einer der drei Urkantone der Schweiz, grenzt im N. an Schwyz
und Luzern
(durch den Vierwaldstätter See
davon getrennt), im W. an Luzern,
im S. an Bern,
im O. an Uri
und umfaßt 765 qkm (13,9 QM.). Der Kanton wird durch den Kernwald in zwei seit
dem 12. Jahrh. getrennte Staatswesen (Halbkantone) geschieden: Nidwalden
(290 qkm
mit 12,520 Einw.) und Obwalden
(475 qkm mit 15,030 Einw.), von denen ersteres
den untern Teil des Engelberger Thals und das Seegestade umfaßt, während das höher gelegene Obwalden
wesentlich durch das Thal der
Sarner Aa und das obere Engelberger Thal gebildet wird.
Die die Thäler einrahmenden Gebirge lassen sich teils als Flügel der Berner Alpen (Titlis 3239 m, Uri-Rotstock 2932 m
etc.) betrachten, welche nach dem See hin voralpinen Charakter annehmen und mit dem Buochser Horn (1809 m) und Stanser Horn (1900
m) abschließen, teils als ein wesentlicher Teil der Luzerner Alpen, welche in den voralpinen Massen des
Brienzer Rothorns (2351 m) und Pilatus (2133 m) ihre Häupter haben. In der fahrbaren Paßlücke des Brünig (1004 m) nähern sich
die beiden Systeme, während aus dem Engelberg nur ungebahnte Bergpfade führen: die Surenen (2305 m) nach Uri
und das Joch (2208
m) nach dem Haslethal.
Das Klima ist am Seegestade mild, im Hochgebirge rauh. Der Kanton zählt (1888) 27,550 Einw. Die Nidwaldner
sind ein »rüstiger, intelligenter Volksschlag«, dessen Verhältnisse in
einfachen, altertümlichen Formen sich fortbewegen, gutmütig und abgeschlossen, gleich den Obwaldnern, welch letztere übrigens
an intellektueller Befähigung zurückzustehen scheinen. Die Bevölkerung ist fast ganz katholisch und gehört zur
Diözese Chur. Es gibt noch sechs Klöster, unter denen das Benediktinerstift Engelberg (s. d.) das angesehenste ist. ist ein
Hirtenland.
Die Rinder (17,853 Stück) gehören größtenteils zur Schwyzer Rasse und sind meist Kühe;
Butter und Käse sind Ausfuhrprodukte.
Stark ist auch der Bestand an Ziegen (8308 Stück), geringer der an Schweinen und Schafen. Die Matten und Gärten
Unterwaldens sind mit zahllosen Obstbäumen besetzt; Obst, Obstwein und Branntwein bilden Ausfuhrartikel, so auch die Nüsse.
An den Waldungen (191 qkm) besäße Unterwalden eine unversiegliche Quelle des Wohlstandes, wenn die Holzproduktion durch eine bessere
Bewirtschaftung gesteigert würde.
Das Melchthal und Alpnach haben schönen Marmor. Schwendi-Kaltbad hat eine geschätzte Eisenquelle von 4,7°
C. Die Seidenspinnerei und Kämmlerei von Buochs ist eine Filiale der Gersauer Industrie; in Hergiswyl arbeitet eine Glashütte,
im Rotzloch eine Papierfabrik. Für den Transit ist Unterwalden nicht günstig gelegen, sein Markt ist Luzern;
es berührt bloß die große
Verkehrsstraße, welche der See als Zugang des St. Gotthard bildet. Hingegen liegt es im Bereich des allsommerlichen
Touristenzugs. Am See liegen die Dampferstationen Beckenried, Stansstad und Alpnach; belebte Kurorte sind: Engelberg, Schöneck,
Bürgistock, Melchseealp etc., und von Alpnach führt durch das Sarner Thal hinauf und über den Brünig eine der belebtesten
Touristenrouten, der seit 1888 die Brünigbahn dient. Im Juni 1889 wurde die Pilatusbahn eröffnet.
In den beiden Hauptorten, Stans und Sarnen, bestehen gymnasiale Anstalten, auch im Stift Engelberg. Die Stiftsbibliothek zählt
20,000 Bände, fast die Hälfte aller in öffentlichen Bibliotheken befindlichen Bücher. Die beiden Staatswesen sind rein demokratischer
Einrichtung. Die jetzt gültige Verfassung Obwaldens wurde vom Volk angenommen. Die Landsgemeinde
hat die gesetzgebende Gewalt; ihr müssen auch alle Staatsanleihen, die Landsteuer sowie alle 10,000 Frank übersteigenden Ausgaben
zur Entscheidung vorgelegt werden, und jedem einzelnen Bürger ist die Gesetzesinitiative eingeräumt.
Die Landsgemeinde wählt auch die oberste Exekutivbehörde, den Regierungsrat, der aus sieben Mitgliedern
besteht, und das Obergericht von neun Mitgliedern, beide auf je vier Jahre. Der Präsident des Regierungsrats führt den Titel
Landammann. Daneben besteht, gleichsam als legislatorisches Organ des Volkes, ein Kantonsrat, der in den Gemeinden gewählt wird.
Eine Bezirkseinteilung besteht nicht; die Zahl der Gemeinden beträgt sieben: Hauptort ist Sarnen. Eine
ähnliche Verfassung, vom hat Nidwalden,
nur daß der Landrat, entsprechend dem Obwaldner Kantonsrat, auf sechs Jahre gewählt
wird und Regierungsrat und Obergericht je aus elf Mitgliedern bestehen und auf je drei Jahre gewählt werden.
Die Zahl der Gemeinden beträgt elf; Hauptort ist Stans. Für den berechnet sich der Vermögensbestand
Obwaldens auf 496,961 Frank Aktiva, 99,150 Frank Passiva, also netto 397,811 Fr. Die Rechnung für das Betriebsjahr 1887/88 ergab
151,663 Fr. Einnahmen, 143,683 Fr. Ausgaben, demnach einen Überschuß der erstern von nahezu 8000 Fr. In Nidwalden
zeigt die Rechnung für
1887: an Einnahmen 177,944 Fr., an Ausgaben 161,660, also einen Saldo von 16,284 Fr., auf Ende 1887 ein reines
Vermögen von 124,934 Fr.
Geschichte. Über Unterwalden (intra montem), welcher Name übrigens erst um 1300 auftaucht, herrschten die Habsburger teils als Grafen
des Aar- und Zürichgaus, teils als Kastvögte mehrerer Klöster, die daselbst Grundbesitz hatten. Im 13. Jahrh.
bildeten das Thal Sarnen »ob dem Kernwald« und das Thal Stans »nid dem Kernwald« zwei gesonderte Gemeinwesen.
mehr
Nachdem sich beide schon 1245 vorübergehend mit Schwyz
zu einer Erhebung gegen die Habsburger verbunden hatten, schlossen sie 1291 mit
Uri
und Schwyz
das ewige Bündnis der drei Waldstätte und vereinigten sich zugleich untereinander zu dem Gemeinwesen Unterwalden, welches 1309 mit
Schwyz
u. Uri
von Heinrich VIII. reichsfrei erklärt wurde. Zur Zeit der Schlacht von Morgarten hatten sich die Unterwaldner
gegen die über den Brünig eingedrungenen Österreicher zu verteidigen. Um 1350 trennten sich Nid- und Obwalden
wieder; doch fanden
noch spät im 15. Jahrh. gemeinsame Landsgemeinden beider Länder statt, und in der Eidgenossenschaft zählten sie nur als Ein
Bundesglied.
Daneben bildete das Thal Engelberg unter der Herrschaft des dortigen Klosters ein besonderes Gebiet, welches
seit 1465 im Schirm von Luzern,
Schwyz
und Unterwalden stand und erst 1815 mit Obwalden
vereinigt wurde. Zur Zeit der Reformation gehörte Unterwalden zu den fünf ihr
entschieden feindlichen Orten. Der helvetischen Verfassung von 1798 fügte sich Obwalden
ohne Kampf, Nidwalden
aber erst, nachdem
infolge des verzweifeltsten Widerstandes das Land von den Franzosen in eine Wüste verwandelt worden war (7.-9. Sept. 1798).
Im J. 1802 stellte Unterwalden im Aufstand gegen die helvetische Regierung seine Landsgemeinden wieder her, welche durch die Mediationsakte 1803 garantiert
wurden.
Beide Landesteile nahmen teil am Sarner Bund (1832) sowie am Sonderbund 1846 und kapitulierten Nachdem
sie sich 1850 zum erstenmal Verfassungen gegeben, unterwarf Obwalden
die seinige einer Revision, ohne jedoch ihren Grundlagen
nahezutreten, welchem Beispiel Nidwalden folgte. 1875 hat Obwalden
in anerkennenswerter Weise sein Schulwesen verbessert,
dagegen im April 1880 die Wiedereinführung der Todesstrafe beschlossen.
Vgl. Businger, Die Geschichten des Volkes von Unterwalden (Luzern
1827-28, 2 Bde.);
Derselbe, Der Kanton Unterwalden (St. Gallen 1836);
Gut, Der Überfall von Nidwalden
im J. 1798 (Stans 1862);
französisch Unterwald. Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
1. Lage, Grœsse und Grenzen.
Der Kanton Unterwalden zerfällt politisch und administrativ in die beiden Halbkantone Obwalden
und Nidwalden.
In der offiziellen Reihenfolge
der Kantone ist er der sechste, der Fläche nach der sechszehnte und der Bevölkerung nach der zwanzigste
Kanton der Schweiz. 765,3 km2 Fläche (Obwalden
474,8; Nidwalden
290,5) und 28330 Ew. (Obwalden:
15260; Nidwalden:
13070). Der Kanton liegt im Herzen der Schweiz
im Gebiet der Präalpen und Hochalpen. Er erstreckt sich zwischen 46° 45' 00" und 47° 02' 20" NBr., sowie zwischen 8° 05'
55" und 8° 34' 35" OL. von Greenwich.
Seine grösste Ausdehnung in der Richtung O.-W. misst 33 km und in der Richtung S.-N. 27 km. Der Kanton grenzt: im O. an
Uri,
im S. an Bern,
im W. an Luzern
und im N. mit dem Vierwaldstättersee an Luzern
und Schwyz.
Diesen politischen Grenzen entsprechen auch
ziemlich genau die natürlichen. Nach O. schliessen die Urneralpen mit ihren höchsten Erhebungen (Urirotstock, Blackenstock
und Stotzigberggrat) das Land nach Aussen ab. Nach S. liegt die Titliskette mit dem Reissend Nollen, woran sich in SW.-Richtung
der Graustock, die Hochstollenkette und der Lungerner Giebel anschliessen. Nach dem Abstieg zum Brünig erhebt
sich die Grenzlinie auf der andern Thalseite wieder jäh zur Hohen Gumm und der Rothornkette. Von da an wird sie, in ziemlich
gerader Richtung nordwärts fortlaufend, durch den das Sarnerthal vom
mehr
Entlebuch scheidenden Grat mit den Erhebungen Nünalpstock, Feuerstein und Bernerstieg gebildet, woran sich dann über dem Schlierenthal
der Wängengrat, sowie der Gnepfstein und das Tomlishorn im Pilatusgebiet anschliessen, von wo die Grenze über das Klimsenhorn
jäh zum Vierwaldstättersee abfällt. Die N.-Grenze wird teils vom Bürgenberggrat, grösstenteils aber durch den
die Gestade mehr verbindenden als trennenden Vierwaldstättersee gebildet.
[Ed. Etlin.]
2. Orographie.
Das Präalpen- und Hochalpengebiet, dem der Kanton Unterwalden angehört, bietet dank den nach allen Richtungen hin eingeschnittenen
Thälern ein sehr abwechslungsreiches Bild dar. An der N.-Grenze erhebt sich zwischen dem luzernischen Reussthal und dem Thal
der kleinen Schlieren die mit dem Tomlishorn in 2132 m gipfelnde Kette des Pilatus, deren übrige bemerkenswerte
Gipfelpunkte der Esel (2122 m), das Gemsmättli (2052 m) und das Widderfeld (2078 m) sind und die sich über den Gnepfstein (1920
m) zum Wängengrat fortsetzt.
Zwischen diesen Kämmen und Gräten und der breiten Sohle des Sarnerthales breitet sich ein zum Teil bewaldetes
und mit Alpweiden bestandenes Bergland aus, in das zahlreiche Wildbäche (Grosse und Kleine Schlieren, Lauibach etc.) ihre ausgedehnten
Runsen und Thalfurchen eingeschnitten haben. Da das ganze Gebiet in der Hauptsache aus tonigem und schiefrigem Flysch besteht,
sind hohe Felswände oder Steilabbrüche selten; dagegen zeichnen sich die Gehänge im allgemeinen durch
grosse Steilheit aus, so dass Rutschungen bei dem wenig beständigen Gestein häufig vorkommen. Im SW. ragen über die begrünten
Flyschhügel die sehr steilen und felsigen Giswilerstöcke auf, die aus massigen Triaskalken bestehen und sowohl geologisch
als orographisch einen starken Gegensatz zur umliegenden Landschaft bilden.
Das ganze Flyschgebiet lässt sich in eine Reihe von kleinen Berggruppen gliedern, deren höchste Erhebungen aber 2000 m
nicht mehr erreichen. So finden wir im N. zwischen den Töbeln der Grossen und Kleinen Schlieren einerseits und dem Thal der
Grossen Entlen andrerseits den Schlierengrat (1750 m), der sich mit dem Lauenberg (1650 m) und dem Fulendossen
(1660 m) zwischen die beiden Schlieren hineinschiebt. Auf der Kantonsgrenze gegen Luzern
erheben sich der Feuerstein (2042 m) gegenüber
der Schwendifluh, der
zwischen Flyschtöbeln aufragende Grat der Hagleren (1952 m) und der breit ausladende Nünalpstock (1900
m) ob der Nünalp, von dem der wasserscheidende Kamm zwischen Kleiner Emme und Sarner Aa mit dem Bärenturm
(1800 m) und den beiden Uebergängen des Sattelpasses (1592 m) und der Seewenegg (1768 m) auszweigt.
