Termīten
(Unglückshafte, weiße Ameisen, Termitina Burm.), Insektenfamilie aus der Ordnung der Falschnetzflügler, [* 2] gesellig lebende Insekten [* 3] mit länglichem, oberseits mehr abgeflachtem, unterseits gewölbtem Körper, freiem, nach unten gerichtetem Kopf, runden Augen, keinen oder zwei Nebenaugen, kurzen, perlschnurartigen Fühlern, aufgetriebenem Kopfschild, kräftigen Mundteilen, schlanken, kräftigen Beinen mit viergliederigen Tarsen und, sofern sie geflügelt sind, mit vier gleich großen, langen und hinfälligen Flügeln.
Neben den fortpflanzungsfähigen, geflügelten Individuen existieren zwei
Formen geschlechtsloser, ungeflügelter, mit verkümmerten
männlichen oder weiblichen
Geschlechtsorganen, nämlich
Soldaten, mit großem, quadratischem
Kopf und langen,
kräftigen Mandibeln, und
Arbeiter, mit kleinem, rundlichem
Kopf, verborgenen Mandibeln und wenig entwickeltem Mittelleib.
Die
Arbeiter besorgen den
Aufbau der gemeinsamen Behausung und die
Pflege der
Brut, den
Soldaten liegt die
Verteidigung der
Kolonie
ob, den an Individuenzahl weit zurückstehenden geflügelten Termiten
[* 4] aber die
Erhaltung der Art. Die Termiten
königin
ist ein seiner
Flügel entledigtes, befruchtetes Weibchen, dessen
Hinterleib durch die Anschwellung der eine ungemein große
Anzahl von
Eiern enthaltenden
Eierstöcke eine enorme
Ausdehnung
[* 5] erhalten hat. Ob sich in jeder
Kolonie nur eine solche
Königin
nebst zugehörigem Männchen (König) in einer besonders geräumigen
Zelle
[* 6] tief im
Mittelpunkt des
Baues vorfindet,
oder ob deren mehrere zugleich vorhanden sind, ist noch nicht sicher ermittelt.
Jedenfalls hat das sparsame Vorkommen befruchteter Individuen nur in äußern Umständen seinen Grund, indem die große Mehrzahl nach vollzogener Begattung den Vögeln etc. zum Opfer fällt. Die Eier [* 7] sind walzig, bisweilen gekrümmt, an den Enden abgerundet und von ungleicher Größe. Die Larven sind anfangs stark behaart, haben undeutliche Augen, kürzere Fühler und verwandeln sich durch mehrere Häutungen in die vollkommenen Insekten. Zu der Zeit, wo sich die geschlechtlichen Individuen in einer Kolonie entwickelt haben, gerät die ganze Bevölkerung [* 8] in große Unruhe, und die geflügelten Männchen und Weibchen verlassen den Haufen, um sich in der Luft zu begatten und gleich darauf ihre Flügel nahe der Wurzel [* 9] abzubrechen.
Die Bauten der Termiten
sind sehr verschieden; sie werden entweder in Baumstämmen oder am Erdboden selbst angelegt,
im letztern
Fall häufig in Form von
Hügeln, die in
Afrika
[* 10] eine
Höhe von 5
m und am
Fuß einen
Umfang von 19 m
erreichen. Diese großen Bauten bestehen hauptsächlich aus
Thon und besitzen große
Festigkeit;
[* 11] sie enthalten zahlreiche
Zellen
und
Gänge, von denen erstere als Wiegen für die
Brut, letztere zur
Kommunikation zwischen allen Teilen des
Baues dienen.
Oft stehen viele Hügel durch ein System überwölbter Straßen miteinander in Verbindung und bilden gewissermaßen eine einzige Kolonie. Andre Arten leben im Sand unter der Erdoberfläche und bauender röhrenartige Gänge, umgeben Wurzeln oder Äste im Boden mit erhärtendem Material und weilen in diesen Röhren, [* 12] bis das Holz [* 13] aufgezehrt ist. Wieder andre Arten nagen Gänge in das Holz der Bäume, kleiden die Wandungen mit Kot aus, und so entstehen, indem die Gänge immer näher aneinander rücken und das Holz zuletzt völlig aufgezehrt wird, Bauten, die in ihrem Gefüge an einen Schwamm erinnern und zuletzt auch außerhalb des Baumes fortgeführt werden.
Viele
Arten sind ein Schrecknis der heißen
Länder; sie dringen scharenweise in die menschlichen
Wohnungen
und zerstören namentlich Holzwerk, indem sie dasselbe im Innern völlig zerfressen, die äußere Oberfläche aber verschonen,
so daß scheinbar unversehrte Gegenstände bei geringer
Erschütterung zusammenbrechen. Die Termiten
führen ihre
Arbeiten nur nachts
aus und unternehmen auch weite
Wanderungen; ihre ärgsten Feinde sind die
Ameisen, die förmlich gegen
sie zu
Felde ziehen.
Man kennt etwa 80 lebende
Arten in allen heißern
Ländern, bis 40° nördl. und südl.
Br., in
Frankreich bis
Rochelle (s. unten),
besonders zahlreich vertreten in
Afrika und
Amerika.
[* 14]
Fossile
Arten finden sich schon in der
Kohlenformation, am häufigsten aber
im
Bernstein
[* 15] und im
Tertiär. Die kriegerische Termite
(Termes bellicosus Smeathm., Termiten
fatale
L.), 1,8
cm lang, 6,5-8,0
cm breit, ist dunkelbraun, mit heller geringelten
Fühlern, am
Mund, an den
Beinen und am
Bauch
[* 16] rostgelb,
mit gelblichen, undurchsichtigen
Flügeln, im größten Teil des tropischen
Afrika heimisch, baut hohe, unebene, mit vielen
Hervorragungen versehene
Erdhügel, die sich allmählich abrunden und mit dichter
Vegetation bedecken.
