Van Dyck
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Van
Dyck
(spr. deik), Anthonis van
, niederländ. Maler, geb. zu Antwerpen
[* 3] als der Sohn des Handelsmanns Franz
van
Dyck
und dessen Frau Maria Cuypers. 1610 finden wir ihn im Gildebuch eingeschrieben als Schüler von Hendrik van
Balen.
Er trat jedoch nach wenigen Jahren in die Werkstatt von Rubens ein, bei welchem sich erst sein Stil ausbildete, und war bei
ihm noch eine Zeitlang thätig, nachdem er schon als Freimeister in die Lukasgilde aufgenommen worden war. In einem
Dokument vom welches die von Rubens auszuführende Ausschmückung der Jesuitenkirche in Antwerpen
betrifft, wird van
Dyck
noch unter den Gehilfen von Rubens genannt. Wie eng er sich anfangs an diesen angeschlossen, beweisen
unter anderm der im Wetteifer mit einem ähnlichen Bild von Rubens entstandene Hieronymus in der Dresdener Galerie,
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die Verspottung Christi, die Ausgießung des Heiligen Geistes und die beiden Johannes im Berliner
[* 5] Museum und die Kreuztragung in der
Dominikanerkirche zu Antwerpen. Im Juli 1620 befand sich van
Dyck
noch in Rubens' Haus; er muß aber bald darauf nach England gegangen
sein, wo er für Jakob I. thätig und noch anwesend war. Im Dezember 1622 befand er sich wieder
in seiner Vaterstadt. Im folgenden Jahr ging er nach Italien.
[* 6] Die Geschichte von des Malers Liebe zu einem Bauernmädchen von
Saventhem ist ein Märchen; das Bild mit dem heil. Martin, das zu jener Anekdote die Veranlassung gab, wurde
bei ihm bestellt und erst 1629 vollendet.
Zuerst begab sich van
Dyck
nach Venedig,
[* 7] wo die Werke der dortigen großen Koloristen, besonders Tizians und Veroneses, den größten
Eindruck auf ihn machten und seine Kunstweise bestimmen halfen; es gibt namentlich Porträte
[* 8] von ihm, deren Behandlung wie
ihr goldiges Kolorit an Tizian erinnern. Hierauf begab sich van
Dyck
nach Genua,
[* 9] von da nach Rom,
[* 10] wo er im
Palast des Kardinals Bentivoglio wohnte und dessen Bildnis (Florenz,
[* 11] Palazzo Pitti) malte. Die Anfeindungen des niederländischen
Malerklubs (Schildersbent) sollen ihn zum Weggang nach Genua bewogen haben.
Keine Stadt ist so reich an Porträten von van
Dyck
wie die letztere, wo die vornehmsten Edelleute sich von
ihm darstellen ließen: Werke, deren frische, noch an Rubens erinnernde Auffassung, verbunden mit dem Adel italienischer Vorbilder,
von dem Künstler nicht mehr übertroffen wurde. Auch Palermo,
[* 12] ferner Florenz und andre Städte besuchte er und trat dann vermutlich 1626 die
Rückreise nach Brabant an. 1627 entstand die großartige Kreuzigung im Dom zu Mecheln.
[* 13] 1629 schenkte er den
tief empfundenen Christus am Kreuz
[* 14] (jetzt im Museum von Antwerpen) den Dominikanerinnen; in demselben Jahr entstand das Gemälde
mit der heil. Rosalie und 1630 das mit dem Prämonstratenser St. Hermann, die beide zu den Zierden des Wiener
Belvedere gehören.
Auf Einladung König Karls I. von England begab sich der Künstler im Frühjahr 1632 nach London,
[* 15] wo ihn die größten Ehren und
zahllose Aufträge von seiten des Hofs und der Aristokratie erwarteten; am 5. Juli d. J. wurde er Ritter, und erhielt
er vom König eine jährliche Rente von 200 Pfd. Sterl. Mit dieser Übersiedelung war ein entscheidender
Wendepunkt in van Dycks
Kunstweise eingetreten: er malte jetzt fast ausschließlich Bidnisse ^[richtig: Bildnisse] und kam
kaum noch dazu, sein großes Talent für die Historienmalerei weiter zu verwerten. Er stiftete in London nach dem Vorbild
der Antwerpener St. Lukasgilde einen St. Lukasklub und verheiratete sich mit der armen, aber schönen Maria Ruthven, Tochter
des Arztes Patr.