Das schöne Thal der Sarner Aa beginnt am Brünigpass (1011 m) auf der Wasserscheide zwischen der Aare und dem Vierwaldstättersee
und weist einen ausgeprägten Stufenbau auf. Eine erste Stufe erstreckt sich zwischen dem Brünig und dem Lungernsee (659 m).
Hierauf folgt ein scharfer Steilabsturz durch ein mit Sturzschutt übersätes Gebiet bis Rudenz (508 m), wo sich das Aaried,
eine einst unter Wasser stehende und den sog. Giswilersee bildende Anschwemmungsebene ausbreitet. Nördl.
Rudenz schliesst sich der vom Lauibach und der Kleinen Melchaa aufgeschüttete Thalboden an, der sich langsam bis zum Sarnersee
(467 m) senkt. Zwischen diesem und der Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees beträgt der Höhenunterschied noch 30 m und
liegt eine 8 km lange Alluvialebene, die von den beiden Schlieren und der Melchthaler Aa aufgeschüttet
worden ist.
SO.- und O.-Umrahmung des Thales der Sarner Aa bilden orographisch die Fortsetzung der Kette des Brienzer Rothorns einerseits
und der Faulhornkette andrerseits, die zunächst durch den Brienzersee voneinander getrennt werden, um dann weiter ostwärts
zu einer einheitlichen Bergmasse zu verwachsen. Diese erscheint aber durch meist in der Querrichtung
eingeschnittene Thäler ihrerseits wieder in mehrere Untergruppen zerlegt. Zunächst erwähnen wir die Gruppe des Brienzer
Rothorns (2351 m) im engern Sinn mit den Gipfeln der Hoh Gumm (2208 m) und des Gummen (2006 m), sowie mit der Hohmatt (2113 m)
gegenüber den Giswilerstöcken, von der ein gegen Rudenz sich senkender und mit dem Emmättli endigender
Grat auszweigt. Dieser besteht wie die ganze Rothornkette aus kretazischen Gesteinen und wird durch den Brünigpass von der
Jurakalkregion geschieden. Zwischen das Becken von Lungern und das Melchthal schieben sich der Schinberg (2046 m) und der Wandelengrat
ein, voneinander getrennt durch die Erosionsfurche des Klein Melchthales. Von hier an nordostwärts begleitet
den Bergfuss der sanft geneigte Streifen Kulturland von Sachseln, der aus
Nummulitenkalk besteht und mit den Alluvionen der die NW.- und N.-Flanke von Wandelen- und Arnigrat durchfurchenden zahlreichen
Wildwasser überführt ist.
Die Kreideregion zwischen Melchthal und Engelbergerthal beginnt nördl. vom Storeggpass mit dem Schluchiberggrat (2027 und 2108 m)
und Gräfimattgrat (2032 m), von wo an sich das jurassische Klippengebiet von Arvigrat (2018 m), Heitliswald
und (jenseits des Aecherlipasses) Stanserhorn nordwärts zieht. Die Kreideunterlage erscheint zu einem schmalen Band reduziert
und bildet das zum Engelbergerthal sich senkende Gehänge mit dem Gummen (1617 m) und der Wissfluh.
Zwischen die NW.-Flanke von Arvigrat und Stanserhorn einerseits und das Thal von Sarnen-Alpnach andrerseits schiebt
sich das mit Sturzschutt und Anschwemmungsmaterial überführte Hügelland von Kerns und Ennetmoos ein, das durch den schmalen
Kamm des Muetterschwanderbergs (862 m) und des jenseits vom Rotzloch sich erhebenden Rotzberges (670 m) von der Alpnacherbucht
getrennt ist. Jenseits dieser letztern ragt wiederum die Pilatuskette auf, so dass das ganze weite Flyschgebiet
an dieser Stelle stark verschmälert und vollständig vom See überflutet erscheint. Jenseits der Ebene von Stansstad setzen
sich Pilatus- und Muetterschwanderberg-Rotzbergkette vereint im Bürgenberg (mit Bürgenstock und Hammetschwand; 870 und 1131 m)
fort, der die Grenze zwischen Luzern
und Unterwalden bildet und zu der Zeit, als die Alluvialböden von Stansstad,
Stans und Buochs noch unter Wasser lagen, als Insel aus dem See aufstieg.
Auch die das Engelbergerthal vom Urnersee trennende Bergmasse besteht aus Kreidegesteinen. Ihrem N.-Abfall sind die jurassischen
Klippen Buochserhorn, Chlewen und Musenalp anormal aufgelagert. Die Kreidekalke selbst bilden ob Wolfenschiessen den NO. ziehenden
Kamm Brisen (2406 m)-Schwalmis (2248 m)-Bauenstock (2120 m), dessen N.-Flanke sich zur Terrasse von Seelisberg
und von da zum Sporn bei Treib am Vierwaldstättersee senkt.
Weniger reich gegliedert als die Kreideregion erscheint das Gebiet der Jurasedimente, das nur von einem einzigen Thal, dem
der Engelberger Aa, ganz durchschnitten wird. Der Abschnitt zwischen Aare- und Engelbergerthal umschliesst
ausgedehnte Alpweiden (Ballis-, Mägis-, Thalalp etc., alle zwischen 1600-1900 m) und trägt stolze Berggestalten: Giebel (2037
m), Brünigshaupt (2314 m), Hohstollen (2481 m) und Glockhaus (2536 m). Zu Füssen der Steilwände von Hohstollen und Glockhaus
dehnt sich der Bergkessel des Melchsees mit der Aa-, Melchsee- und Tannenalp (alle zwischen 1700-2000 m)
aus.
Die Kette Graustock-Hutstock (2663 und 2679 m) trennt das Gebiet um den Melchsee vom obern Engelbergerthal. Auf der rechten
Seite dieses letztern endlich lagert die stolze Gruppe des Uri
Rotstocks (2932 m) mit dem Engelberger Rotstock (2820 m), Ruchstock
(2812 m) und dem Hahnen (2611 m) ob Engelberg. Den höchsten Punkt der Gruppe stellt jedoch der Blackenstock
(2952 m) dar, der mit seinen mächtigen Wänden den Surenenpass beherrscht und sich nach NO. über die Gitschenstöcke bis zum
Bärenstock fortsetzt, wo die Jurakalke zwischen dem Gitschen- und Isenthal über dem Flysch Halt machen.
Das letztgenannte Thal greift mit seinen drei Verzweigungen ins Gebiet des Brisen, Engelberger Rotstocks
und Uri
Rotstocks hinauf. Zum Schluss erübrigt uns die Erwähnung
des stolzen Titlis (3239 m), des höchsten Gipfels der Unterwaldner
Alpen, dessen Kalkmassen den Kamm der Gadmerflühe im NO. abschliessen. Einerseits beherrscht er das obere Engelbergerthal und
andrerseits den aus dem Gadmenthal nach Engelberg hinüberführenden Wendenpass. Ins kristalline Gebiet
endlich reicht nur ein kleiner Abschnitt des Kantons mit dem Grassen (2946 m) und Wichelplankstock (2976 m) hinein.
Die Thäler Unterwaldens stehen über zahlreiche Pässe miteinander in Verbindung. Schon genannt haben wir den Brünig (1011
m), den niedrigsten von allen, der das Thal von Sarnen-Lungern mit Meiringen und dem Aarethal verbindet
(Eisenbahn). Von Lungern gelangen wir über die Melchalp ins Klein Melchthal und weiterhin über die Seefeldalp ins eigentliche
Melchthal. Dieses wiederum steht mit dem Thal von Engelberg über den Juchlipass (2170 m) und den Storeggpass (1740 m) in Verbindung.
Aus dem Engelbergerthal führen der Schoneggpass (1925 m) ins Isenthal, der Jochpass (2215 m) über die Engstlenalp
ins Genthal und der Surenenpass (2305 m) ins Gitschenthal und nach dem Urner Reussthal hinüber.
3. Hydrographie.
Der Kanton Unterwalden gehört grösstenteils dem Einzugsgebiet des Vierwaldstättersees an, in welchen die Sarner und Engelberger
Aa, sowie einige Wasseradern von geringerer Bedeutung (Isenthalerbach und Kohlbach von Emmetten) sich ergiessen. Die beiden
Aa halten sich mit Bezug auf Lauflänge und Wasserführung so ziemlich die Wage. Die Sarner Aa entwässert fast das gesamte
Gebiet zwischen der Pilatuskette und den Kreidekämmen im SO. und O. (vom Brünig bis zum Stanserhorn).
Die aus dem Flysch im NW. herabkommenden Bäche sind böse Wildwasser, die den leicht verwitternden Boden stark angreifen
und zahlreiche Rutschungen veranlassen. Um dem vorzubeugen, sind im Gebiet dieser Wildbäche (besonders der beiden Schlieren
und des Lauibachs) umfangreiche und kostspielige Schutzbauten zur Ausführung gelangt. Aus SO. kommen neben
zahlreichen minder wichtigen Wildbächen die Kleine und Grosse Melchaa. Letztere mündete einst in der Alluvialebene zwischen
Sarnersee und Alpnach und verursachte hier häufige Ueberschwemmungen, worauf man sie in den Sarnersee abgeleitet hat, in dem
sie nunmehr ihr Geschiebe ohne alle Gefahr für das Umgelände ablagert.
An stehenden Gewässern besitzt der Kanton ausser der Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees in erster
Linie den 6 km langen Sarnersee (s. diesen Art.). Dazu kommt noch eine Anzahl von Gebirgsseen. Deren flächengrösster, der
Lungernsee, verdankt seine Entstehung (wenigstens teilweise) einem Bergsturz, worauf auch der Mensch durch Tieferlegung des
Seespiegels noch ändernd eingegriffen hat (vergl. den Art. Lungernsee). Der Melchsee (1880 m) und der
unter dem Gipfel des Brünigshaupt gelegene Seefeldsee fliessen durch Trichter unterirdisch ab. Der Trübsee (1765 m) am Weg
von Engelberg zum Jochpass verdankt seinen Namen der Zufuhr von milchig getrübten Gletscherschmelzwassern. Von Bedeutung ist
in diesen Kalkbergen die unterirdische Wasserzirkulation, infolge deren zumeist im Niveau der Thalsohlen
zahlreiche Quellen von grosser Wasserfülle zutage treten. Wir erwähnen bloss die am Fuss des Hahnen nahe Engelberg sprudelnde
Quelle, die Schwarzeggquelle unter dem Arvigrat und Heitliswald, die das Dorf Kerns
mehr
mit Trinkwasser und Triebkraft versorgt, sowie endlich die stets getrübte Quelle des Mehlbaches.
4. Geologie.
Der Kanton Unterwalden deckt sich fast vollkommen mit dem als Aagruppe bezeichneten Abschnitt der Schweizer Alpen. Einzig im
NW. greift er etwas auf die Emmengruppe und im SO. ein klein wenig auf die Dammagruppe über. Mit Ausnahme
dieser kristallinen SO.-Ecke des Kantons bestehen die Alpen Unterwaldens ausschliesslich aus mesozoischen und tertiären Sedimenten,
die an der Bodenoberfläche oft mit quaternärem Glazialschutt, mit Flussanschwemmungen, Verwitterungs- und Sturzschutt überführt
erscheinen. Wir geben zunächst eine Uebersicht über alle diese stratigraphischen Glieder:
a) Sturzschutt und Bergstürze. Neben den durch die stetsfortige Verwitterung und Abbröckelung der Felsgesteine
geschaffenen Schutthalden und Schuttkegel am Fuss der Gehänge kennen wir in Unterwalden auch einige Schuttablagerungen,
die ihr Dasein einem plötzlichen Abbruch verdanken. In erster Linie muss in dieser Hinsicht das mächtige Trümmerfeld genannt
werden, das den ganzen Kernwald zwischen Kerns und Rohren umfasst und sich noch am Gehänge bis zum Fuss
des Arvigrates und des diesen vom Stanserhorn trennenden Aecherlipasses hinaufzieht.
Nach Kaufmann soll diese eine Fläche von nahe an 800 ha deckende Trümmermasse von einem postglazialen aber immer noch prähistorischen
Felssturz vom Arvigrat her stammen. Ein besonders günstiger Umstand für den Abbruch von mächtigen Felsblöcken
war hier die im Sinn des Gehänges fallende Auflagerung der Kalkmasse des Arvigrates auf einer aus Gips bestehenden Unterlage.
Es handelt sich in unserm Fall sehr wahrscheinlich um eine Reihe von aufeinanderfolgenden Abbrüchen dieser Art. Die Natur
der über das Trümmergebiet ausgestreuten Felsblöcke lässt über deren Herkunft keinen Zweifel zu.
Sie stammen von einem vorspringenden Sporn des Arvigrates her, der sich einst nordwärts über die Fuhrmatt bis zum Stanserhorn
fortgesetzt haben muss. Bedeutende Bergsturztrümmer liegen ferner am Kaiserstuhl bei Lungern, wo sie wahrscheinlich den Wall
aufgedämmt haben, hinter dem sich der Lungernsee bildete. Vom Glockhaus und Hohenstollen stammt der Sturzschutt
um den Melchsee her. Ein Bergsturz aus neuester Zeit ist derjenige, der 1880 von der Vorderweissenfluh ob Wolfenschiessen niederging.
b) Anschwemmungen. Die Wildbäche und übrigen Wasserläufe haben der Sohle der das Gebirge zerschneidenden tiefen Thäler ganze
Haufen von Kies, Sand und Schlamm zugeführt und damit sowohl grössere und kleinere Alluvialebenen geschaffen
als auch vor ihrer Mündung eigentliche Deltas in den Seen aufgeschüttet. Sehr zahlreich sind auch die Wildbachschuttkegel.
