Titel
Tisza
(spr. tissa), 1)
Koloman Tisza
von
Borosjenö, ungar. Staatsmann, geb. zu
Geszt im
Biharer
Komitat aus einer reichbegüterten adligen calvinistischen
Familie, studierte die
Rechte und ward 1855 zum Hilfskurator
des Szalontaer helvetischen Kirchendistrikts gewählt. Er trat bei der durch das Protestantenpatent vom hervorgerufenen
Bewegung zuerst als öffentlicher Redner auf, ward 1861 für
Debreczin
[* 2] Mitglied des
Reichstags,
schloß
sich hier der Beschlußpartei an und übernahm 1865 mit
Ghyczy die
Führung des linken
Zentrums, bildete jedoch 1875
, als die
Deákpartei infolge persönlicher Zerwürfnisse und der finanziellen Verwirrung zerfiel, eine neue »liberale
Partei« aus dem größten Teil der Deákpartei und dem linken
Zentrum, welche, da sie die
Majorität besaß,
die
Regierung übernahm. Tisza
trat in das neue
Ministerium Wenkheim ^[richtig:
Wenckheim (=
Béla
Wenckheim, 1811-1879)] als
Minister
des Innern ein, übernahm aber nach dem glänzenden
Sieg der neuen
Partei bei den Reichstagswahlen den Vorsitz im
Kabinett, welches er mit staatsmännischem
Geschick leitete. Er verstand es mit großer Geschicklichkeit,
die
Ungarn
[* 3] für den neuen
Ausgleich mit
Österreich
[* 4] günstig zu stimmen, die Besorgnisse und
Klagen über die Orientpolitik
Andrássys
zu beschwichtigen, die Abneigung gegen die
Okkupation
Bosniens zu vermindern und die Mehrheit des
Reichstags immer wieder um
sich zu scharen.
Hierdurch erlangte er auf die Politik der Gesamtmonarchie großen Einfluß und freie Hand für die rücksichtslosen Maßregeln zur Magyarisierung Ungarns, welche zu den schreiendsten Ungerechtigkeiten, so gegen die siebenbürgischen Sachsen, [* 5] führten. Bei allen Neuwahlen behauptete er die Mehrheit, und selbst die Finanzschwierigkeiten erschütterten seine Stellung nicht. Im Februar 1887 vertauschte er selbst das Innere mit dem Finanzportefeuille.
Vgl. Visi,
Koloman Tisza
(Budapest
[* 6] 1886).
2)
Ludwig,
Graf Tisza
de Szeged,
Bruder des vorigen, geb. zu Geszt, ward 1861 Mitglied des
Reichstags, 1867
Obergespan
des
Biharer
Komitats, 1871-73 Kommunikationsminister, nach der
Katastrophe von
Szegedin
[* 7] (1879) zum königlichen
Kommissar für
dessen Wiederaufbau ernannt und nach der Vollendung desselben 1883 in den Grafenstand erhoben.