Tuch
,
aus Streichwollgarn hergestellter, meist leinwandartig gewebter
Stoff, welcher durch
Walken verfilzt und durch
Rauhen mit einer
Decke
[* 2] feiner Härchen versehen wird, die gewöhnlich durch
Scheren
[* 3] gleich gemacht sind und daher eine glatte,
feine Oberfläche bilden. Der Tuch
macherstuhl unterscheidet sich von den
Webstühlen zu andern glatten
Stoffen hauptsächlich nur durch seine große
Breite,
[* 4] weil das Tuch
wegen seines beträchtlichen
Eingehens in der
Walke viel breiter
gewebt werden muß, als es im fertigen Zustand erscheint.
Ein Tuch
, das nach der
Appretur 8/4 breit sein soll, muß auf dem
Stuhl 14/4-17/4
Breite haben. Aus dem rohen
Gewebe
[* 5]
(Loden) werden durch das
Noppen Holzsplitterchen,
Knoten etc. entfernt. Dies geschieht mit
Hilfe von kleinen
Zangen durch
Handarbeit oder mit der Noppmaschine. Nach dem
Noppen folgt das
Waschen in besondern
Waschmaschinen, wodurch
Fett,
Leim und Schmutz
aus dem
Loden entfernt werden. Dann wird das
Gewebe zum zweitenmal genoppt und unter Zusatz von
Seife, gefaultem
Urin oder
Walkererde gewalkt.
Hierdurch verfilzen sich die feinen aus dem
Garn hervorstehenden Fäserchen und bis zu einem gewissen
Grade die Garnfäden
selbst, so daß man aus gut gewalktem Tuch
keinen
Faden
[* 6] von einiger
Länge unversehrt ausziehen kann. Das gewalkte
Gewebe wird
wieder gewaschen und auf dem Trockenrahmen unter einer gewissen
Spannung getrocknet. Die
Appretur (s.
Appretur)
des Tuches
beginnt nun damit, daß die Härchen, welche aus der Filzdecke ohne alle Regelmäßigkeit hervorragen, mehr und
gleichmäßiger herausgezogen und nach Einer
Richtung niedergestrichen werden (das
Rauhen).
Hierzu dienen die voll kleiner Widerhaken sitzenden Fruchtköpfchen der Kardendistel
(Dipsacus fullonum),
mit welchen das nasse Tuch
bearbeitet wird. Die Handrauherei ist gegenwärtig durch die Maschinenrauherei fast vollständig
verdrängt worden; aber es ist noch nicht gelungen, für die teuern
Weberkarden einen genügenden
Ersatz zu finden. Ungemein
erleichtert wird das
Rauhen, wenn man auf das Tuch
, während die
Karden darauf einwirken, Wasserdampf strömen
läßt.
Die herausgezogenen Härchen werden auf dem trocknen Tuch
gegen den
Strich aufgebürstet und durch große Handscheren oder durch
scherenartige mechanische Vorrichtungen
(Schermaschinen) zu gleicher und geringer
Länge abgeschnitten, damit sie zusammen
eine glatte, feine Oberfläche bilden (das
Scheren). Das
Ziel des
Rauhens und
Scherens kann aber nur durch
einen stufenweisen
Gang
[* 7] erreicht werden, weshalb beide Behandlungen je nach der Feinheit des Tuchs
ein- bis fünfmal abwechselnd
hintereinander vorgenommen werden.
Die abgeschnittenen Härchen bilden die
Scherwolle. Nach dem
Scheren wird das Tuch
zum drittenmal genoppt, dann dekatiert und
gepreßt. Hinsichtlich des
Färbens unterscheidet
man in der
Wolle, im
Loden oder im T. gefärbtes. Ersteres
ist aus gefärbter
Streichwolle gefertigt, das lodenfarbige ist vor dem
Walken gefärbt und das tuch
farbige nach dem
Walken.
Letzteres Tuch
zeigt oft einen weißlichen Anschnitt und verliert die
Farbe beim
Gebrauch.
Feine hellfarbige Tuche
können aber
in der erforderlichen Lebhaftigkeit nur im
Stück gefärbt werden.
Weiße Tuche
werden geschwefelt und in
Wasser mit abgezogenem
Indigo
[* 8] gebläut, die schlechtesten aber in einer Brühe von
Wasser
und
Schlämmkreide bearbeitet, so daß die nach dem
Trocknen,
Klopfen und
Bürsten zurückbleibenden Kreideteilchen den gelblichen
Stich der
Wolle verdecken. Die schwarzen Tuche prüft man auf ihre
Farbe mit verdünnter
Salzsäure und unterscheidet
Falschblau, das durch Behandeln mit der
Säure ganz rot wird, Halbechtblau, welches einen violetten
Schein bekommt, wenn der
Grund mit
Indigo angeblaut ist, und Ganzechtblau, welches durch die
Säure nicht verändert wird, also mit reinem
Indigo gefärbt
worden ist.
In der Tuchfabrikation nehmen neben
Preußen
[* 9] und
Sachsen,
[* 10] welche durch ihre ausgezeichneten
Wollen begünstigt
sind,
Österreich,
[* 11]
Frankreich,
England und
Belgien
[* 12] den ersten
Rang ein. Von den preußischen Tuchen war vormals das
Brandenburger
Kerntuch
sehr beliebt, die rheinpreußischen Tuche gehen als Niederländer.
Holland liefert wenig, aber vortreffliches Tuch
Österreich
fertigt alle
Sorten Tuche, vorzüglich viel farbige Tuche für den
Orient. Die englische und belgische
Tuchfabrikation erstreckt sich vorzugsweise nur auf die mittlern und ordinären
Qualitäten.
Vgl. Stommel, Das Ganze der Weberei [* 13] der Tuch- und Buckskinfabrikation (2. Aufl., Düsseld. 1882);
Ölsner, Lehrbuch der Tuch- und Buckskinweberei (Altona [* 14] 1881, 2 Bde.);
Behnisch, Handbuch der Appretur (Grünb. 1879).