Die Aufschüttungsebene von Engelberg verdankt ihre Entstehung der Ausfüllung eines durch Glazialerosion gebildeten ehemaligen
Seebeckens, während die Ebene hinter Grafenort durch Schuttkegel und Bergsturztrümmer, die das Thal abgedämmt haben,
entstanden ist.
Einen entscheidenden Anteil an der Mitbestimmung des Landschaftscharakters nehmen die alluvialen Schuttgebilde aber besonders
im tiefer gelegenen Landesteil. Hier fällt uns zunächst die Ebene von Stans auf, die die Buochserbucht von der Hergiswiler-
und Alpnacherbucht des Vierwaldstättersees trennt und von den Geschieben der Engelberger Aa aufgeschüttet worden ist,
wodurch die einstige Insel des Bürgenstocks landfest wurde. Zu diesem Verlandungsprozess hat vermutlich auch der ursprünglich
in die Engelberger Aa mündende Mehlbach beigetragen, der dann später durch Moränen nach der Klus des Rotzlochs abgelenkt worden
ist.
Die Alluvialebene von Sarnen bis Alpnach verdankt ihre Entstehung teilweise der sehr lebhaften aufschüttenden
Tätigkeit der Grossen Schlieren, deren Geschiebe zunächst den Sarner- vom Alpnachersee abschnitten, um dann die so geschaffene
Schwelle beständig zu erhöhen. Die Zuschüttung des Sees oberhalb der Schwelle ist in erster Linie von der Melchaa besorgt
worden. So erklärt sich der Höhenunterschied von nahezu 34 m zwischen den Spiegeln des Sarner- und des
Alpnachersees.
Infolge künstlicher Ablenkung ergiesst sich heute die Melchaa direkt in den Sarnersee. Die kleine Ebene von Kerns bildete einst
einen See, dessen Aufschüttung der
Voribach und Rufibach, zwei ehemalige Nebenadern des Mehlbaches und durch den Bergsturz des
Kernwaldes von ihm abgelenkt, besorgt haben. Von grösserer Bedeutung erscheint die Alluvialebene
von Giswil, an deren beständiger Vergrösserung neben andern, kleinern Wildwassern hauptsächlich die Kleine Melchaa und der
Lauibach arbeiten. Ein andrer Lauibach, der sich aus dem Zusammenfluss einer Reihe von Quellsträngen am Arnifirst bildet, hat
durch Zuschüttung eines Teiles des Lungernsees die Ebene von Lungern geschaffen.
c) Glazialschutt. Von grosser Bedeutung sind die Geschiebe der diluvialen Gletscher namentlich im untern
Abschnitt des Landes, wo der Reussgletscher die Ablagerung vermittelt hatte. Aehnliche Schuttmassen finden sich in der Umgebung
von Buochs und Stans. Im Innern der Thäler gehören die glazialen Geschiebe dagegen den lokalen Gletschern an, die zeitweise
Thalboden und Gehänge überfluteten. Im Sarnerthal macht sich noch die Wirkung eines Armes des diluvialen
Aargletschers fühlbar, der über den Brünigpass nordwärts vorgestossen hatte. Am NO.-Ende des Lungernsees liegen bei Bürglen
und am Kaiserstuhl zahlreiche erratische Blöcke von oft grossen Dimensionen, die seit langem abgebaut werden und geschätzte
Granite zu Bauzwecken liefern.
d) Tertiäre Gebilde. 1. Miozäne Kalknagelfluh, sowie Sandsteine und Mergel der untern Süsswassermolasse finden
sich ausschliesslich in der Umgebung von Hergiswil und auch hier nur in sehr geringer Ausdehnung. - 2. Der Flysch umfasst
nördl. vom Sarnerthal ausgedehnte Flächen. Er bildet hier das bewaldete und mit Alpweiden bestandene wellige Bergland,
das sich der Kette Pilatus-Schrattenfluh anlehnt. Der vorwiegend tonig-schiefrige Flysch verwittert ausserordentlich leicht
und veranlasst ungezählte Gehängerutschungen.
Seine Geschiebe werden von den Wildwässern (der Grossen und Kleinen Entlen, der Grossen und Kleinen Schlieren etc.) zu Thal
transportiert. Die von Prof. F. J. Kaufmann im Flysch dieser Gegend ausgeschiedenen einzelnen Stufen
dürften (z. T. wenigstens) wohl eher blosse Faziesunterschiede darstellen. Der obere oder Sylvanflysch stellt den normalen
Flyschtypus dar mit seiner Wechsellagerung von Sandsteinbänken und mergelig schiefrigen Schichten, sowie dem Vorkommen von
zahlreichen Fukoiden als Leitfossilien. Ziemlich verschieden davon erscheint der untere Flysch, der hier zum Teil die Nummulitenbildungen
vertreten dürfte und in welchem von Kaufmann Lithothamnien- und Globigerinenschichten, sowie Sandsteine
und schiefrige Mergel mit Fukoiden unterschieden werden. Dem geologischen Alter nach entsprechen oberer und unterer Flysch
dem Oligozän, dieser zum Teil vielleicht noch dem obern Eozän. - 3. Nummulitenbildung. Eozäne Kalke und Kalkschiefer mit
zahlreichen Nummuliten, in denen wir zwei Stufen unterscheiden. Die Pektinitenschiefer genannte obere
Stufe enthält Nummuliten, Operkulinen, Orbitoiden und einige Zweischaler, während die in ihrer Zusammensetzung abwechslungsreichere
untere Stufe hauptsächlich durch die Nummulites complanata und eine reiche Molluskenfauna charakterisiert erscheint.
e) Kreidebildungen. Die obere Kreide umfasst die zusammen dem Senon entsprechenden Wang- und Seewerschichten. Während die
Wangschichten im mittlern und westl. Abschnitt auftreten, finden wir im N. Seewerkalk und Seewerschiefer,
im S. dagegen einzig Seewerkalk. Die mittlere Kreide (Genoman) ist neben den untersten Horizonten der Seewerschichten noch
vertreten durch die glaukonitischen Sandsteine und die Echinodermen-Mergel und -kalke des Gault, der verschieden mächtig
ist und manchmal auch ganz fehlt. Er ist sehr reich an Fossilien.
Die mit dem Sammelbegriff «Neokom» bezeichnete untere Kreide besteht aus
drei Stufen. Deren erste bildet das Urgon, das hier den Namen Schrattenkalk trägt, sehr widerstandsfähig ist und sich in
zwei durch eine Orbitolinenschicht voneinander getrennte Horizonte gliedern lässt. Das Hauterivien, die mittlere Neokomstufe,
besteht hier aus dünnen Bänken von manchmal schiefrigen, sehr oft kieseligen und dunkel gefärbten Kalken. Das Valangien
als unterste Neokomstufe endlich bildet zwei Horizonte, deren oberer ausserordentlich mannigfaltige Ausbildung,
zeigt (gelbe, graue und mehr oder weniger dunkle Kalkmergel, dichte Korallen- oder oolithische Kalke), während der untere,
die sog. Berriasschichten, in der Hauptsache schiefrig, nur selten kalkig und fast immer von dunkler Farbe sind.
f) Juragebilde. Der Malm oder obere Jura erscheint durch zwei gut geschiedene Stufen vertreten: das auch
unter dem Namen Hochgebirgskalk bekannte Tithon und den Schiltkalk samt Argovien- und Divésienschiefer, welches Gebilde
manchmal als «Oxford» zusammengefasst wird. Der Dogger oder mittlere Jura besteht zuoberst aus Schiefern und Kalken, die zuweilen
(an der Erzegg) Linsen von Eisenerz enthalten, und tiefer unten aus dunkeln, gelb anwitternden Echinodermenkalken. Der Lias
oder untere Jura endlich ist durch dunkle Schiefer, sowie sandige, fast quarzitische und manchmal echinodermische Kalke vertreten.
g) Trias. Am Jochpass steht ein Band von Rätkalken an, unter welchem bunte Quartenschiefer und Quarzsandsteine, sowie als
Liegendes der Rötidolomit erscheinen.
h) Das obere Karbon ist in der schmalen Zone der «Zwischenbildungen»
am Fuss des Titlis, die den Hochgebirgskalk vom Gneis scheiden, als Sandsteinbank von wechselnder Mächtigkeit vertreten.
i) Gneis und kristalline Schiefer finden sich auf einem kleinen Gebiet südl. vom Titlis und gehören hier dem N.-Rand des
Aarmassives an.
Die im vorstehenden kurz skizzierten Formationen, Serien und Stufen weisen eine sehr verschiedene horizontale
Verbreitung auf. Die von der Schrattenfluh über den Pilatus zum Bürgenstock ziehende Kette besteht ausschliesslich aus Eozän-
und Kreidebildungen. Zwischen ihr und der vom Brienzergrat über den Schinberg, Arvigrat, Brisen und Bauenstock bis zum Seelisberg
ziehenden Kette, die ebenfalls aus Kreidegesteinen (mit einigen wenigen Vorkommnissen von Malm) aufgebaut
ist, liegt ein weites Flysch- und Eozängebiet.
Nun trägt aber dieses zwischen zwei Kreideketten eingelagerte Tertiärbecken auf seiner Flyschfüllung eine Reihe von sehr
bedeutenden Fetzen triadischer, jurassischer und kretazischer Bildungen in anormaler Lagerung und von ihrer Wurzel losgelöst
auf jüngern Formationen schwimmend. Wir meinen die Giswilerstöcke, den Arvigrat, das Stanserhorn und Buochserhorn,
den Chlewen und die Musenalp. Die Gesteine dieser sog. Klippen weichen von den gleichalterigen, normal beschaffenen Schichten
des Gebietes wesentlich ab und haben ihresgleichen erst wieder im Gebiet des Stockhorns überm Aarethal drüben.
Der Jurakalk der Unterwaldner Alpen sieht sich nach S. zurückgedrängt und steht bloss zwischen der Kette
Brienzergrat-Brisen-Bauen und einem zuerst schmalen Flyschband an, das dem Genthal folgt und sich über den Jochpass und Surenenpass
bis ins Gitschenthal verfolgen lässt, indem es sich zugleich infolge fortschreitender Abtragung der auflagernden Schichten
durch Erosion und Verwitterung stetig verbreitert. Diese Flyschzone ihrerseits wird von den Gneisen des Aarmassives
durch eine Reihe von Juraschichten getrennt, in denen der sehr mächtig entwickelte Hochgebirgskalk des Malm vorherrscht.
Eine schwache Einlagerung von sog. Zwischenbildungen, in denen sich Dogger, Lias, Trias und sogar Karbon nachweisen lässt,
scheidet diesen
Malm vom Gneis.
Die verschiedenen Kalkzonen der Alpen Unterwaldens sind lange Zeit als autochthone, d. h. an Ort und Stelle
entstandene Faltungen der Erdrinde betrachtet worden. Doch erschien es immer seltsam, dass z. B. in der Pilatuskette die
Kreide- und Tertiärschichten in Gestalt von bis auf dreifach übereinandergelegten Schlingen so energisch gefaltet sich
zeigen, während die Juraformation ganz fehlt und sogar die älteste Neokomstufe (die Berriasschiefer) nicht
mehr zutage ansteht.
Das nämliche gilt für die vom Brienzergrat zum Brisen ziehende Kette. Südl. einer schmalen Flyschzone in der Gegend von
Grafenort sieht man über einer verkehrt gelagerten Serie von Neokom Berge sich erheben, die aus übereinander gelegten Jurafalten
(mit einigen untergeordneten Einfaltungen von unterstem Neokom oder Berrias) aufgebaut erscheinen. Es
sind dies die Jurakerne der Kreidefalten, die sich nach erfolgter Lostrennung von der Juraunterlage in langgezogenen Schlingen
entwickelt haben.
Die Flyschzone Genthal-Jochpass-Surenen-Gitschenthal besteht aus den nämlichen Schichtgliedern wie die Zone Grafenort-Schoneggpass-Isenthal,
die ihrerseits wieder unter der Tertiärmulde Habkern-Buochs hindurch mit dem Flysch am N.-Rand der Pilatuskette in Verbindung
steht. Dabei bleibt sie aber von dem die erwähnte Mulde ausfüllenden Flysch durch die die Pilatuskette mit der Kette Brienzergrat-Brisen
unterirdisch verbindenden Kreideschichten getrennt. Es wurzeln demnach weder die Kreideketten noch die Jurafalten nördl.
der Zone Genthal-Jochpass-Surenen in der Tiefe; sie schwimmen vielmehr gleichsam auf der tertiären Grundlage und erscheinen
vollständig von ihren Wurzeln losgerissen, die sich südl. vom Aar- und Gotthardmassiv befinden müssen.
Einzig der Jura der Titliszone kann als autochthoner, d. h. an Ort und Stelle «gewachsener» Fels bezeichnet werden. Alles übrige
ist von S. her eingewandert. Die beigegebenen drei geologischen Querprofile sollen unsere neuen Ansichten über die Tektonik
des Gebietes verdeutlichen, so weit es die heutigen Kenntnisse zu tun gestatten. Aus diesen Profilen ist ersichtlich, wie
das gesamte gefaltete Mesozoikum der Unterwaldner Alpen einer Unterlage aus Flysch aufsitzt. Es bildet zwei grosse Hauptdeckfalten
mit mehreren Verzweigungen, die gleichsam durch Abgleiten an ihre heutige Stelle gelangt sind. Dieses Abgleiten
erklärt auch die Bogenform der Ketten, besonders derjenigen von Schrattenfluh-Pilatus-Bürgenstock.
Etwas anders erklärt sich das Vorhandensein der bereits erwähnten Klippen (Giswilerstöcke, Arvigrat, Stanserhorn, Buochserhorn,
Chlewen und Musenalp). Diese ebenfalls dem Flysch auflagernden Schichtenpakete sind die letzten von der Erosion verschonten
Ueberreste einer weiten ehemaligen Deckfalte, die sich über alle vorhergehenden Falten gelegt hatte.