Ruthven, des fünften Sohns des Grafen von Gowrie. Zu Anfang des Herbstes 1640 ging van
Dyck
mit seiner Gemahlin nach Antwerpen
und von da nach Paris,
[* 16] wo er Aufträge zur Ausmalung der großen Galerie des Louvre zu erhalten hoffte,
sich aber getäuscht sah, da ihm Nic. Poussin vorgezogen wurde. Er wandte sich darauf nach England zurück, wo inzwischen der
Streit Karls I. mit dem Parlament sich immer kritischer gestaltet hatte. Seine zum Teil durch Ausschweifungen erschütterte
Gesundheit erhielt durch die Strapazen einer beschleunigten Reise den letzten Stoß. Er starb in
London. Zwei Tage darauf wurde er im Chor der alten St. Paulskirche beigesetzt.
Van Dyck ist nach Rubens der größte vlämische Maler des 17. Jahrh. Im Anfang seiner Laufbahn zeigt er sich noch direkt von
seinem Lehrer beeinflußt, wie die oben genannten Bilder
beweisen; hier ist die Fleischfarbe noch warm gelblich,
die Muskeln
[* 17] schwülstig, das Gefühl derb. Die italienische Reise führte ihn zu feinerer Formauffassung; das Gefühl wird gemäßigter,
die Form edler, und die Farbe gewinnt eine feierliche und gehaltene Stimmung. Die genuesischen Porträte und historischen
Kompositionen gehören dieser Epoche an. Nach Antwerpen zurückgekehrt, schuf van
Dyck
wieder eine größere Zahl von Historienbildern,
von denen oben einige genannt sind; auch die Fesselung Simsons im Wiener Belvedere, die ihn noch stark abhängig von Rubens zeigt,
gehört wohl in diese Periode.
Mit besonderm Glück malte er Darstellungen, worin sich Schmerz und Trauer aussprechen, daher besonders gern die Beweinung Christi (schönstes Exemplar im Museum zu Antwerpen), ferner heilige Familien und überhaupt ruhigere, gemessenere Gegenstände, als es bei Rubens der Fall ist, dessen kühne Bewegtheit und unerschöpfliche Phantasie ihm fehlten. Eine dunkle Färbung, woran freilich oft der unglücklich angewandte Bolusgrund die Schuld trägt, war die natürliche Folge dieser Anschauung.
Herrliche Historienbilder dieser Art sind: die Beweinung Christi in München, [* 18] Christus am Kreuz in Wien, [* 19] desgleichen in Antwerpen, die Madonna mit der heil. Rosalie in Wien, eine heilige Familie mit dem Engeltanz in St. Petersburg. [* 20] Hervorragende Bildnisse dieser dritten Periode befinden sich namentlich in München, Berlin, [* 21] im Louvre und in St. Petersburg. Von den Porträten seiner letzten Periode ist ganz England voll; so edel und vornehm auch der Ausdruck darin ist, so kann man doch nicht verkennen, daß die Frische des Rubens in denselben, namentlich was die spätesten anbelangt, immer mehr gewichen ist, und daß öfter eine oberflächliche Behandlung und eine gewisse Flauheit vorherrschen, was zum Teil darin begründet ist, daß er die ihm massenhaft zuströmenden Aufträge nur mit Gehilfen bewältigen konnte.
Bei der Leichtigkeit, womit van
Dyck
die Arbeit von statten ging, hat er trotz seines frühen Todes eine Menge
von Werken hinterlassen. Sein Heimatsland besitzt deren noch ziemlich viele; so werden in Antwerpen noch gegen 24 gezählt.
Im Brüsseler Museum befinden sich eine Kreuzigung Christi, ein trunkener Silen und mehrere Porträte. Vorzüglich reich an Werken
van Dycks
ist die Münchener Pinakothek;
hervorzuheben sind darunter eine kleine Pietà, von wunderbarer Stimmung;
Susanna im Bad, [* 22] von tizianischer Glut;
das Porträt der Frau des Bildhauers Colin de Nole und dieser selbst;
der Herzog Wolfgang von Neuburg; [* 23]
das noch ganz Rubenssche Bild des Malers Snayers, voll kühnen Lebens und durchsichtiger goldiger Farbe;
dann eine Anzahl von kleinen Grisaillen, die der Künstler zum Zweck der Vervielfältigung durch den Kupferstich malte. Im Berliner Museum sind noch hervorzuheben: die bußfertigen Sünder vor Christus und das Bildnis des Thomas von Carignan.
