines ganzen Monats keine wahrnehmbaren Veränderungen erleidet. Gegen eine Periode
von 24 Stunden sprechen am deutlichsten ein paar Beobachtungen von Schiaparelli und Holden vom welche um ungefähr 8 Stunden
auseinander liegen. Dieselben beziehen sich auf zwei helle Flecke am südlichen Horn der Venus, einen dazwischenliegenden
tiefdunkeln Schatten
[* 30] und einen von den Flecken nach Norden
[* 31] verlaufenden dunkeln Streifen.
Die von den beiden Beobachtern entworfenen Zeichnungen dieser Objekte stimmen so genau überein, wie es unmöglich der Fall
sein könnte, wenn der Planet in der Zwischenzeit von 8 Stunden ein Drittel Rotation vollendet hätte. Auch
blieb die Lage des Streifens während der dreistündigen Dauer der Beobachtung ungeändert. Auf die geringe Veränderung, welche
die Flecke von einem Tage zum andern erleiden, hat übrigens schon Bianchini hingewiesen; es scheint aber, daß ihn gewisse
Veränderungen im Aussehen der Flecke, die vom Wechsel der atmosphärischen Zustände auf der Venus herrühren,
auf die Annahme einer Rotationsdauer von 24 Stunden geführt haben. Im allgemeinen erweisen sich übrigens die Flecke auf der
Venus ziemlich unbeständig, und die Bestimmung der Umdrehungszeit erreicht daher nicht die Sicherheit wie beim Merkur; dieselbe
ist vielmehr um einige Wochen unsicher, und es lassen sich Perioden von 6-9 Monaten mit den Beobachtungen
vereinigen.
Die schnellen, in Zwischenzeiten von etwa 24 Stunden sich wiederholenden Veränderungen im Aussehen des Planeten, besonders
seiner Hörner, welche manche Beobachter bemerkt haben, setzt Schiaparelli auf Rechnung der mit der wechselnden Höhe überm
Horizont
[* 32] wachsenden Sichtbarkeitsbedingungen und
der wechselnden Helligkeit des Himmelsgrundes. Schiaparelli macht
ferner aufmerksam auf bisweilen gut begrenzte, helle wie dunkle Flecke, die in den südlichern Teilen der Venus von Zeit zu Zeit
unter gleicher Form sich zu bilden scheinen und wahrscheinlich von Ursachen abhängen, die auf der Oberfläche der Venus ihren
Sitz haben. Endlich weist er noch hin auf die Wichtigkeit des Studiums gewisser sehr kleiner, heller, scharf
begrenzter runder Flecke, umgeben oder einseitig begrenzt von tiefen Schatten, meist paarweise auftretend, die sich namentlich
in der Nähe der Schattengrenze zeigen, aber nur wenige Tage dauern. Die Ergebnisse Schiaparellis werden bestätigt durch neuere
Beobachtungen von Terby in Löwen
[* 33] und Perrotin in Nizza.
[* 34]
(♀), nach der Entfernung von der Sonne der zweite Planet. Unter allen Planeten kann Venus der
Erde am nächsten kommen und erscheint am hellsten; sie glänzt oft als Abend- oder Morgenstern in großer Pracht, zeitweilig
kann sie sogar auch am hellen Tage mit freiem Auge gesehen werden. Die mittlere Entfernung von der Sonne¶
mehr
beträgt 107,2 Mill. km, die größte 107,9, die kleinste 106,5 Mill. km. Ihre Entfernung von der Erde schwankt zwischen 38 und 258 Mill.
km. Die Bahn ist nahezu kreisförmig und ist um 3° 24' gegen die Erdbahn geneigt; ihre Excentricität beträgt nur 0,0068.
Die Dimensionen der Venus sind denen der Erde nahezu gleich, ihr Durchmesser beträgt 12100 km.
Von der Erde aus gesehen schwankt der scheinbare Durchmesser je nach der Entfernung zwischen 9",5 und 65",2. Eine Abplattung
hat nicht nachgewiesen werden können.
Weil Venus ein innerer Planet ist, erscheint sie uns wie der Mond in Phasen, jedoch bedarf man zu deren Wahrnehmung
des Fernrohrs. Die Masse beträgt 0,81 von der der Erde. Spektroskopische Untersuchungen, Wahrnehmung bei Vorübergängen vor der
Sonnenscheibe
[* 36] und Unregelmäßigkeiten der Phase haben die Existenz einer ziemlich dichten Atmosphäre mit Sicherheit dargethan.
Unebenheiten und Flecken auf der Oberfläche sind mehrfach beobachtet worden. Da deren Aussehen durch die Atmosphäre
aber wesentlich beeinträchtigt wird, hat sich die Dauer der Rotation der Venus um ihre Achse mit Sicherheit noch nicht bestimmen
lassen.
Während ältere Beobachtungen eine Rotationszeit von nahezu 24h ergaben, machen sehr sorgfältige neuere Beobachtungen
von Schiaparelli es sehr wahrscheinlich, daß bei Venus die Rotationszeit gleich ihrer Umlaufszeit um die
Sonne ist. Venus würde demnach – analog dem Monde in Bezug auf die Erde – der Sonne beständig die nämliche Seite zuwenden.
Die siderische Umlaufszeit beträgt 224,7008 Tage oder 224 Tage 16 Stunden 49 Minuten 26 Sekunden. Venus hat kein eigenes Licht,
sondern ist ein an sich dunkler Körper, der von dem auf ihn fallenden Sonnenlicht 0,6 zurückwirft. Die
Helligkeit, in der uns Venus erscheint, hängt daher gleichzeitig von ihrer Entfernung von der Erde und von der Sonne ab. In
ihrem größten Glanze zeigt sie eine ziemlich schmale Sichelgestalt. Einen Mond, den ältere Beobachter mehrfach wahrgenommen
haben wollen, besitzt Venus nach neuern Beobachtungen nicht. (S. Venusdurchgang.)
italische Natur- und Gartengöttin, die nachher mit der griech. Aphrodite identifiziert und als Gottheit der
Schönheit und Anmut, der Zeugung und Fortpflanzung verehrt wurde. Einen besondern Aufschwung nahm ihr Kult durch Cäsar, der
in ihr die göttliche Stammmutter seines Hauses verehrte. (S. Genetrix.) Über dieDarstellungen der Venus in der
plastischen Kunst s. Aphrodite. Die im 16. Jahrh. zu Rom gefundene, jetzt in der Tribuna der Uffizien zu Florenz
[* 37] befindliche sog.
Venus von Medici (s. die beigefügte Tafel) ist sehr wahrscheinlich im 1. Jahrh. v. Chr. zu Rom entstanden. Auch neuere Bildhauer,
wie Canova, Thorwaldsen, Gibson (s. Tafel: Englische
[* 38] Kunst III,
[* 35]
Fig. 8), haben Venusstatuen geschaffen.