Nach der Herausmodellierung durch die Erosion erlitten dann diese Rudimente durch den Transport auf dem Rücken der von S.
nach N. abgleitenden tiefern Deckfalten noch weitere Dislokationen, aus welchem Umstand sich ihre regellose Struktur leicht
erklärt. Die Faziesunterschiede zwischen den Klippengebilden und den Schichten der tiefern Deckfalten
sind eine natürliche Folge der grossen horizontalen
mehr
Distanzen zwischen den Schichtgliedern beider Gebiete vor ihrer Faltung.
Bibliographie. Kaufmann, F. J. Geolog. Beschreibung des Pilatus. (Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz. 5, 1867). - Kaufmann,
F. J. Emmen- und Schlierengegenden nebst Umgebungen. (Beiträge. 24 I, 1886). - Stutz, Ulr. Das Keuperbecken am Vierwaldstättersee.
(Neues Jahrb. fürMineralogie und Geol. 1890). - Mœsch, C. Die Kalk- und Schiefergebirge zwischen dem
Reuss- und Kienthal. (Beiträge. 24 III, 1894). - Tobler, A., und A. Buxtorf. Programm und Berichte über die Exkursionen indie Klippenregion am Vierwaldstättersee 1905. (Eclogae geolog. Helvetiae. IX 1, 1906). - Arbenz, P. Zur Geologie desGebieteszwischen Engelberg und Meiringen, (Eclogae geolog. Helvetiae. IX 4, 1907). - Schardt, H. Die modernen Anschauungen über denBau und die Entstehung des Alpengebirges. (Verhandl. der schweizer. Naturf. Gesellsch. 89, 1907).
[Prof. H. Schardt.]
5. Klima.
Aus dem Gebiete des Kantons Unterwalden, das im grossen Ganzen zusammenfällt mit dem Einzugsgebiet der
Sarner und Engelberger Aa, besitzen wir nur von relativ wenigen Orten Niederschlagsmessungen; da diese wenigen aber günstig
verteilt sind, lassen sich die Niederschlagsverhältnisse unsres Gebietes doch gut übersehen. Es betragen die jährlichen
Regenmengen (reduziert auf die 40jährige Periode 1864-1903):
Höhe üb. M. m
Regenmengen mm
Sarnen
490
1037
Brünig
1010
1650
Stans
456
1370
Engelberg
1018
1700
Pilatus
2070
1470
Das im Lee der Pilatusketten gelegene Nidwalder Hauptthal ist verhältnismässig trocken; vergleiche Sarnen (1037 mm) mit Luzern
(1170
mm) und Stans (1370 mm). Natürlich gilt dies nur für die Quantität der Niederschläge, während die Häufigkeit ungefähr
die selbe ist. Mit dem Ansteigen des Terrains am südl. Ende des Sarnersees nimmt die Regenmenge am Kaiserstuhl dann rasch
zu, um auf dem Brünig etwa 1650 mm zu erreichen. Stans auf der Luvseite des Stanserhorns hat über 300 mm mehr Niederschlag
als Sarnen; das hochgelegene Engelberg kommt auf 1700 mm. Die Messungen auf dem Pilatus ergeben entschieden
zu kleine Resultate (Unmöglichkeit, den Regenmesser windgeschützt aufzustellen). Für Engelberg, das die längste Beobachtungsreihe
hat, mögen die Niederschlagsmengen der einzelnen Monate folgen.
Engelberg: Monatliche Regenmengen 1864-1903:
mm
mm
Januar
68.9
Juli
240.1
Februar
74.3
August
236.1
März
100.1
September
161.9
April
124.2
Oktober
152.7
Mai
151.1
November
89.2
Juni
211.1
Dezember
90.3
:
Jahr
1700.0
Die Monatsmittel der Temperatur (reduziert auf die Periode 1864-1900) betragen:
Monat [°C.]
Sarnen
Engelberg
Brünig
Pilatus
Januar
-1,7
-3,9
-2,4
-6,2
Februar
0.2
-1,9
-0,9
-5,7
März
3.3
0.3
1.6
-5,5
April
8.4
4.8
5.6
-2,0
Mai
12.4
8.9
9.8
1.7
Juni
16.1
12.4
13.0
5.3
Juli
18.1
14.2
15.3
8.1
August
16.9
13.3
14.4
7.9
September
13.8
10.7
11.8
6.3
Oktober
8.1
5.6
6.5
1.3
November
3.4
0.8
1.8
-2,3
Dezember
-0,9
-3,1
-1,7
-5,4
Jahr:
8.2
5.1
6.2
0.3
Sarnen
hat - auf die gleiche Meereshöhe reduziert - annähernd die Temperatur von Luzern.
Der Brünig ist als
freigelegene Station im Winter beträchtlich wärmer als das Engelberger Hochthal; auch im Sommer beträgt die Differenz noch
etwa 1 Grad, um welchen das inmitten hoher Berge gelegene, niederschlagsreiche Engelberg kühler ist. Die mittlern Jahresextreme
der langjährigen Station Engelberg sind -17,9° und 25,8 °C.
Im Thal der Sarner Aa sind die Bewölkungsverhältnisse annähernd diejenigen des Mittellandes;
Jahresmittel der Bewölkung von
Sarnen (1896-1905) = 6,7;
Winter (Dezember-Februar) 7,3;
der Winter ist also recht trübe.
Dagegen hat das Engelberger Hochthal
schon einen hellen Winter (5,2) und beginnt sich deshalb auch als Winterkurort und Wintersportsplatz
zu entwickeln. Zahl der hellen Tage in Engelberg: Winter 26,8;
Frühjahr 18,8;
Sommer 17,8;
Herbst: 23,3;
Jahr 86,7.
[Dr. R. Billwiller.]
6. Flora.
(Nomenklatur auf Wunsch des Verfassers genau nach seinem Manuskript. [Redaktion].)
Unterwaldens Thäler gehören der Föhnzone an. Engelberg ist einer derjenigen Orte der Schweiz, an denen
der Föhn, der hier hauptsächlich der Linie Gadmen-Jochpass-Engelberg-Stans folgt, am häufigsten und mit der grössten Stärke
weht. Ein bedeutender Einfluss kommt dem Föhn auf die Vegetation zu, die in Unterwalden (nach Rhiner) 1166 Arten umfasst.
Am deutlichsten äussert sich dieser Einfluss in dem (ehemaligen) Auftreten von Kastaniengruppen in Kersiten
und Ennetbürgen.
Von weitern Charakterpflanzen der Föhnregion seien genannt: Viola odorata und V. alba, Sedum maximum und S. hispanicum, Primulaacaulis und Asperula taurina (in den tiefern Thälern überall vorkommend), Evonymus latifolius (von Stans bis Grafenort),
Tamus communis (Grafenort, Lungern), Muscari racemosum, Carex humilis und C. alba, Andropogon Lasiagrostis
(bis Lungern hinauf), Linaria cymbalaria und Echinospermum Lappula (Stans), Eragrostis pilosa (Sarnen), Hypericum Coris (Emmetten
und Seelisberg), Cyclamen europaeum (Seelisberg). Im nämlichen Gebiet gedeihen zahlreiche Rosen, wie Rosa agrestis, R. tomentosa,R. tomentella und R. rubiginosa, sowie namentlich R. abietina (im untern Landesteil und im Sarnerthal).
Das Sumpfland der untern Region bietet Peucedanum palustre, Scrofularia Neesii, Salix aurita, Orchis Traunsteineri, Spiranthes
mehr
aestivalis, Potamogeton plantagineus und andre Laichkräuter, Sparganium natans, dann Binsen, Zypergräser und Wollgräser,
Oryza clandestina, Lycopodium inundatum und Aspidium, Thelypteris; seltener und an bestimmte Standorte gebunden sind Helosciadiumrepens (Stansstad), Cyperus longus und Acorus calamus (bei Sarnen), Crepis praemorsa (Kerns), Rhynchospora fusca (Stans). Die
Wälder der untern Zone beherbergen u. a. Lunaria rediviva, Circaea intermedia und C. alpina, Pirolauniflora, Monotropa hypopitys, Veronica montana, Asarum europaeum, Listera cordata. Cypripedium calceolus, Carex maxima,Festuca silvatica, Aspidium, lobatum und A. Lonchitis.
Einige Standorte an der SO.-Grenze, d. h. im Gebiet von Titlis und Grassen, bieten uns auf ihrer Gneisunterlage eine Anzahl
von Pflanzentypen der kristallinen Alpen, wie Aquilegia alpina, Potentilla frigida, Saxifraga Cotyledon
und S. bryoides, Gentiana punctata, Androsace glacialis, Primula viscosa und Carex lagopina. Sonst ist die alpine Flora Unterwaldens
diejenige der Kalkalpen überhaupt. Erica carnea ist überall gemein, und Rhododendron hirsutum (am Stanserhorn mit weissen
Blüten) steigt bis nach Hergiswil am Vierwaldstättersee herunter.
Felsige Standorte bieten Arabis pumila, Silene rupestris, Coronilla vaginalis, Potentilla caulescens, Saxifraga caesia, Seselilibanotis, Veronica fruticulosa, Globularia cordifolia, Primula auricula (den seltenen Bastard Primula viscosa×auricula
am Trübsee), Carex Firma und C. tenuis, Aspidium rigidem, das schöne Delphinium elatum (Surenen und Melchsee), Petrocallispyrenaica (am Pilatus und Krisen), Oxytropis Halleri (mehrfach) und Viola collina (Arnigrat).
Von interessanten Hochalpenpflanzen seien genannt: Viola lutea (sehr häufig namentlich am Melchsee), Cerastium alpinum;
DrabaJohannis, D. frigida und D. tomentosa (Juchlipass, Widderfeld), Phaca australis, Alchimilla subsericea, Bupleurum simplex,Leontopodium alpinum, Hypochaeris uniflora, Soyeria montana, Crepis alpestris, zahlreiche Habichtskräuter, Phyteuma betonicifolium
und Ph. hemisphaericum, zahlreiche Enziane, Pedicularis recutita, P. tuberosa und P. versicolor, Androsacehelvetica;
die bis zum Melchsee vordringende ostalpine Primula integrifolia, Soldanella pusilla, Rumex nivalis (Erzegg und
Surenen), Empetrum nigrum, die alpinen Weiden (Salix), Juncus trifidus und J. Jacquini, Elyna spicata Carex curvula, Trisetumsubspicatum;
Viele Arten endlich sind an bestimmte Standorte gebunden: Papaver alpinum (Pilatus, Schwalmis), Potentilla minima und Sedumannuum (Pilatus), das prachtvolle Eryngium alpinum («Distelband»
am Jochpass), Meum athamanticum (Buochserhorn), Saxifraga stenopetala (Sureneneck), Inula Vaillantii (Giswil), Willemetia hieracioides
(Hürithal), Orobanche flava (Herrenrüti), Gentiana tenella und Artemisia spicata (Hochstollen), Sweertia perennis und
Allium sibiricum (am Fuss des Giswilerstocks), Potamogeton rufescens (Lutersee und Melchsee), Lilium croceum (Lopperberg), Carexbicolor (Melchsee, Tannenalp), Asplenium Adiantum nigrum (Grafenort, Pilatus).
Noch seltener sind Malaxis monophylla (Brünig, Kesselerwald),
Aspidium Braunii mit dem Bastard A. Braunii×lobatum
(Herrenrüti, Arnitobel); endlich das äusserst seltene Botrychium simplex, das ob Engelberg seinen einzigen Standort in der
Schweiz hat. Von Unterwaldens Flora als ganzes sagt H. Christ (Unterwaldner Alpen; Itinerar des S. A. C. für 1875): «Dieser
nicht durch Reichtum an seltenen Arten sich auszeichnende Alpenflor ist dagegen ausnehmend üppig, blumenreich
und frisch, und selten wird man schönere Gruppen von hochalpinen Blüten finden als auf der weiten Flur der Melchseealpen
oder an den Hängen des Engelberger Reviers».
[Prof. H. Jaccard.]
7. Fauna.
Die Tierwelt Unterwaldens zeigt keine grossen Abweichungen von derjenigen des übrigen schweizerischen
Alpen- und Voralpenlandes. Am frühesten von den historischen Jagdtieren starb der Steinbock aus, immerhin erwähnt ein
gesetzgeberischer Erlass aus dem 16. Jahrhundert noch sein Vorkommen. Länger hielt sich der Bär. 1753 wurde der letzte Bär
in der Gemeinde Alpnach erlegt, 1820 der letzte in Nidwalden
gesehen und längere Zeit verfolgt, aber nicht erlegt.
Häufiger war der Wolf, deren im 19. Jahrhundert noch über ein Dutzend erlegt wurden, der letzte 1834 in der Alp Gerlismatt
(Gemeinde Sarnen).
Das Erscheinen eines grossen Raubtieres brachte in alten Zeiten jeweilen die ganze Gegend in Aufruhr: es
wurde «über das Unthier gestürmt», und dann mussten alle männlichen
Bewohner über 14 Jahre, «die es lübs halben vermögen» zur Treibjagd
ausrücken. Darauf wurde der erlegte Wolf unter Trommler- und Pfeiferbegleitung von der ganzen Jagdgesellschaft dem Landammann
ins Haus gebracht und das Ereignis durch einen frohen Trunk gefeiert. Weil aber 1734, wie der Chronist
meldet, bei diesem Anlass «etwas Unzukömmlichkeit und Unglück entstanden»,
wurde verordnet, dass in Zukunft nur mehr 12 Mann den erlegten Wolf «einbegleiten»
dürften.
