Toscāna,
vormaliges ital. Großherzogtum, fast in der Mitte Italiens, [* 2] jetzt Landschaft (compartimento) des Königreichs Italien, [* 3] grenzt an die Landschaften Rom, [* 4] Umbrien, die Marken, Emilia und Ligurien und umfaßt die Provinzen: Arezzo, Florenz, [* 5] Grosseto, Livorno, [* 6] Lucca, [* 7] Massa-Carrara, Pisa [* 8] und Siena mit 24,053, nach Strelbitsky 24,062 qkm (437,01 QM.) Areal und (1881) 2,208,869 Einw. (näheres s. unter den einzelnen Provinzen und Italien). -
Toscana
ist das alte Tuscien oder
Etrurien (s. d.). Nach dem
Untergang des weströmischen
Reichs (476
n. Chr.)
herrschten in dem Land zwischen dem Macrafluß und dem
Tiber Ostgoten, dann Griechen, endlich
Langobarden. Während der Herrschaft
der letztern stand es unter Lehnsherzögen, die zu
Lucca residierten;
Karl d. Gr. machte Toscana
774 zu einer fränkischen
Provinz
und setzte
Markgrafen ein.
Markgraf
Bonifacius II., zugleich
Graf von
Modena,
Reggio,
Mantua
[* 9] und
Ferrara,
[* 10] der
reichste und mächtigste
Fürst in
Italien, hinterließ 1052 einen minderjährigen Sohn,
Friedrich, für den seine
Mutter
Beatrix
die
Regierung führte, und als er 1055 starb, folgte ihm sein Stiefvater
Georg der
Bärtige von Niederlothringen.
Beatrix und noch mehr ihre Tochter
Mathilde, Markgräfin von Tuscien, waren eifrige Anhängerinnen des
Papstes, und letztere vermachte nebst ihren übrigen Besitzungen 1115 auch Toscana
dem römischen
Stuhl.
In dem hierauf entbrennenden
Streit zwischen
Kaiser und
Papst um die Mathildische
Erbschaft ging die politische
Einheit und die fürstliche Macht unter, und
die städtischen Gemeinwesen
Florenz,
Siena,
Pisa,
Lucca,
Arezzo u. a. rissen alle
Gewalt in
an sich. Unter
diesen erlangte
Florenz die größte Macht und vereinigte im 14. und 15. Jahrh. den größten Teil von
Toscana
mit seinem Gebiet.
Und als in
Florenz die
Familie
Medici zur Herrschaft kam, gewann sie damit auch die Herrschaft von Toscana.
Am erhob
der
Kaiser
Karl V. seinen spätern
Eidam,
Alexander von
Medici, zum erblichen
Herzog von
Florenz. Dessen Nachfolger
Cosimo I. (1537-74)
vergrößerte sein Gebiet 1555 durch die Erwerbung
Sienas und wurde 1569 von
Papst
Paul V. zum
Großherzog von Toscana
ernannt und
in dieser
Würde sein Nachfolger
Franz (1574-87) vom
Kaiser (1576) bestätigt. Derselbe hatte dann seinen
Bruder
Ferdinand, bisher
Kardinal, zum Nachfolger. Unter den folgenden
Herzögen,
Cosimo II. (gest. 1621),
Ferdinand II. (gest.
1670) und
Cosimo III. (gest. 1723), sank der
Staat schon sichtlich.
Gemäß dem
Wiener
Frieden von 1735 fiel Toscana
nach dem
Tode des letzten
Medici,
Giovanni
Gasto (1737), an den
Herzog
Franz
Stephan von
Lothringen, Gemahl
Maria Theresias von
Österreich
[* 11] und nachmaligen
Kaiser Franz I. Ihm folgte 1765 sein
zweiter Sohn,
Großherzog
Leopold, unter dessen aufgeklärter
Regierung das zu einer österreichischen
Sekundogenitur erklärte
Land durch weise
Reformen und vorzügliche Sorge um geistige und materielle
Entwickelung zu hoher
Blüte
[* 12] gelangte.