Reicher ist die Dresdener Galerie, worin ein heil. Hieronymus und eine Anzahl Porträte (Ryckaert, Parr u. a.)
hervorragen. Von ausgesuchter Schönheit sind auch die Gemälde der Galerie zu Kassel
[* 24] (Meustraten, Snyders
und Frau, Leers, Bildnisse eines Ehepaars u. a.). Eine besonders große Anzahl von Meisterwerken
van Dycks
besitzt Wien, namentlich das Belvedere, Porträte sowohl als Historienbilder, worunter wir außer den schon genannten
den ergreifenden Christus am Kreuz, die heil. Magdalena und die herrlichen Porträte der Prinzen Ruprecht und
Karl Ludwig, Moncadas, des Feldherrn in goldverzierter Rüstung
[* 25] (beide
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ersten Ranges) und das einer schwarz gekleideten Dame hervorheben. Unter den zahlreichen Bildern der Liechtenstein-Galerie ist
das berühmte Bildnis der Maria Luise de Tassis das ausgezeichnetste. Im Louvre ragt vor allem das Reiterbild des Marquis de
Moncada durch großartige Auffassung hervor und dasjenige Karls I. auf der Jagd. Zahlreich sind auch van
Dycks
Werke in Italien, worunter die zu Genua und die Kinder Karls I. in Turin
[* 27] die hervorragendsten sind. Noch weit bedeutender
ist die Anzahl derselben in England, wo allerdings der Maler zu einem Kollektivbegriff für allerlei Nachahmungen geworden ist.
Wir nennen nur: das Bildnis van
der Geests in der Nationalgalerie, die Venetia Digby, Karl I. mit seinem
Oberstallmeister, die Söhne des Herzogs von Buckingham, alle in Windsor Castle, sowie das Bildnis des Malers Snyders in Howard
Castle. Geistreich und von freiester Behandlung sind auch van Dycks
Radierungen, die zumeist Porträte darstellen; sie kommen
übrigens selten vor und erscheinen zum großen Teil von andern Kupferstechern in spätern Abdrücken
überarbeitet.
Zahllos beinahe sind die Stiche, welche nach van Dycks
Werken existieren; namentlich bemühten sich die großen niederländischen
Stecher Bolswert, Vorsterman, P. de Jode, Pontius, Vermeulen, Neefs u. a., dann Bartolozzi, Strange, W. Hollar etc., seine Werke wiederzugeben.
Van Dyck
selbst ließ eine Sammlung seiner Porträte erscheinen, wozu er elf eigenhändig radierte, während
die andern von den besten Stechern Antwerpens ausgeführt wurden; das Werk erschien zuerst von 1632 an bei M. van
den Enden
in 84 Blättern, dann 1645 bei Gillis Hendricx, der die Zahl der Blätter auf 100 brachte, unter dem Titel:
»Icones principum, virorum doctorum etc. numero centum
ab Antonio van
Dyck
pictore ad vivum expressae ejusque sumptibus aeri incisae«. Das Werk erschien später
noch in verschiedenen Auflagen und ist unter dem Namen »Ikonographie van Dycks«
bekannt.
Vgl. Jules Guiffrey, Antoine van Dyck
, sa
vie et son œuvre (Par. 1882);
F. Wibiral, L'Iconographie d'Antoine van Dyck (Leipz. 1877);
Hermann, Maler, geb. 1812 zu Würzburg, [* 28] widmete sich in München der Architekturmalerei, welcher er durch kulturhistorische Staffage besondern Reiz zu verleihen wußte. Seine Verbindung mit den seit 1844 erscheinenden »Fliegenden Blättern« brachte ein bemerkenswertes satirisches Talent in ihm zur Reife. Im J. 1854 übernahm er die Leitung der Zeichenschule für Kunsthandwerker, in welcher Thätigkeit er blieb, als die Anstalt 1868 zur Staatsanstalt erhoben wurde. Er starb Von seinen Bildern sind zu nennen: An der Stadtmauer zu Erding (1857), ein Kassavorzimmer (1858), die Schreibstube (1860), auf dem Speicher (1860), im Maleratelier (1861), Inneres einer Klosterkirche (1863), die Deputation (1864) und Heimkehr des Bürgermeisters (1868). Auch erschienen von ihm »Deutsche [* 29] Sprichwörter und Reime in Bildern« (Düsseld. 1839-40, 2 Hefte mit 8 Radierungen).