Ziemlich häufig war früher auch der Luchs; der letzte wurde in Nidwalden
1759 erlegt. Auffälligerweise wurde dieses blutdürstige
Raubtier meistens in der Falle gefangen. Wildkatzen waren stets seltene Gäste; 1906 wurde die letzte
in Kersiten erbeutet. Der Otter kommt ganz sporadisch vor, und es vergehen 20-30 Jahre, ohne dass einer gespürt wird. 1876-1892
stellte er sich dagegen häufig ein, wurde Standwild und in einer Anzahl von rund 30 Stück erlegt. Dachs und die
verschiedenen Marderarten kommen nicht häufig, aber doch überall vor.
Viel häufiger ist der Fuchs, und Unterwalden liefert jährlich auf den «alten
Markt» (den Pelzmarkt) in Luzern
jeweilen 200-300 Stück. Die letzten Jahre, während welcher für einen Balg 15 und mehr Fr. bezahlt
wurden, haben unter diesem roten Räuber ziemlich aufgeräumt. Das Wildschwein war stets selten und wanderte
nur von aussen ein; 1864 wurde eines im Kernwald erlegt. Der Hirsch kam früher stets in Unterwalden vor. Dass es ihm hier
gut behagte, zeigen die auf dem Rathaus in Stans befindlichen prächtigen Geweihe von 14 und 15 Enden.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts wird sein Vorkommen nicht mehr erwähnt; um so erfreulicher ist es daher,
dass er unter den jetzigen geordneten Jagdverhältnissen sich wieder einstellt, was durch persönliche Beobachtungen und
Abwurfstangen zweifellos festgestellt ist. Das Reh war früher stets selten, trotzdem es nahezu immer gebannt war. Nach Gehörnen
aus früherer Zeit zu schliessen, entwickelte es sich aber in einzelnen Exemplaren vorzüglich. Anfangs
des 19.
mehr
Jahrhunderts verschwand es gänzlich; erst unter dem Schutz der neuen Jagdgesetzgebung stellte es sich wieder ein und ist
nun, trotzdem es ganz unweidmännisch mit Braken gejagt wird, als ziemlich häufig anzusprechen. Es werden jährlich, hauptsächlich
in Obwalden,
etwa 6-10 Stück erbeutet. Wilderer und zu verbotener Zeit jagende Hunde vertilgen zweifelsohne noch
mehr. Viel häufiger noch als das Reh ist die Gemse, die einen jährlichen Abschuss von 30-50 Stück aufweist.
Nachdem in Unterwalden schon in frühern Jahrhunderten stets grössere Schonreviere (Bannberge) bestanden hatten, wurde nach
Einführung des neuen eidg. Jagdgesetzes in den 1870er Jahren wieder ein Bannbezirk geschaffen. Er umfasst
jetzt das Gebiet Geissberg-Walenstöcke-Urirotstock, reicht von den Ufern der Melchaa im Melchthal bis Isleten am Urnersee und
umfasst Unterwaldner und Urner Gebiet. Es mögen in diesem Schongebiet 200-250 Gemsen stehen.
Feld- und Alpenhasen werden alljährlich ziemlich viel erlegt. Der Adler ist jetzt noch als Nist- und Standvogel anzusehen. 1904 wurde
ein Horst in Engelberg geplündert, 1906 das Ausnehmen eines solchen in der Risletenfluh (Gemeinde Sachseln)
glücklicherweise verpasst und 1907 dem gleichen Horst ein Junges entnommen. Es ist wirklich sehr zu bedauern, dass diesem
grössten Vogel unserer Berge so rücksichtslos zu allen Zeiten der Vernichtungskrieg gemacht wird.
Auf solche Weise wird diese Zierde der Alpen in absehbarer Zeit vernichtet sein, was um so mehr zu bedauern
ist, als der Schaden, den der Vogel bei seiner grossen Seltenheit und seinem weitausgedehnten Jagdrevier in Wirklichkeit anstiftet,
zweifelsohne ein sehr minimer ist. Schon längst verschwunden ist aus Unterwalden der Lämmergeier, während noch in neuerer
Zeit am Pilatus ein Geier erlegt wurde. Der grosse Uhu ist, wenn auch nicht häufig, doch noch ständiger Brutvogel.
Die Sperlingseule wurde ein einzigesmal beobachtet als Nistvogel. Auer- und Birkhühner verschwinden leider immer mehr; das
Rackelwild ist ein seltenes, doch sicher beobachtetes Vorkommnis. Als seltene, aber ebenfalls sicher beobachtete Gäste
sind überdies noch anzuführen: der Schreiadler, der Bienenfresser, der Seidenschwanz, die grosse Trappe, der Kranich und
die weisswangige Meergans. Der Storch, nach alten Ueberlieferungen früher hier nicht selten, ist ganz verschwunden, wie
sich überhaupt ein starkes numerisches Zurückgehen der gesamten Vogelwelt auffällig erkennbar macht.
An Reptilien zählt Unterwalden sieben Arten, unter denen die Kreuzotter äusserst selten und zwar nur
an der Bernergrenze in der Gegend des Jochpasses bis hinunter nach Gerschni und Herrenrüti beobachtet wurde. Häufiger als
man gewöhnlich glaubt, findet sich unter den Lurchen die Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), hierzulande wegen ihrer
metallisch klingenden Stimme «Glöcklikrot» genannt. Als sicher vorkommend
und sich fortpflanzend wurde im Alpnacherarm des Vierwaldstättersees schon mehrmals die Sumpfschildkröte (Emys europaea)
konstatiert. An Fischen ist Unterwalden, das ausser dem Vierwaldstätter-, Sarner- und Lungernsee noch mehrere kleinere Alpenseen
nebst vielen Bachläufen und zwei Flüssen in seinem Gebiet
zählt, ziemlich reich, indem sich 27 verschiedene Arten nachweisen
lassen. Im Vierwaldstättersee kommen mehrere Felchenarten vor, so der gewöhnliche Balchen (CoregonusSchinzii helvelicus), dann Weiss- und Edelfisch und sporadisch auch der Zugerrötel.
Zeitweise bilden hier die Coregonen das Hauptfangobjekt. Längs dem Bürgen- und Lopperberg sind sehr stark besuchte Balchenlaichplätze
vorhanden. Den Sarnersee belebt, aber nicht häufig, der Balchen, sowie eine dem Edelfisch (CoregonusWartmanni nobilis) des Vierwaldstättersees nahestehende, aber nach Fatio doch wieder etwas verschiedene Form. Nach dem gleichen
Forscher beherbergt der Lungernsee den Albock (Coregonus Wartmanni alpinus), welcher der im Thuner- und Brienzersee vorkommenden
Art sehr nahesteht. Im Seefeldseelein (1900 m) auf Boden der Gemeinde Sachseln haben die Trüschen wahrscheinlich
den höchsten Standort in der Schweiz. Es werden aber keine grössern als höchstens 800 gr schwere gefangen. Sie unterscheiden
sich von den Trüschen der Thalseen einzig dadurch, dass sie im Vorsommer mit Vorliebe an ganz seichten Stellen sich tagelang
sonnen. Zu bemerken bleibt, dass der Seefeldsee wenigstens während 6 Monaten ununterbrochen zugefroren
ist.
8. Bevœlkerung.
Unterwaldens Bevölkerung ist alemannischen Ursprungs. Einzelne Wortformen, speziell auf dem Gebiet der Viehzucht und Milchwirtschaft,
könnten vielleicht darauf hindeuten, dass vor den Alemannen schon ein Volk romanischen Stammes in Unterwaldens Gauen sesshaft
gewesen war oder doch seinen Einfluss bis hieher geltend machte. Die jetzt gesprochene Mundart ist ein
Zweig des Alemannischen und unterscheidet sich im Kanton selbst nahezu in jeder Gemeinde wieder auffällig, so dass ein geübtes
Ohr in Obwalden
wenigstens 5, in Nidwalden
3 Dialektformen unterscheiden kann.
Natürlich verwischt die neue Zeit diese Details immer mehr. Unterwalden als ein hauptsächlich und früher ausschliesslich
Viehzucht treibendes Land war von jeher nur mässig bevölkert, und es ist anzunehmen, dass die Vermehrung der Bevölkerung
stets eine langsame war. Stark zugenommen hat die Bevölkerung in den Dörfern, gleich geblieben oder eher zurückgegangen
ist sie auf dem Land, besonders nach der obern Grenze hin, wo sozusagen alle die jetzt existierenden
Heimwesen schon vor Jahrhunderten bewohnt waren, die entlegendsten sogar zahlreicher als jetzt. Auch rafften Kriege und Seuchen
in vergangenen Zeiten öfters so viele Opfer dahin, dass man annehmen muss, die Bevölkerung sei schon dazumal nicht sehr
erheblich geringer gewesen als jetzt. Die früheste Volkszählung datiert von 1815 und ergab eine Bevölkerung
von 21000 Seelen. Spätere Zählungen ergaben:
Eine Erklärung zu diesem langsamen Bevölkerungszuwachs gibt uns auch die eidg. Statistik über Ehe und Geburt für
den Zeitraum 1871-1890. Auf je 1000
mehr
unverheiratete Männer im Alter der Ehefähigkeit heirateten in Nidwalden
44 (19. Rang der Kantone) und in Obwalden
37 (23. Rang). Nur Wallis
und Uri
zeigen
noch geringere Zahlen. Auf je 1000 lebende Personen entfallen jährlich Geburten: in Nidwalden
30,8 (13. Rang der Kantone) und in Obwalden
27. Hinter
diesen Zahlen stehen nur noch Graubünden
und Genf
zurück. Auf je 1000 lebende Personen sind verheiratete Frauen: in
Nidwalden
105 (20. Rang) und in Obwalden
96 (letzter Rang).
Dafür aber dauern die Ehen lange: in Obwalden
durchschnittlich 28,1 Jahre (länger nur im Tessin
mit 28,4 Jahren) und in Nidwalden
22,8 Jahre.
Ebenso sind die Ehen ziemlich kinderreich, und es stehen in dieser Beziehung Nidwalden
mit 5,2 Kindern im 9. Rang und Obwalden
mit durchschnittlich 5 Kindern
im 13. Rang. Ebenso scheinen die Kinder lebenskräftig zu sein, denn Nidwalden
steht mit 1% Totgebornen an 1. Stelle und Obwalden
mit 1,6% an 2. Stelle
unter allen Kantonen. Die spärlichen Eheschliessungen sind nicht etwa nur auf Mangel an gutem Willen zurückzuführen, sondern
hier macht sich auch der Umstand geltend, dass gerade unter den jungen Männern die Auswanderung (nicht nur nach Amerika,
sondern besonders auch nach Deutschland als «Stallschweizer») unheimliche
Dimensionen angenommen hat. Aus Amerika kommt ein verhältnismässig kleiner Prozentsatz wieder heim;
viele beschliessen dort ihre Tage, besonders in Brasilien, wohin sich viele Obwaldner wandten.
Im Ganzen ist das Unterwaldner Volk ein gesunder Stamm. Man trifft viele alte Leute noch relativ rüstig und gesund. Verheerende,
bezw. ansteckende Krankheiten sind jetzt sehr selten. Im 16. und 17. Jahrhundert wütete der schwarze
Tod wie überall in der Schweiz; im 18. und 19. Jahrhundert trat hier und überhaupt in der Zentralschweiz unter dem Namen
«Alpenstich» öfters eine sehr ansteckende und sehr bösartige Pleuropneumonie
(Lungenentzündung) auf. Im Jahr 1834 überwogen in Unterwalden hauptsächlich infolge dieser Krankheit die Sterbefälle
die Geburten um 147. Besonders stark herrschte der Alpenstich auch 1846, in welchem Jahr in Engelberg
allein über 70 Personen daran starben.
Dr. Troxler in Luzern
schrieb damals: «Obschon in Unterwalden eine Verachtung der Todesfurcht herrscht wie bei alten
Völkern, so blieb dennoch die Verzweiflung nicht aus; man suchte durch feierliche Umzüge und öffentliche
Gebete den Zorn des Himmels zu beschwören».
Seit dieser Zeit ist die Krankheit nie mehr epidemisch beobachtet worden. Das
früher in Giswil, Alpnach und Stansstad endemische Wechselfieber ist seit mehr als 40 Jahren gänzlich erloschen.
Die Unterwaldner Volkstracht, einst eine der schönsten der Schweiz, verschwindet immer mehr und wird
durch geschmacklose moderne Kostüme ersetzt. Obwalden
und Nidwalden
haben sich von jeher in der Tracht besonders des weiblichen Teils scharf
unterschieden. Gemeinsam war im letzten Jahrhundert für die ledigen Personen nur der Haarpfeil, dessen eine Hälfte in breit-lanzenförmiger
Form mit Filigran und Schmucksteinen reich verziert war. In diesen Filigranverzierungen hatten die Goldschmiede
viel Geschmack entwickelt, und man sieht da zuweilen ganz zierliche und reizende Muster.
Die Obwaldnerin trug zu diesem Haarpfeil weisse und die Nidwaldnerin rote
Haarschnüre. Kam die Obwaldnerin unter die Haube
und wurde sie Frau, so trug sie bis gegen 1850 wortgemäss die «Haube», einen doppelteiligen, aus weissen
Spitzen gewobenen und ziemlich grossen Kopfschmuck; später ein aus schwarzen Spitzen ohne ausgesprochenen Charakter verfertigtes,
den Kopf bedeckendes Häubchen. Die Frau in Nidwalden
hingegen trug nun einen Silberschmuck, den man «Haarnadel»
nannte, der aber keine Nadel ist, sondern aus zwei grossen ovalen, der Hinterseite des Kopfes anliegenden Silberblechen
besteht.
