Titel
Turbinen
(vom lat. turbo, d. h. Kreisel) oder
Kreiselräder, im gewöhnlichen
Sinne diejenigen Wassermotoren, bei denen
das Wasser zur
Abgabe von
Arbeit durch
Kanäle (Zellen) läuft und gegenüber den Kanalwänden in
Bewegung
ist; im übertragenen
Sinne spricht man auch von Dampfturbine (s. d.) und Windturbine (s.
Windmotoren). Man teilt die Turbinen
nach der Wirkungsweise des Wassers in
Aktions- oder Druckturbinen
, welche nur durch die lebendige
Kraft
[* 3] des Wassers bewegt werden, und in Reaktions- oder
Überdruckturbinen, bei denen neben der lebendigen Kraft noch die
einer hydraulischen Pressung zur Wirkung kommt. Je nach dem Zufluß des
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Wassers zum Turbinenrad
unterscheidet man Achsialturbinen, bei denen das Wasser in der Richtung der Achse, und Radialturbinen
,
bei denen dasselbe in radialer Richtung durch die Turbinen
schaufeln fließt. Außerdem unterscheidet man Vollturbinen und
Partialturbinen
, je nachdem der volle Kreisumfang oder nur ein Teil des Turbinen
rades beaufschlagt wird. Bei allen neuern
Turbinen
systemen wird jede Stoßwirkung des Wassers vermieden. Als die einfachste Radialturbine kann
das Segnersche Wasserrad
[* 5] oder Reaktionsrad
[* 6] (s. Tafel: Turbinen
,
[* 4]
Fig. 7) angesehen werden.
Dasselbe ist ein auf vertikaler Welle A über X drehbarer Cylinder BC mit zwei seitlichen Röhrenabzweigungen G und F; das bei B durch das Gerinne K zufließende Wasser strömt bei den Öffnungen G und F der Seitenröhren aus und veranlaßt die Drehung der Maschine [* 7] entgegengesetzt der Wasserausströmungsrichtung infolge der Reaktionswirkung des Wassers. Eine Verbesserung dieser einfachen Turbine ist diejenige von Whitelaw, auch die schottische Turbine genannt [* 4] (Fig. 8). Bei derselben erfolgt die Wasserzuführung durch ein Rohr B in axialer Richtung von unten her, und das Wasser ergießt sich aus zwei bis drei S-förmig gebogenen Röhren [* 8] A nach dem Abflußkanal, während die Röhren in entgegengesetzter Richtung ausweichen. Die erzeugte Umdrehungskraft wird von der bei C gelagerten vertikalen Welle beliebig abgeleitet.
Alle neuern Turbinen
erhalten für den Einlauf in das Turbinenrad
besondere Leitschaufeln,
die in den meisten Fällen in einem Ring je nach der Aufstellung und Art der Turbine seitlich um den Laufradkranz oder innerhalb
desselben oder auch über demselben angeordnet sind. Das am meisten verbreitete System für radial beaufschlagte Turbinen
ist das
von Fourneyron, welcher die erste rationell arbeitende Turbine 1827 verwendete. Das in einem Schacht zufließende
Wasser tritt durch einen feststehenden Leitschaufelkranz in tangentialer Richtung in das Schaufelrad, drückt gegen die gekrümmten
Schaufeln desselben und versetzt auf diese Weise das Rad und die Achse, auf der dasselbe sitzt, in Umdrehung.
Bei der amerik. Radialturbine, System Leffel
[* 4]
(Fig. 9), sind schwach S-förmig gewundene Leitschaufeln
angeordnet, die nach der zufließenden Wassermenge von oben her durch eine Zahnradübersetzung verstellbar sind. Die Wasserzuführung
erfolgt hier von außen, und das Laufrad dreht sich innerhalb des Leitrades. Tangentialräder nennt man solche Radialturbinen
,
welche nur an einer Stelle des äußern oder innern Umfangs vom Laufrad beaufschlagt werden; dieselben
arbeiten vielfach auch mit horizontaler Achse und werden bei hohem Gefälle und kleinen variablen Wassermengen verwendet.
Die Hauptrepräsentanten der Achsialturbinen sind die der Systeme Henschel-Jonval und Girard. Erstere sind Reaktions-, letztere Aktionsturbinen. Bei hohem Gefälle werden die Henschel-Jonval-Turbinen oft einige Meter über dem Unterwasserspiegel aufgestellt, wie [* 4] Fig. 14 zeigt, wo zwei Turbinen nebeneinander arbeiten. Das durch ein Rohr von oben zuströmende Wasser wird durch einen Leitapparat mit nach unten zu gebogenen Schaufeln in das darunter liegende Laufrad geführt, dessen Schaufeln nach der entgegengesetzten Seite gekrümmt sind, so daß sie dem mit einer gewissen Pressung an ihnen hinfließenden Wasserstrahl ausweichen. An das Radgehäuse schließt sich ein luftdicht verschlossenes Abflußrohr an, das bis unter den Wasserspiegel reicht.