Als
Leopold 1790
Kaiser ward, folgte ihm in Toscana
sein zweiter Sohn,
Ferdinand III., der im
Sinn seines
Vaters regierte. 1793 trat
er der
Koalition gegen
Frankreich bei, schon 1795 aber
schloß er einen Neutralitätsvertrag mit letzterm. Dessenungeachtet
besetzte
Bonaparte 1796
Livorno. 1797 ward der Abzug der
Franzosen mit 1 Mill.
Frank erkauft; aber schon
im März 1799 rückten dieselben, nachdem sie nochmals 2 Mill.
Fr. erpreßt hatten, wieder in Toscana
ein und nötigten den
Großherzog,
das Land zu verlassen. Im
Frieden von Lüneville 1801 mußte derselbe Toscana
gegen
Salzburg
[* 13] abtreten; Toscana
aber,
das zu
¶
mehr
einem Königreich Etrurien umgeschaffen ward, erhielt 21. März der Infant Ludwig von Parma.
[* 15] Durch den Vertrag von Fontainebleau vom zwischen
Frankreich und Spanien
[* 16] ward Etrurien von letzterm gegen das nördliche Portugal an Frankreich abgetreten und durch Dekret vom mit
demselben vereinigt. Am erhielt Napoleons Schwester Elisa Bacciocchi den Titel einer Großherzogin
von Toscana.
Nach dem Sturz Napoleons I. erhielt Ferdinand 1814 Toscana
zurück, dazu den ehedem zu Neapel
[* 17] gehörigen Stato degli Presidj,
die Insel Elba und die Anwartschaft auf die Erbfolge in Lucca.
Ferdinand III. starb ihm folgte sein Sohn Leopold II., welcher, von seinem Minister, dem Grafen
Fossombroni, unterstützt, im Sinn seines Großvaters und Vaters zu regieren sich bemühte. Straßenbauten, großartige Arbeiten
zur Entwässerung der Maremmen, Erweiterung des Hafens von Livorno, Industrieausstellungen, Reorganisation des Studienwesens zeugten
von dem Eifer und der Einsicht der Regierung, durch die Toscana
sich in geistiger und materieller Kultur außerordentlich
hob.
Seit dem Tod Fossombronis (1844) aber machte sich bald der reaktionäre Einfluß Österreichs fühlbar. Infolge der Abdikation
des Herzogs Karl von Lucca ergriff der Großherzog von Toscana
, gemäß der Wiener Kongreßakte vom am von Lucca
Besitz und trat Fivizzano an Modena, Pontremoli an Parma ab. Die Nachwirkungen der Pariser Februarrevolution
rissen auch Toscana
von dem Weg der Reform auf den der Revolution. Schon vorher, unterm 17. Febr., hatte der Großherzog eine liberale Konstitution
proklamiert. Es folgten der Erlaß eines neuen Preßgesetzes (21. Mai), die Krëierung von Ministerien des
Kultus und Unterrichts (5. Juni) und die Eröffnung der Kammern (26. Juni), ohne daß die revolutionäre Partei befriedigt worden wäre.
Das neue Ministerium Capponi ergriff im Auftrag der Kammern strengere Maßregeln; als aber bei einem am 25. Aug. ausbrechenden
Aufstand zu Livorno, wo Guerrazzi (s. d.) der Hauptführer der Bewegung war, das Militär gemeinschaftliche
Sache mit den Aufständischen machte und in Florenz selbst das Volk sich erhob, warf sich der Großherzog eingeschüchtert der
demokratischen Partei in die Arme und berief ein Ministerium Montanelli-Guerrazzi, flüchtete aber nach Gaeta.
Schon 8. Febr. setzte die Deputiertenkammer eine provisorische Regierung ein, welche eine Konstituierende Versammlung von 120 Mitgliedern einberief, und proklamierte 15. Febr. die Republik. Die 25. März eröffnete Nationalversammlung übertrug am 27. Guerrazzi die exekutive Gewalt in Form der Diktatur. Gleichzeitig aber begann zu Florenz die Gegenrevolution, und dieselbe siegte mit Hilfe der herbeigezogenen Truppen und der Nationalgarden so schnell, daß bereits 11. und 12. April die Republik beseitigt war.