Wenn auch nicht so schnell wie jetzt, wechselte die Mode doch stets. Anfangs des 19. Jahrhunderts trugen Mädchen und Frauen
riesige, ganz flache und oben mit Blumen verzierte Strohhüte, sog. «Schwefelhüte», und dazu ein Nestelmieder
und um den Hals ein vielfach gefälteltes, farbenreiches seidenes Halstuch, das sich mit etwelcher Formveränderung
bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hielt. Ende des 18. Jahrhunderts war ein aus Filz gefertigtes sog. Dreiröhrenhütchen
Mode.
Die Tracht der Männer war immer einfacher, aber ebenfalls malerisch. Kurze Hosen, Kniestrümpfe und Schnallenschuhe, ein Bauchgurt
aus verziertem Leder, eine «Länderli» genannte farbige (meistens grellrote) Weste,
für das Festkleid ein langer, für gewöhnlich aber ein ganz kurzer Rock (der sog. Mutzentschoppen),
der dem gerade waltenden Geschmack da oder dort etwas angepasst erschien, behaupteten sich bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.
Merkwürdigerweise trugen Anfangs des 19. Jahrhunderts auch die Männer am Sonntag einen mit Bändern und Blumen verzierten
Strohhut. Jetzt hat die Tracht der internationalen Mode alle Konzessionen gemacht: der weibliche Teil
richtet sich mehr oder weniger nach dem Modejournal und einer zweifelhaften Schneiderinnenphantasie, der männliche folgt
dem Geschmack des nächsten Kleidermagazins. Bauernburschen tragen bei festlichen Anlässen noch eine mit Stickerei verzierte
Bluse und einen flachen runden Tätschhut.
Abgesehen von den Dorfschaften ist ganz Unterwalden sehr zerstreut besiedelt. Nach altalemannischem Brauch
wohnt der Bauer nahezu immer auf seiner Liegenschaft, und so kommt es, dass das ganze Land bis auf die Höhe von durchschnittlich 800 Meter
mit Einzelgehöften übersät ist. Das höchstgelegene bewohnte Heimwesen, der «Dossen»
in der Gemeinde Alpnach, liegt in 1400 Meter Höhe. Ein vollständiges Gehöfte bestand früher aus Haus
und Scheuer, jedes unter eigenem Dach; meistens kamen dazu noch ein kleiner Speicher von oft sehr eleganter Bauart, ein Dörrofen,
in dem während des Herbstes das gesammelte Obst gedörrt wurde, und ein Schweinestall.
Jetzt steht der Dörrofen meistens verödet, dafür rumpelt im Tenn eine kleine Mosttrotte. Der älteste
bekannte Typus des Unterwaldnerhauses war ein flacher und schindelgedeckter Holzbau; später kam ein gemauertes und weiss
getünchtes Kellergeschoss dazu. Auch wurde das früher nur mit Steinen beschwerte sog. «Schwaardach» nach Aufkommen des genagelten
Schindeldaches etwas steiler und damit das ganze Haus freier, während die zu beiden Seiten breit ausladenden
Vorlauben dem Ganzen doch einen behäbigen und soliden Charakter geben. Damit bietet das Unterwaldner Bauernhaus ein ungemein
liebliches und stimmungsvolles Bild und trägt mit seinem
mehr
dunkelgebeizten warmen Holzton und der weissgetünchten hellleuchtenden Kellermauer in die sattgrüne Unterlage hineingestreut
sehr viel zur Belebung und Verschönerung des Landschaftsbildes bei.
Geselliges Leben und öffentliche Lustbarkeiten in Unterwalden unterscheiden sich nur wenig von denen anderer Kantone. Im
Winter bilden Liebhabertheater und -konzerte einen Vereinigungspunkt. Auf diesem Gebiete wurde in Unterwalden,
speziell Nidwalden
von jeher Bedeutendes geleistet. Die Theatergesellschaften von Stans und Buochs haben einen guten Klang bis weit über
die Kantonsgrenzen. Besonders die Aufführungen der patriotisch-volkstümlichen Stücke des verstorbenen Pfarrers Jos. Ign.
von Ah von Kerns brachten ihnen weit-herum verdiente Anerkennung. Im Herbst bieten Anlass zu froher Festlichkeit
die verschiedenen Kirchweihen, vor Allem die Schützen- und Aelplerkirchweihen.
Besonders die letztern mit ihren zahlreichen Beamten und dem altmodischen Aufputz nebst «Wildmann»
und «Wildwib» bringen die Festwogen in kräftiges und oft bis 2 Tage währendes
Branden. Dem Schwingen und den Schwingfesten, einer alten aber zeitweise etwas vernachlässigten Volksbelustigung, wird
seit etwa 15 Jahren hauptsächlich durch die Bemühungen des Schwingerverbandes wieder grosse Sympathie
entgegengebracht. Unterwalden stellt fast für jedes ausserkantonale Schwingfest einige Vertreter, und im Kanton selbst werden
alljährlich einige Schwingfeste abgehalten, die immer eine zahlreiche Zuschauerschaft herbeiziehen.
Von Festanlässen vergangener Zeiten haben sich nebst andern auch noch in die neue Zeit hinübergerettet:
in Obwalden
das «Bot» in Kerns, der Ueberrest der alten Meisterzunft von Sarnen und Kerns, die bei ihrer Auflösung 1875 ihr Zunftvermögen
dem Krankenverein übergab, aber die Erinnerung an die alte Meisterherrlichkeit noch durch ein alljährlich stattfindendes
Nachtessen mit Tanz aufrecht erhielt; in Nidwalden
die Gesellschaft des «grossen
und unüberwindlichen Rathes», eine fröhliche Vereinigung, die ihren Ursprung vom Söldnerzug des «Tollen Lebens» im 15. Jahrhundert
herdatiert und unter ihrem selbstgewählten Magistrat nach uraltem Zeremoniell alljährlich am fetten Donnerstag in Stans
bei Nachtessen und Tanz ihre Festfeier abhält.
9. Landwirtschaft und Viehzucht.
Unterwalden war früher sozusagen ein ausschliesslich Landwirtschaft treibender Kanton und noch heutigen
Tages ist die Landwirtschaft auf dem Erwerbsgebiet der wichtigste Faktor, fallen doch in Obwalden
auf 4941 in einem Beruf tätige
Männer 3051 in Viehzucht und Landwirtschaft Tätige und in Nidwalden
auf 3972 Berufstätige deren 1933. Der Ackerbau, der vor 300-400
Jahren noch sehr bedeutend war, ist jetzt sozusagen ganz verschwunden, nachdem er Anfangs der 50er Jahre
des 19. Jahrhunderts nach Verteilung der Allmenden an die Korporationsbürger noch etwelches Aufleben gezeigt. An seine Stelle
ist nun nahezu reine Wiesen- und Weidewirtschaft getreten.
Grosse zusammenhängende Liegenschaften sind hier selten, indem das Höchstmass 50 ha nirgends übersteigen
mag; dagegen gibt es viele kleine, zerstückelte Grundbesitze. Der Graswuchs ist ein vorzüglicher und kräftiger. Hermann
Christ, der bekannte Botaniker, sagt
in seinem Buch Ob dem Kernwald schon 1869, er erinnere sich nirgends schönere, grünere
Matten gesehen zu haben als in Obwalden.
Bessere Wiesen als im Stanserboden existieren in der Schweiz jedenfalls nirgends;
von den besten werden jährlich 4 Erträge eingeheimst, von den mittelmässigen 3, und nur ganz hoch gelegene oder sonst
schlechte Wiesen geben bloss 1-2 Erträge. Der Preis ist denn auch ein hoher und steigt in den besten Lagen bis auf 2 Fr.
per Quadratmeter. Ein ziemlich bedeutendes Nebenerträgnis ab den Wiesen liefert der Obstbau, der in Unterwalden
sehr intensiv betrieben wird und infolge des milden Klimas ausgezeichnet gedeiht. So entwickelt sich hier z. B. der weisse
Winterkalvill in günstigeren Lagen zu prachtvollen Exemplaren.
Unterwalden hatte schon früher vorzügliche Obstsorten, und in der neuen Zeit wird dem Tafelobst besondere
Aufmerksamkeit geschenkt und der Anbau von Mostobst eher etwas eingeschränkt.
Von der grössten Bedeutung für das Land sind die Alpweiden. Obwalden
besitzt deren 290 mit einem Kapitalwert von rund 5500000 Fr.;
224 davon
gehören Korporationen oder «Teilsamen» und 66 Privatbesitzern an.
Nidwalden
besitzt 166 Alpen mit einem Kapitalwert von rund 3900000
Fr.;
hievon gehören 55 Korporationen oder Genosssamen und 111 Privatbesitzern an.
Auf dem Gebiete der Alpwirtschaft wurde
in den letzten Jahren vieles verbessert;
immerhin ist für eine weitere verbessernde Tätigkeit noch auf lange Zeit hinaus
ein weites Feld offen.
Die Unterwaldner Alpen liegen zwischen 1000 und 1900 m Höhe und sind in ihrer grossen
Mehrheit gutgräsig, was schon daraus hervorgeht, dass etwa 1½ ha eigentliches Weideland für einen Stoss von etwa 90 Weidetagen
genügen. (Stoss oder, wie sie in Unterwalden genannt wird, eine Kuhschweere ist die Bezeichnung der Einheit einer erwachsenen
Kuh in der Weide; 3 kleine oder zwei ältere Rinder oder auch sieben Ziegen = eine Kuhschweere). In den
obern Alpen wird aber überall über eine merkliche Verwilderung und Verschlechterung der Weiden geklagt. Für sämtliches
Rindvieh sind auf den Alpen Stallungen vorhanden. Während der Weidezeit von Anfangs Juni bis Ende September wird die Weide
2-5mal gewechselt.
Einen wichtigen Faktor in der Unterwaldner Landwirtschaft bedeutet auch die Allmend. Früher ausschliesslich
gemeinsame Weide, dient sie jetzt nur mehr teilweise diesem Zweck. Ihr grösserer Teil ist in Parzellen von 200-350 Aren
abgeteilt und wird unter die männlichen und weiblichen Mitglieder zu lebenslänglicher Nutzung verlost. Diese Parzellen
sind jetzt fast durchgehends mit Gras angesät, nur ein kleiner Teil noch mit Ackerfrüchten. Bergheimwesen
liegen zwischen Thalgut und Alp, sind nicht ständig bewohnt und dienen teils vor der Alpfahrt zur Weide, teils wird der Heuertrag
im Winter dort verfüttert. Während diese sog. Bergheimen früher sehr beliebt waren und jeder grössere Bauer eines zu
erwerben strebte, sind selbe jetzt im Wert ungemein gesunken. Das selbe gilt auch für die vom Zentrum
ganz weit abliegenden das ganze Jahr bewohnten Heimwesen. Im gleichen Verhältnis ist der Preis der nahe am Dorf liegenden
Heimwesen sehr stark gestiegen.
Den Hauptanteil an der Viehzucht hat die
mehr
Rindviehzucht, wie aus den jeweiligen Viehzählungen zur Genüge hervorgeht. Der gesamte Viehstand betrug:
Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass Rindvieh und Schweine besonders in den letzten 10 Jahren sehr stark zugenommen, dagegen
Ziegen eine grosse und Schafe eine sehr grosse Verminderung erlitten haben. Die Anzahl der Pferde weist
seit 40 Jahren keine bedeutende Veränderung auf. Die gleichen Verhältnisse zeigen sich überall in den Gebirgsgegenden.
Die Ziegen gehen hauptsächlich zurück, weil infolge allgemein besserer Verhältnisse statt derselben vielerorts Kühe gehalten
werden können; sicher nicht so sehr, wenn auch schon etwas ist an ihrem Rückgang die strenge Waldpolizei
schuld.
Die Schafe vermindern sich hauptsächlich, weil selbstgesponnenes und selbstgewobenes Zeug nicht mehr gebräuchlich ist. Bei
den gegenwärtigen Fleischpreisen wäre aber ihre Haltung sicher lohnend. Glücklicherweise hat sich beim Rindvieh nicht
nur die Quantität, sondern auch die Qualität stark verbessert. Unterwalden züchtet ausschliesslich Braunvieh und zwar
in einer Qualität, die zwar das Stammland dieser Rasse, den Kanton Schwyz,
noch nicht auf der ganzen Linie erreicht,
ihm aber doch sehr nahe kommt.
Obwalden
züchtet mehr Jungvieh und betreibt ausgedehnte Nachzucht, Nidwalden
intensivere Milchwirtschaft. Wenn schon weniger als früher, so
werden doch noch viel Jungrinder nach Italien verkauft. Milchkühe gehen sehr zahlreich nach Spanien;
auch deutsche Milchkuranstalten und die Milchwirte der Schweiz kaufen mit Vorliebe das robuste und milchreiche Unterwaldnervieh.
An der Verbesserung des Viehschlages wurde schon vor bald hundert Jahren durch Verabreichung von Viehprämien von Staats-
und Gemeindewegen gearbeitet; so zahlte Kerns schon im Jahr 1810 Viehprämien aus. 1853 schrieb die obwaldnerische
Verordnung über Viehprämien vor, dass der erstprämierte Hengst einen Wert von 550 Fr. haben müsse. Gegenwärtig wird die
eidg. Deckstation in Sarnen mit Hengsten besetzt, wovon einzelne 20000 und noch mehr Fr. kosten.
Den Hauptanteil an der Verbesserung der Rindviehzucht verdankt man hier wie überall den Zweigverbänden der
schweizerischen Braunviehzuchtgenossenschaft, deren
Unterwalden gegenwärtig 10 besitzt. Für diese Zuchtgenossenschaften
und für allgemeine Prämierungen werden an Bundes- und kantonalen Beiträgen jährlich ausbezahlt: in Obwalden
9000-10000 und in
Nidwalden
7000-8000 Fr. Auch in Unterwalden mehrt sich der Konsum der frischen Milch erfreulicherweise von Jahr zu Jahr, aber doch
wird jährlich noch ein grosses Quantum Milch zu Käse verarbeitet.