Die Umgebung der
Hügel besteht in einem Thonwall von 15-47
cm
Stärke
[* 17] und enthält
Zellen, Höhlungen und Wege. Die schreckliche
Termite (Termiten
dirus
Klug., s. Tafel
»Falschnetzflügler«) lebt in
Brasilien
[* 18] in Erdlöchern und unter
Steinen von den
Wurzeln
verfaulender
Bäume. Die lichtscheue Termite (Termiten
lucifugus
Rossi), 9
mm lang, 20
mm breit, ist schwarz, am
Mund, an der Schienenspitze
und den Tarsen gelblich, mit gerunzelten, rauchigen, schwärzlich gerandeten
Flügeln, findet sich überall in Südeuropa,
ist in
Frankreich bis
Rochefort und
Rochelle vorgedrungen und hat in letzterer Stadt an den Holzpfählen,
auf welchen diese erbaut ist, arge Verwüstungen angerichtet.
Manche Termiten
werden in den heißen
Ländern von den Eingebornen
gegessen.
Vgl.
Hagen,
[* 19]
Monographie der Termiten
(»Linnaea entomologica«, Bd.
10, 12, 14);
Lespès, Recherches sur l'organisation et les mœurs du Termite lucifuge (»Annales des sciences naturelles«, Serie 4, Bd. 5). ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Termiten
,
[* 4] auch wohl weiße Ameisen (Termitidae), Familie von gesellig lebenden Insekten, die in der Lebensweise an die
Ameisen erinnern, nach ihrem Körperbau aber zu den Geradflüglern und zwar zu den Corrodentia (s. d.)
gezählt werden müssen. Die Termiten
besitzen perlschnurförmige Fühler, kräftige Mundwerkzeuge und viergliedrige
Füße und sind stets einförmig gelb, braun oder schwarz gefärbt. In ihren Gesellschaften unterscheidet man außer zeitweilig
geflügelten Männchen und Weibchen zeitlebens ungeflügelte Formen, und zwar 1) Arbeiter (s. umstehende
Abbildungen,
[* 20]
Fig. 1), die Hauptmasse zur Aufführung der Bauten und Herbeischaffung der Nahrung,
2) Soldaten (Fig. 2) mit mächtig vergrößertem Kopf und gewaltigen Oberkiefern zur Verteidigung des Nestes, und 3) bei
¶
mehr
manchen Arten sog. Nasuti, deren Kopf in eine nasenartige Spitze ausgezogen ist. Diese ungeflügelten Formen sind verkümmerte Männchen und Weibchen. Dazu kommen die Entwicklungsstadien (Larven, [* 4] Fig. 3 und 4, und Nymphen, [* 4] Fig. 5) der verschiedenen Formen und häufig noch Ersatzmännchen und -Weibchen, d. h. geschlechtlich entwickelte Tiere ohne Flügel oder mit unvollkommen entwickelten Flügeln. Männchen [* 4] (Fig. 6) und Weibchen [* 4] (Fig. 7) entwickeln sich nur zu bestimmten Zeiten, schwärmen aus und gehen hierbei zum allergrößten Teile zu Grunde; nur wenigen Paaren gelingt es, nachdem sie ihre Flügel abgeworfen haben, in ein Nest zurückzukehren, oder selbst eins zu gründen, in dem sie später als König und Königin leben. Der Hinterleib der Königin [* 4] (Fig. 8) schwillt infolge der Entwicklung der Eierstöcke (bei manchen Arten werden in der Minute etwa 60 Eier gelegt) ganz unförmlich an, so daß die Königin die Bewegungsfähigkeit vollkommen verliert.
[* 4] ^[Abb.]
Die Termiten
nähren sich von pflanzlichen Stoffen, namentlich von Holz. Sie sind lichtscheue Tiere und legen
deswegen, um Nahrung zu holen, überdeckte Gänge an, in denen sie sich bewegen. Die Baue selbst sind je nach den Arten und
Gattungen von sehr verschiedener Beschaffenheit und Größe, bestehen aber fast immer aus einem unregelmäßigen Gewirr von
Gängen und Höhlungen. Diese Gänge werden von den einen ins Holz alter Baumstämme eingegraben, von andern
an Baumstämmen, in unterirdischen Höhlungen oder über der Erde aus ihrem eigenen Kot und aus lehmiger Erde aufgebaut.
Am berühmtesten sind die Bauten gewisser afrik.
Arten, welche 3-4 m hohe, am Grunde bis 2 m dicke, zuckerhutförmige Kegel zu 15-20 m im Umfang messenden
Haufen vereinigen. Diese Haufen bergen viele Millionen von Individuen und sind so fest, daß sie nur schwer mit der Axt geöffnet
werden können. Durch Zerfressen von Holz, Papier und andern pflanzlichen Stoffen zerstören die Termiten
Gerätschaften und Häuser
(so 1814 den Präsidentschaftspalast in Kalkutta)
[* 22] und haben auf Jamaika und Martinique ganze Zuckerernten
vernichtet.
Sie beginnen ihre Zerstörungen immer von innen heraus, so daß man diese erst bemerkt, wenn es zu spät ist, und sind äußerst schwer zu vertreiben oder zu vernichten. Manche Tiere, z. B. die Ameisenfresser, stellen ihnen eifrig nach. Auch werden sie von Negern und Indianern gegessen und das von ihnen zerarbeitete Holz zu Zunder benutzt. Die meisten Arten leben in den Tropen, in Europa [* 23] giebt es nur im Süden wenige Formen, so Termes lucifugus Rossi in Italien [* 24] und Südfrankreich.