Infolge dieser Anordnung wirkt die unter dem Laufrade stehende Wassersäule saugend, wodurch die unter der Unterkante des Turbinenlaufrades liegende Gefällhöhe bis zum Unterwasserspiegel noch ausgenutzt wird. Die Girardturbinen erhalten, wie die vorgenannten, entweder freien Zufluß von der Turbinenkammer, oder das Wasser wird, wie in [* 4] Fig. 12, durch eine Rohrleitung zugeführt. [* 4] Fig. 13 zeigt eine als Partialturbine gebaute Girardturbine; bei ihr wird nur ein Teil des Radkranzes beaufschlagt.
Die Umdrehungsgeschwindigkeiten der T.sind wesentlich höher als die der Wasserräder [* 9] im engern Sinne. Ihre Regulierung erfolgt auf die verschiedenste Weise. Vielfach wird ein mit Schlitzen versehener, außen verzahnter Ring über das Leitrad gelegt [* 4] (Fig. 12), welcher durch ein zweites kleines Zahnrad von oben her verstellbar ist und die Leitradzellen mehr oder weniger verschließt, oder es wird, wie in [* 4] Fig. 13, ein Kreisschieber angeordnet, der durch ein Zahnradsegment d mit einem Trieb von oben verstellbar ist, hierdurch eine größere oder kleinere Anzahl der Öffnungen des Leitrades b gegen den Zuführungskanal a absperrt und so das Laufrad c mehr oder minder beaufschlagt.
Bei manchen Turbinen sind die Leitradschaufeln selbst verstellbar [* 4] (Fig. 9); andere haben für jede Leitradschaufel einen besondern Schieber, der von oben her reguliert wird; noch andere werden reguliert durch Heben und Senken des Laufrades gegenüber dem Leitrad u. s. w. [* 4] Fig. 10 der Tafel stellt eine Kombinationsturbine, System Lehmann, von Queva & Comp. in Erfurt [* 10] mit einer Reguliervorrichtung durch vertikalen Kreisschieber dar. Das Leitrad a wird auf der einen Hälfte von oben, auf der andern von der Seite her beaufschlagt, und vor den seitlichen Öffnungen liegt der Schieber d, der mittels eines Zahnradgetriebes verstellbar ist. Um der in den Laufradschaufeln b eingeschlossenen Luft einen Ausweg zu ermöglichen, tragen die Radzellen seitliche Schlitze, welche mit den Luftauslaßventilen c in Verbindung stehen und dadurch die Ventilation der Turbine bewirken.
Die vertikale Achse des Laufrades kann in einem unter Wasser befindlichen Fußlager laufen; da aber die Schmierung desselben große Schwierigkeiten macht, zieht man vor, sie als hohle Achse um eine feststehende Spindel laufen zu lassen, wie in [* 4] Fig. 12 und 13. Der Stützzapfen (Fontainescher Oberwasserzapfen) rückt dann nach oben und wird meist in der bei e, [* 4] Fig. 13, dargestellten Weise ausgeführt, so daß das Schaufelrad mit der hohlen und über dem Zapfen [* 11] vollen Achse auf der feststehenden Spindel hängt. Auch finden über dem Wasser liegende Ringzapfen für volle Laufradwelle Verwendung.
Eine in Nordamerika [* 12] verbreitete Turbine zur Ausnutzung von Wasserläufen mit beträchtlichem Gefälle ist das sog. Peltonrad [* 4] (Fig. 6), bei dem das Aufschlagwasser dem um eine horizontale Achse mit hoher Tourenzahl drehbaren Laufrade in einer Röhrenleitung zugeführt wird und aus einer oder mehrern Düsen ausströmend an der Unterseite des Rades direkt gegen die eigenartig gestalteten Radschaufeln wirkt. Die ebenfalls mit horizontaler Welle arbeitenden neuern Motoren mit Löffelrädern von Escher, Wyß & Co. in Zürich [* 13] sind Girardturbinen mit freiem Austritt. Die Konstruktion der löffelartigen Schaufeln, welche ohne seitliche Wand sind, ermöglicht einen großen Nutzeffekt bei verschiedener ¶
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Stellung des Leitapparates, der durch einen automatischen Regulator [* 15] je nach dem Kraftbedarf eingestellt wird. Die [* 14] Fig. 11 zeigt einen solchen Motor für hohe Gefälle.