Aus den alten Zinsrodeln geht hervor, dass im 15. und 16. Jahrhundert nebst «Süsskäse»
hauptsächlich Zieger aus der Milch hergestellt wurde. Später gewann dann die Käsefabrikation eine immer grössere Bedeutung,
und zwar wurde hauptsächlich der sogenannte Spalen- oder Sprinzkäse im Gewicht von 20-28 kg per Laib
hergestellt, ein gut gesalzener Fettkäse von vorzüglichem Geschmack. Er hält sich Jahre lang, wird bis ins vierte Jahr
immer besser und wird grösstenteils nach dem Ausland, hauptsächlich nach Italien exportiert.
Magadino am Langensee war früher der Hauptstapelplatz, wo zu Zeiten der zwei grossen Märkte jeweilen bis auf 40000 Stück
von diesem Käse aufgestapelt lagen. Woher der Name Sprinzkäse kommt, ist unklar; Spalenkäse wurden sie deswegen genannt,
weil man sie in Fässern, sog. Spalen, über den Gotthard spedierte. Nebst diesem Käse scheint besonders Beckenried früher
noch als Spezialität einen Schabzieger oder Kräuterkäse verfertigt zu haben. Auch jetzt noch wird
eine andre Spezialität ziemlich viel hergestellt, der sog. Bratkäse, ein ganz fetter und weicher, 2-4 kg schwerer Käse,
der am Kohlenfeuer geschmort und verzehrt wird, sobald die oberste Schicht weich geworden. Das Hauptprodukt aber ist der
Spalenkäse, der sowohl als Handkäse gegessen als auch zum Kochen und Würzen von Speisen verwendet wird.
Ein grosses Quantum Milch absorbiert auch Nachzucht und Kälbermast. Es werden an Zuchtkälber für etwa 600000 Fr. und an
Mastkälber für 900000 Fr. Milch verfuttert. Das Gesamterträgnis aus der Milchwirtschaft mag sich für Unterwalden auf
rund 5¼ Mill. Fr. belaufen. Der Wert des gesamten Viehstandes belief sich 1901 auf 7664617 Fr., nämlich
Obwalden
4495267 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 294 Fr.) und Nidwalden
3169350 Fr. (auf den Kopf der Bevölkerung 242,5 Fr.). Einzig Luzern,
Freiburg
und Graubünden
verzeichnen
einen grössern Wert per Kopf der Bevölkerung.
10. Wald- und Baumwirtschaft.
Trotz seines Namens ist Unterwalden an Wald nicht übermässig reich. Bei einer Gesamtbodenfläche von
765,3 km2 nehmen die Waldungen 191,45 km2, d. h. etwa 25% ein. Hiervon entfallen auf Obwalden
121,95 km2 und auf Nidwalden
69,50 km2.
Wenn nun schon erst die neuere Zeit eine wirkliche Forstpolizei und gehörige Waldpflege kennt, so wurden doch schon in frühern
Jahrhunderten den Wäldern grosse Aufmerksamkeit und auch eine gewisse Pflege zuteil. Schon vor 250 Jahren findet man in den
Forstprotokollen Bemerkungen, wie «dass meine gnädigen Herrn es bedenklich finden,
dass so unachtsam geholzt werde, wegen einbrächenden Wassergüssen und Rübenen»; oder sie befürchten, «dass
die Nachkommen Holzmangel haben könnten, wenn mann fürderhin so brüchlich verfahre in den Wäldern».
Viel und oft wird der Holzschlag wenigstens auf dem Papier geregelt und der Weidgang im Wald verboten. Ja, Lungern befiehlt
1673, «dass allen Ziegen zur Verhütung von Waldschaden»
«im Unterküfel die Zähn ausgezogen werden» (gewiss ein radikales Vorgehen). Als Universalmittel wird je und je der «Bann»
angewendet, d. h. es wurde in gewissen, namentlich den höher gelegenen Wäldern der Holzschlag gänzlich untersagt. Bis 1750 war
überhaupt in Obwalden
all und jeder Holzverkauf ausserhalb des Landes verboten und in Nidwalden
die Ausfuhr nur ganz gering. 1760 hält
die Gemeinde Giswil «bittlich» an, man möchte den Glasbrennern im Flühli einen Waldkomplex zu verkaufen gestatten, aber «meine
gnädigen Herrn» finden das sehr bedenklich und es wird rundweg aberkannt.
Erst mit Anfang des 19. Jahrhunderts schlägt dieses exzessive Sparsystem ins Gegenteil um: grosse Verkäufe
finden statt, und es wird schonungslos massenhaft Holz geschlagen. Eine Schiffsbaufirma in Marseille kaufte 1833 den Wengenwald
am Pilatus und transportierte die besten Stämme daraus auf einer damals als etwas unmögliches angestaunten Rutschbahn
über tiefe Schluchten und Abhänge ins Thal. Am Alpnachersee wurde das Holz dann in kleine Flösse verbunden
und nun die Reuss und den Rhein hinunter spediert.
Schon 1811 hatte ein Holzhändler aus Württemberg den Neubrüchliwald durch eine aus Balken hergestellte und über 8 km
lange Rutschbahn ausgebeutet. Eine Gemeinde verkaufte gleich 10000 Klafter Holz miteinander. 1857 wurde in Obwalden
ein Gesetz zur
Verhütung schädlichen Holzschlages erlassen und darin das Prinzip aufgestellt, dass zu jedem grössern
Schlag eine regierungsrätliche Bewilligung notwendig sei. Nidwalden
erliess später eine gleiche Verordnung. Unter dem Einfluss
des eidg. Forstgesetzes ist jetzt für alle Gemeinden Unterwaldens ein Wirtschaftsplan aufgestellt, der Holzschlag streng
geregelt und für ausgibige Aufforstung und Anpflanzung gesorgt. Obwalden
und Nidwalden
haben je einen Kantonsförster mit
der nötigen Anzahl Bezirksförster und Bannwarte.
Unter den Laubhölzern des Waldes ist am wichtigsten die Buche und unter dem Nadelholz die Rottanne (Fichte). Die Buche geht
bis auf 1200, die Fichte ausnahmsweise bis auf 1700 m Höhe; erstere gedeiht am freudigsten auf Kalkunterlage,
aber beide gedeihen auch noch auf Flysch recht gut. Nicht allein die Ueberlieferung sondern auch direkte Tatsachen sprechen
dafür, dass vor Zeiten der Waldgürtel höher hinauf ging als heute. Auf Melchsee z. B. kamen
früher sogar noch sehr starke
Tannen vor, wie es deren Wurzelstöcke im Boden jetzt noch beweisen.
Jetzt ist in diesem Hochthal schon längst aller Baumwuchs verschwunden. Das Zurückgehen der Waldgrenze
lässt sich besonders deutlich beobachten auf dem Grenzgebiet zwischen Unterwalden und Luzern,
den obersten Gräten des Schwendiberges,
wo der oberste Teil des Waldes stellenweise nur mehr aus absterbenden und abgestorbenen, verkümmerten Tannen besteht. Es soll
dies noch zusammenhängen mit jenem furchtbaren Hagelschlag, der diese Gegend im Jahr 1861 heimsuchte
und von dem sich die höchstgelegenen und am meisten ausgesetzten Wälder nie mehr ganz erholten.
Ueberall aber wo der Wald noch gedeiht, zeigt er sich, besonders im Gebirge, in seiner imposantesten Majestät, indem gerade
in Unterwalden wahre Riesenbäume vorkommen. Jene gigantischen Buchen und Tannen, wie sie Dr. Christ in
seinem Buch Ob dem Kernwald noch 1869 nach Beobachtungen im Sakramentswald bei Giswil schilderte, sind zwar verschwunden, aber
einzelne beachtenswerte Bäume kommen immer noch da und dort vor. So steht eine gewaltige Buche im Wald nahe oberhalb dem Zollhaus
am obern Ende des Sarnersees.
Einige prächtige Exemplare von Tannen finden sich noch in den Wäldern der Korporation Schwendi, ebenso ein Riesenexemplar
in der Alp Blumatt ob Stans. Nur vereinzelt, aber doch sehr zahlreich und in oft prachtvollen Vertretern kommt der Bergahorn
vor; bekannt ist der grosse Ahorn in der Alp Ohr im Melchthal, der in einer Höhe von einem Meter über der
Erde einen Stammumfang von 11 m zeigt und als einer der grössten Bäume der Schweiz gilt. Ein ähnliches, etwas kleineres Exemplar
steht in Nieder Rickenbach (Nidwalden).
Während die Eibe noch relativ häufig vorkommt, ist die Arve sozusagen nirgends
selbständig vorhanden, obwohl sie in den künstlichen Aufforstungen, bei Bachverbauungen u. s. w. vorzüglich gedeiht. Gleich
in der Nachbarschaft Unterwaldens steht am Engstlensee (Ober Hasle) ein Wäldchen sehr schöner Arven.
Von weitern Nutzbäumen beherrscht das Pflanzenbild besonders der Nussbaum, dieser typische Vertreter eines milden Klimas,
der früher noch häufiger als jetzt in Unterwalden vorkam. Haben auch Möbelschreinerei und vor allem
Gewehrschaftfabrikation barbarisch mit diesem langsam wachsenden, teuern Holz aufgeräumt, so findet man
(Kanton). Errata. Seite 250, Spalte I, unten. Das Wappen des Halbkantons Nidwalden
enthält
nicht zwei gekreuzte Schlüssel, sondern einen doppelten vertikalen Silberschlüssel auf rotem Feld. Siehe die Seite mit den
richtig gestellten Wappen am Ende des Supplements.
Auch Nidwaldens betriebstätige Bevölkerung ist zu mehr als 50% in der Landwirtschaft tätig; aber es
sind nicht 59,1%, sondern nur 53,6%. Dafür sind in der Industrie mehr Personen beschäftigt. Der Handel ist in beiden Halbkantonen
relativ gleich stark vertreten. Der Anteil der weiblichen Personen beträgt 42,5%.
Urproduktion. In Steinbrüchen arbeiteten 18 Personen, in der Zement- und Gipsfabrikation in 6 Betrieben 272 Personen.
Diese Branche fehlt in Obwalden.
Landwirtschaft. Es waren tätig in der Branche in
Betr.
Pers.
davon weibl.
Landwirtschaft ohne Spezialität
720
2073
922
Landwirtschaft mit Alpenwirtschaft
114
618
223
Landwirtschaft mit Viehzucht
161
598
251
Käsefabrikation und Sennerei
87
103
6
Alpwirtschaft allein
15
35
-
Landwirtschaft mit Bienenzucht
18
62
29
Uebrige Gruppen
88
106
36
Total
1203
3595
1467
Forstwirtschaft
38
130
-
mehr
Industrie und Handwerk.
Betr.
Pers.
davon weibl.
Baugewerbe
213
595
29
Textilindustrie
418
490
453
(davon Heimarbeit)
399
409
405
Kleidung und Putz
238
404
279
Lebens- und Genussmittel
43
125
39
Glasfabrikation etc.
3
78
4
Uebrige Gruppen
48
93
5
Total
963
1785
809
Auch in Nidwalden
ist im Baugewerbe die Parketterie, Schreinerei und Zimmerei stark vertreten: 93 Betriebe mit 226 Personen,
dazu Sägerei mit 17 Betrieben und 67 Personen;
im Hochbau (Baugeschäften) gab es 6 Betriebe mit 85 Personen.
Die Maurerei
zählte in 12 Betrieben 37 Personen; die übrigen Zweige des Hochbaus beschäftigten insgesamt 180 Personen.
Die Textilindustrie ist wesentlich stärker besetzt, als in Obwalden.
Es gab
Betr.
Pers.
davon weibl.
Seidenstoffweberei (meist Heimarbeit)
360
372
364
Seidenspinnerei und Zwirnerei (davon 31 Heimarbeitsbetriebe)
33
73
48
Sonstige Textilindustrie
25
45
41
Kleidung und Putz beschäftigten im ganzen in 238 Betrieben 404 Personen und zwar in
Betr.
Pers.
davon weibl.
Schuhmacherei
46
117
23
Damenschneiderei
74
114
114
Wäscherei und Glätterei
18
50
50
Herrenschneiderei
23
37
16
Strohhutfabrikation (lauter Heimarbeit)
29
31
31
Die übrigen Branchen sind ohne grossen Belang.
Im Lebens- und Genussmittelgewerbe sind zu nennen 14 Metzgereibetriebe mit 40 Personen und 22 Bäckerei-
und Konditoreibetriebe mit 60 Personen. Ferner gab es 1 Glasfabrik mit 77 Personen, 9 Schmieden mit 24 Personen, 8 Wagnereien
mit 13 Personen, 2 Druckereien mit 14 Personen, 7 Wasser- und Elektrizitätswerke mit 12 Personen.
Handel. Die am stärksten besetzten Betriebsgruppen sind:
Betr.
Pers.
davon weibl.
Wirtschaftswesen
111
818
540
Lebensmittelhandel
101
182
110
Mercerie und Quincaillerie
30
60
43
Rohprodukte u. Baumaterialien
33
55
5
Getränkehandel
22
25
9
u. s. w.
Das Wirtschaftswesen gliedert sich in folgende Zweige:
Betr.
Pers.
davon weibl.
Hôtels, Pensionen
77
743
488
(davon mit Restaurants)
64
400
295
Restaurants ohne Hôtels
29
67
46
Verkehr.
Betr.
Pers.
Berg- und Seilbahnen
7
88
Post
18
66
Telegraph und Telephon
10
25
Eisenbahnen
3
19
Dampfschiffahrt
9
12
Spedition und Fuhrhalterei
33
65
Uebr. Branchen
8
16
Total
88
291
Es sei auf die starke Besetzung der Branche Berg- und Seilbahnen aufmerksam gemacht.