Von Florenz aus verbreitete sich die Gegenrevolution schnell über das Land. Eine Deputation begab sich nach Gaeta, um Leopold zur Rückkehr einzuladen; dieser ernannte 1. Mai von Gaeta aus den Generalmajor Serristori zu seinem außerordentlichen Kommissar und berief am 24. ein neues Ministerium unter der Präsidentschaft Baldasseronis. Schon 11. Mai ward nach zweitägigem Widerstand Livorno, das bisher noch Widerstand geleistet hatte, von den Österreichern unter d'Aspre besetzt, und am 25. rückten dieselben in Florenz ein.
Der Großherzog proklamierte bei seiner Rückkehr 28. Juli zwar eine umfassende Amnestie, schloß aber mit
Österreich eine Militärkonvention, der zufolge
10,000 Mann Österreicher bis auf weiteres in Toscana
bleiben sollten. 1851 wurde
mit Rom ein Konkordat über Modifikation der Leopoldinischen Gesetze abgeschlossen, welches der Kirche unumschränkte Freiheit
gewährte und den Staat in ihren Dienst stellte; durch Dekret vom wurde die Konstitution vom außer
Geltung gesetzt und die Herstellung der unumschränkten Souveränität verkündigt.
Die österreichischen Truppen räumten Toscana
erst im Frühjahr 1855. Der Ausbruch des Kriegs zwischen Österreich und Frankreich
im Frühjahr 1859 riß auch Toscana in den Strudel der Begebenheiten hinein. Nachdem Leopold 24. April eine Aufforderung zum
Anschluß an Sardinien
[* 18] abgelehnt, brach am 27. ein Aufstand in Florenz aus, welcher den Großherzog veranlaßte, das Land zu
verlassen. Es ward sofort eine provisorische Regierung eingesetzt und der König von Sardinien zum Diktator ausgerufen.
Derselbe lehnte zwar die Diktatur ab, übernahm dagegen am 30. das Protektorat über Toscana und ernannte seinen Gesandten in Florenz, Boncompagni, zum außerordentlichen Generalkommissar während der Dauer des Unabhängigkeitskriegs. Der Großherzog Leopold II. entsagte durch Abdikationsurkunde vom 21. Juli dem Thron [* 19] zu gunsten seines ältesten Sohns, Ferdinands IV., und dieser erließ sofort eine Proklamation an die Toscaner, welche Aufrechthaltung der Verfassung und Anerkennung der Rechte der Nation verhieß.
Sie verhallte aber wirkungslos. Die Landesversammlung, die 11. Aug. zusammentrat, beschloß am 16. die Thronentsetzung des Hauses Lothringen und den Anschluß Toscanas an das Königreich Sardinien. Letzterer erfolgte hierauf auf Grund der allgemeinen Abstimmung vom 11. und am 22. März. Am 16. April hielt Viktor Emanuel in Florenz seinen Einzug. Ein erschienenes Dekret Viktor Emanuels hob auch den letzten Rest der Autonomie Toscanas auf und machte dasselbe vollständig zu einem Teil des neuen Königreichs Italien.
Die entthronte großherzogliche Familie lebt in Österreich.
Vgl. Galluzzi, Istoria del granducato di Toscana sotto il governo della casa Medici (Flor. 1787, 5 Bde., u. öfter);
Ricasoli und Ridolfi, Toscana ed Austria (das. 1859);
A. Zobi, Storia civile della Toscana dal 1737 al 1848 (das. 1850-52, 5 Bde.);
Napier, Florentine history (Lond. 1847, 6 Bde.);
v. Reumont, Geschichte Toscanas seit dem Ende des florentinischen Freistaats (Gotha [* 20] 1876-77, 2 Bde.);
v. Wurzbach, Die Großherzöge von Toscana (Wien [* 21] 1883).