Die Wirkungsweise des Wassers in den Turbinen und die Schaufelformen für Lauf- und Leitrad sind in den [* 14] Fig. 1-5 veranschaulicht. [* 14] Fig. 1 u. 2 stellen einen radialen und einen tangentialen Schnitt durch das Lauf- und Leitrad einer achsial von oben beaufschlagten Druckturbine dar. An der Unterseite des Leitapparates L tritt das Wasser mit einer der ganzen zu Gebote stehenden Druckhöhe entsprechenden Geschwindigkeit c in der dem Leitschaufelwinkel α entsprechenden Richtung aus, würde sich bei festgehaltenem Turbinenlaufrade T längs der Schaufel in einem rechts freien Strahle (dem relativen Wasserwege AB) bewegen und auf der Unterseite des Laufrades mit der Geschwindigkeit c2 in der dem Winkel [* 16] δ der Schaufelkanten gegen die Turbinenkante entsprechenden Richtung ausströmen.
Dabei übt das Wasser auf die festgehaltene Schaufel einen Druck aus, welcher letztere nach links zu bewegen strebt. Dreht sich nun die Turbine im normalen Gange mit der Umfangsgeschwindigkeit u (für den mittlern Turbinenradius R), so strömt das Wasser während seiner Arbeitsleistung auf dem in der [* 14] Figur eingezeichneten sog. absoluten Wasserwege AC durch das Rad und tritt an dessen Unterseite mit der Geschwindigkeit c3 aus. Die Arbeitsleistung wird dabei möglichst groß, 1) wenn man den Stoß beim Eintritt in das Laufrad vermeidet, d. h. die Winkel α und β so wählt, daß von den Geschwindigkeiten c, u und c1 (c1 ist die relative Geschwindigkeit des Wassers beim Eintritt in das Laufrad) das aus der [* 14] Figur ersichtliche Parallelogramm [* 17] gebildet wird, 2) wenn man c3 möglichst klein und 3) den Austrittswinkel γ von c3 gegen die Radunterkante gleich 90° macht. Der Forderung, daß der Strahl den Laufradkanal nicht vollständig erfüllen soll, kann man nur genügen, wenn man das Laufrad nach unten verbreitert; so findet man für die vorliegende Turbinenklasse die untere Breite [* 18] l2 zwei- bis dreimal so groß als die obere l1 ausgeführt. m sind Ventilationsöffnungen zum Einlassen von Luft in die vom Wasser nicht erfüllten Schaufelräume.
Führt man die Kanäle des Laufrades so aus, daß der Wasserstrahl überall anliegt, obne daß aber die entsprechend obiger [* 14] Figur ihn rechts begrenzende Schaufel einen Druck erfährt, so erhält man die sog. Rückschaufelung für Grenzturbinen, welche in [* 14] Fig. 3 dargestellt ist. An Stelle dieser wird auch, um ein allseitiges Anliegen des Wasserstrahls herbeizuführen, eine seitliche Einschnürung des Laufradkranzes angeordnet, wobei dann die Schaufeln der Grenzturbinen im Schnitt die in [* 14] Fig. 5 angegebene einfache Form erhalten.
Die Schaufelform der Überdruckturbinen geben [* 14] Fig. 4 u. 5 im Radial- und Tangentialschnitt. Die Geschwindigkeit c entspricht hier nur einem Teile der zur Verfügung stehenden Druckhöhe; der Rest, welcher nicht in Geschwindigkeit verwandelt wird, tritt als Spaltüberdruck auf. Der Wasserstrahl geht relativ zur Schaufel auf dem Wege AB durch das Rad und drückt allseitig auf die Wände, füllt also stets den gesamten Raum aus. Den absoluten Wasserstrahl giebt AC wieder.
Die abweichende Wirkung des Wassers, die geringere Größe von c im Vergleich mit den entsprechenden Druck- und Grenzturbinen verursacht den Unterschied in den Schaufelformen von [* 14] Fig. 4 u. 5 gegenüber denen von [* 14] Fig. 1-3. Zur Erzielung einer guten Ausnutzung ist der Stoß beim Eintritt auch bei Überdruckturbinen zu vermeiden und c3 klein und zur Austrittsebene senkrecht zu wählen. Eine Erweiterung des Laufrades wie bei den Druckturbinen ist in der Regel bei den Überdruckturbinen nicht vorhanden.
Vgl. Herrmann, Die graphische Theorie der Turbinen und Kreiselpumpen (Berl. 1887);
Ludewig, Allgemeine Theorie der Turbinen (ebd. 1890);
ders., Allgemeine Theorie der Freistrahlturbinen (Lpz. 1891);
Reifer, Einfache Berechnung der Turbinen u. s. w. (2. Aufl., Zür. 1892);
Linnenbrügge, Berechnung und Bau der Radialturbinen (Kamb. 1894);
Henne, Die Wasserräder und Turbinen (2. Aufl., Weim. 1897). -
Vgl. auch die Litteratur zu Hydraulik und Wassermotoren.