In der Abteilung Oeffentliche Verwaltung, Rechtspflege, Wissenschaft und Kunst sind im ganzen - soweit Erwerb beabsichtigt
wird - 185 Personen beschäftigt. Verwaltung 15, Rechtspflege 5, Gesundheits- und Krankenpflege 43, Unterricht und Erziehung 91 (in 2 Anstalten).
Andre Wissenschaften und Künste 30, darunter 14 in Bildhauerei.
Heimarbeit. Betriebe 434 mit 446 (und zwar mit 4 Ausnahmen alles weibl.) Personen und fast alles Alleinbetriebe:
Personen
Seidenstoffweberei
359
Seidenspinnerei
32
Strohhutfabrikation
31
Stickerei
7
Strohflechterei
5
Uebrige Arten
12
Hausierhandelbetriebe gab es am 13 mit 7 männlichen und 6 weiblichen Personen.
Allgemeines. Die Verteilung der auf je 100 Ew. auf die einzelnen Abteilungen entfallenden Personen siehe
am Schluss des Art. Obwalden.
Ergebnisse der eidgenössischen Betriebszählung von 1905:
Betr.
%
Davon Alleinbetr.
Personen Total
%
Davon weibl.
Urproduktion
1990
53.9
173
5893
59.1
2378
Industrie
1201
32.5
667
1954
19.6
752
Handel
360
9.8
86
1607
16.1
1075
Verkehr
77
2.1
21
389
3.9
69
Oeffentliche Verwaltung
64
1.7
47
130
1.3
46
Total
3692
100.0
994
9973
100.0
4320
Der Kanton gehört zu den 9 Kantonen mit über 50% in der Urproduktion (Landwirtschaft) beschäftigten Personen, gleich wie
Nidwalden.
Obwalden
steht nach dem Anteil der im landwirtschaftlichen Betrieben tätigen Bevölkerung im 3. Rang unter allen
Kantonen. Der Anteil der weiblichen Personen beträgt 43,3%.
mehr
Im Folgenden mögen die mit zahlreicherem Personal besetzten Betriebe genannt werden.
Urproduktion. Hieher gehören 7 Steinbruchbetriebe mit insgesamt 99 Personen, davon 90 in Kalksteinbrüchen. In der Landwirtschaft
finden wir folgende Hauptbranchen:
Betr.
Pers.
davon weibl.
Landwirtschaft ohne Spezialgewerbe
1096
2923
1319
Landwirtschaft mit Alp Wirtschaft
600
2115
870
Landwirtschaft mit Viehzucht
84
303
133
Alpwirtschaft allein
46
94
7
Käsefabrikation und Sennerei
75
85
11
Uebrige Zweige
48
94
38
Total
1949
5614
2378
Forstwirtschaft
30
175
-
Industrie und Handwerk.
Betr.
Pers.
davon weibl.
Baugewerbe
261
851
30
Kleidung und Putz
637
637
494
(davon Heimarbeit)
417
257
245
Textilindustrie
189
182
167
(davon Heimarbeit)
177
166
162
Nahrungs- und Genussmittel
56
133
35
Metallindustrie und Maschinenfabrikation
39
81
7
Uebrige Gruppen
19
70
19
Total
1201
1954
752
Im Baugewerbe ist das Holzhandwerk (Schreinerei und Parketterie) stark vertreten mit 107 Betrieben und 403 Personen. Beinahe
¼ aller industriell Tätigen ist hierin beschäftigt. Dann folgt mit 11 Betrieben und 158 Personen der Hochbau. Die übrigen
Branchen des Baugewerbes sind mit je 1-22 Betrieben und 1-54 Personen vertreten.
In Kleidung und Putz ist als wichtiger Zweig die meist hausindustriell betriebene Herstellung von Strohhüten zu nennen: 428 Betriebe
mit 271 Personen. Es sind ferner beschäftigt: in Damenschneiderei 105 Personen, Schuhmacherei 80 Personen, Herrenschneiderei 52 Personen,
Wäscherei und Glätterei 76 Personen. In der Textilindustrie ist die wiederum meist hausindustriell ausgeübte
Seidenstoffweberei
erwähnenswert: 175 Betriebe mit 166 Personen.
Nahrungs- und Genussmittelindustrien.
Betr.
Pers.
Bäckerei und Konditorei
30
81
Metzgerei
19
46
Uebrige Gruppen
7
6
In der Metallindustrie finden wir keine grossen Betriebe. Am meisten Personen (20 und 24) sind in 12 und 11 Betrieben der
Schmiederei und der Wagnerei tätig. Im graphischen Gewerbe sind zu erwähnen 3 Druckereien mit 14 Personen. In 7 Gas-, Wasser-
und Elektrizitätswerken arbeiten 30 Personen.
Handel. Ausser dem Hôtel- und Wirtschaftswesen sind alle Handelszweige schwach besetzt. Am meisten weist der Lebensmittelhandel
auf.
Betr.
Pers.
davon weibl.
Lebensmittel
98
133
94
Mercerie, Quincaillerie
39
71
65
Stein, Glaswaren
22
33
21
u. s. w. Hotellerie.
Gasthöfe, Pensionen
64
1123
740
(davon mit Restaurants)
32
361
260
Restaurants (ohne Hôtels)
50
143
111
Temperenzwirtschaften
4
10
9
Verkehr.
Betr.
Pers.
Eisenbahnen
10
165
Bergbahnen
2
68
Post
24
72
Telegraph und Telephon
9
22
Spedition, Fuhrhalterei
28
56
Verwaltung, Wissenschaft und Kunst, soweit damit Erwerb verbunden.
Betr.
Pers.
davon weibl.
Oeffentl. Verwaltung
6
9
4
Rechtspflege
3
2
-
Gesundheitspflege
37
45
16
Unterricht und Erziehung
5
46
24
Andre Wissenschaften
2
12
-
Künste
11
16
2
Heimarbeitsbetriebe. Von diesen werden viele neben einer andern Erwerbsart betrieben, z. B. mit
mehr
Landwirtschaft. Oft ist das in beiden Betriebe tätige Personal in der Landwirtschaft gezählt; daher kommt es, dass die
Zählung mehr Betriebe, als Heimarbeiter aufführt. Es waren
Betr.
Pers.
davon weibl.
Strohhutfabrikation
416
255
244
Seidenstoffweberei
171
161
157
Uebrige Branchen
10
9
7
Total
597
425
408
Hausierhandelbetriebe gab es am nur 3 mit 8 Personen. Zum Schlusse geben wir folgende Uebersicht:
Auf 100 Ew. entfielen im Jahr 1905 tätige Personen in
der 6. Kanton der Schweiz, grenzt im N. an den Vierwaldstätter See, im O. an den Kanton Uri,
im S. an Bern,
im W. an Luzern,
hat eine Fläche von 765,3 qkm und wird durch den Kernwald in die Halbkantone Obwalden
und Nidwalden
geteilt. Obwalden
oder ob dem Wald,
474,8 qkm, umfaßt das Gebiet der Sarner Aa und des Sarner Sees sowie die Hochthäler von Lungern und Engelberg,
Nidwalden
oder nid dem Wald, 290,5 qkm, das übrige Gebiet der Engelberger Aa und die Ufergelände des Vierwaldstätter Sees.
Bevölkerung.
1) Obwalden.
Der Halbkanton hatte 1880: 15 356, 1888: 15 043 (7515 männl., 7528 weibl.) E., darunter 335 Evangelische;
ferner 2402 bewohnte Häuser mit 3440 Haushaltungen in 7 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 13 144, in der übrigen Eidgenossenschaft
1500, im Auslande 399;
Bürger ihrer Wohngemeinde sind 10 231, einer andern Gemeinde des Kantons 2336, eines andern Kantons
2020, Ausländer 456. Der Muttersprache nach sind 14 702 Deutsche, 30 Franzosen und 300 Italiener.
Die Zahl
der Geburten (einschließlich Totgeburten) betrug 1895: 325, der Eheschließungen 94, der Sterbefälle 245. - 2) Nidwalden.
Der Halbkanton
hatte 1880: 11 992, 1888: 12 538 (6146 männl., 6392 weibl.) E., darunter 112 Evangelische;
ferner 1659 bewohnte Häuser
und 2884 Haushaltungen in 11 Gemeinden. Im Kanton geboren sind 10 371, in der übrigen Eidgenossenschaft 1610, im Auslande
557;
Bürger ihrer Wohngemeinde sind 7854, einer andern Gemeinde des Kantons 2295, eines andern Kantons 1773, Ausländer 616. Der
Muttersprache nach sind 12 116
mehr
Deutsche und 402 Italiener. Die Zahl der Geburten (einschließlich Totgeburten) betrug (1894) 371, der Eheschließungen 80,
der Sterbefälle 301. Wie die benachbarten Oberbasler (s. Hasli) sind die Männer schlank, aber kräftig und stark gebaut.
Erwerbszweige.
1) Obwalden.
Von der Fläche sind 399,4 qkm, d. i. 84,12 Proz., produktives Land: 109 qkm
Waldungen und 290,4 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland. Von dem unproduktiven Lande sind 10 qkm Gletscher, 11,3 Seen, 10,1
Flüsse und Bäche und 41,8 Felsen und Schutthalden. Nach der Viehzählung von 1896 hat der Halbkanton 208 Pferde, 11 046i Rinder, 3831 Schweine, 1925 Schafe, 5554 Ziegen
und 1535 Bienenstöcke. - 2) Nidwalden.
Von der Fläche sind 217,9 qkm, d. i. 75,01 Proz., produktives Land; 72 qkm
Waldungen, 145,9 Acker-, Garten-, Wiesen- und Weideland.
Von dem unproduktiven Lande sind 3,5 qkm Gletscher, 32,1 Seen und 34,4 Felsen und Schutthalden. Nach der Viehzählung von 1896 hat
der Halbkanton 176 Pferde, 8036 Stück Rindvieh, 2553 Schweine, 464 Schafe, 1323 Ziegen und 1415 Bienenstöcke.
Haupterwerbszweige sind Alpenwirtschaft, Viehzucht und Obstbau, in Obwalden
entwickelte Hausindustrie (Strohhüte, Seidengewebe);
Vieh, Käse und Holz die wichtigsten Ausfuhrartikel. Die Steinbrüche liefern Kalkstein, Gips und Schiefer.
Von Mineralquellen sind zu erwähnen die Eisenquelle von Schwendikaltbad in Obwalden
und die alkalische Schwefelquelle
von Rotzloch in Nidwalden.
Industrie (Parkettfabrikation) und Handel sind im Aufblühen; Bahnen sind die über den Brünig (s. d.), die
Pilatusbahn (s. d.), die Straßenbahn Stansstad-Stans, die Stanserhorn- und die Bürgenstockbahn, die Uferorte des Vierwaldstätter
Sees sind durch Dampfboote verbunden, gute Fahrstraßen durchziehen die Hauptthäler.
Verfassung. Die Landesgemeinde entscheidet über Gesetze, wählt den Landammann, ein Mitglied in den Ständerat,
den Regierungsrat, die Landschreiber u. s. w. Dagegen wird die vorberatende Behörde, in Obwalden
Kantonsrat (80 Mitglieder), in Nidwalden
Landrat
(je ein Mitglied auf 250 E.) genannt,in den einzelnen polit. Gemeinden gewählt. Die unterste richterliche Instanz ist in
beiden Halbkantonen das Friedensrichter- bez. Vermittelamt der Gemeinden, die höchste das Obergericht.
In den schweiz. Nationalrat und in den Ständerat wählt jeder Halbkanton je ein Mitglied. Hauptorte der beiden Halbkantone
sind Sarnen (Obwalden)
und Stans (Nidwalden).
In kirchlicher Beziehung gehört zum Bistum Chur; Ob- und Nidwalden
besitzen je drei Klöster. Neben den Primarschulen
bestehen ein Lyceum in Sarnen und ein Gymnasium in Stans sowie eine Klosterschule (Progymnasium) zu Engelberg,
in Nidwalden
4 Sekundärschulen. Militärisch gehört zum Stammbezirk der 4. Division. Das Wappen von Obwalden
ist ein von Silber und Rot geteilter
Schlüssel im rot und weiß quergeteilten Felde, von Nidwalden
ein silberner Schlüssel im roten Felde mit doppeltem
Schaft und Bart.
Geschichte. Der jetzige Kanton wahrscheinlich vom 7. Jahrh. an von Alamannen besiedelt
und schon seit der Mitte des 12. Jahrh.
in zwei Hälften geschieden, stand im 13. Jahrh. unter der gräfl. Gewalt der Habsburger, 1291 schlossen
Ob-und Nidwalden
mit Uri
und Schwyz
den Bund der drei Waldstätte, der die Grundlage der spätern Eidgenossenschaft bildete. 1309 erlangte
die Reichsfreiheit; der Einführung der Reformation stand es entschieden feindlich gegenüber.
In der Folgezeit teilte die Schicksale der Eidgenossenschaft (s. Schweiz) bis zu deren Umsturz 1795. Durch die helvet. Verfassung
ward es dem Kanton Waldstätten zugeteilt. Obwalden
unterwarf sich; Nidwalden
aber wollte die neue Ordnung nicht anerkennen
und ward nach heldenmütigem Kampfe von den Franzosen erobert und furchtbar verwüstet (Sept. 1798). Die Mediationsakte von 1803 und
der Bundesvertrag von 1815 setzten wieder in die Rechte eines selbständigen Kantons ein. Nidwalden,
das den neuen
Vertrag nicht annehmen wollte, wurde durch eidgenössische Truppen dazu gezwungen. Seither gehörte beständig der konservativ
ultramontanen Partei der Schweiz an; 1832 trat es dem reaktionären Sarner Bunde, 1845 dem Sonderbunde bei. Bei den Abstimmungen
von 1872 und 1874 über Revision der Bundesverfassung stimmten beide Halbkantone für Verwerfung. -
Vgl.
Gut, Der Überfall in Nidwalden
im J. 1798 (Stans 1862);