Temperament
(lat.), ursprünglich ein gewisser spezifischer Wärmegrad
(Temperatur) des
Körpers. Man glaubte früher, daß dieser spezifische Wärmegrad abhängig sei von der Mischung der Säfte,
und stellte daher so viel Temperamente
auf, als man Kardinalsäfte des
Körpers (rotes Arterienblut, schwarze
Galle, gelbe
Galle oder der
Schleim und
Lymphe) annahm. Je nach dem Vorherrschen des einen oder andern Safts im
Körper
hat der
Mensch ein sanguinisches, melancholisches, cholerisches oder lymphatisches (phlegmatisches) Temperament.
Das sanguinische
Temperament
hieß auch das warme, das melancholische das kalte, das cholerische das trockne, das phlegmatische auch
das feuchte Temperament.
Obgleich sich dieser Ideengang keineswegs auf positive
Thatsachen gründen läßt und als
eine zusammenhängende
Reihe von Irrtümern erscheint, so hat sich doch das
Wort Temperament
in der Umgangssprache erhalten, weil man
das
Bedürfnis fühlte, für gewisse Zustände und
Erscheinungen am
Körper, deren
Wesen und innere
Bedingungen nicht klar vor
uns liegen (wie für andre unbestimmte
Begriffe), ein einfaches
Wort zur
Hand
[* 3] zu haben.
Die wissenschaftliche
Medizin macht in
Deutschland
[* 4] wenigstens keinen
Gebrauch mehr von dem
Wort und dem
Begriff Temperament
, wohl aber
geschieht dies noch in
Frankreich.
Um so mehr findet das
Wort Temperament
von seiten der
Laien Verwendung, und man versteht darunter einen
gewissen Teil der
Konstitution, nämlich die
Stimmung und die
Weise der Thätigkeitsäußerung des
Gehirns.
Man hat die Temperamente
folgendermaßen charakterisiert. Das sanguinische, warme Temperament ist mit Körperfülle,
weicher, zarter
Haut,
[* 5] angenehmer frischer Gesichtsfarbe, starker
Füllung der
Blutgefäße verbunden.
Die körperlichen wie geistigen
Funktionen sind leicht anzuregen; die Individuen von sanguinischem Temperament
sind reizbar und empfindlich,
meist heiter und fröhlich, aber veränderlich in ihrer
Stimmung. Das melancholische oder sentimentale
Temperament
ist gekennzeichnet durch festen, straffen Körperbau, größere oder geringere
Magerkeit, durch dicke, trockne, kühle
Haut, die mit dunkeln
Haaren besetzt ist. In allen
Bewegungen und
Handlungen zeigt sich eine gewisse Langsamkeit, die aber von
großer
Ausdauer begleitet ist.
Die melancholischen Individuen sind ernst, mehr zu trüber
Stimmung geneigt, verfallen verhältnismäßig
oft in
Geisteskrankheiten. Das cholerische oder trockne Temperament
steht zwischen dem sanguinischen und melancholischen
gleichsam in der Mitte. Es zeichnet sich durch einen leichtern und beweglichern Körperbau, durch weniger braune und behaarte
Haut und eine lebhaftere Gesichtsfarbe aus, als diese dem melancholischen Temperament
zukommen.
Die cholerischen Individuen sind beweglich, erhalten leicht ein wildes Aussehen, sind zum
Zorn geneigt, zeigen dabei
Stärke
[* 6] und Nachhaltigkeit der Erregungen, Leidenschaftlichkeit.
Die Kennzeichen des phlegmatischen, feuchten Temperaments
sind: ein
schlaffer, weicher Körperbau, weiche, weiße
Haut, die
wenig
Haare
[* 7] zeigt, blondes Kopfhaar, hervorstehende
Augen, gleichgültige Gesichtszüge;
die geistigen und körperlichen Funktionen gehen träge von statten, geringe und langsame Reaktion gegen geistige Erregungen, geringe Empfindlichkeit gegen eigne und fremde Leiden; [* 8]
die phlegmatischen Individuen neigen zu Fettbildung.
Man hat diese Temperamente
auch untereinander
kombiniert zu einem melancholisch-phlegmatischen etc. Temperament
, womit der
Willkür in der Anwendung dieses ohnehin
unbestimmten
Begriffs vollkommene
Freiheit gegeben wurde. Auch ein nervöses Temperament
hat man aufgestellt, welches sich durch Muskelschwäche
und große Nervenreizbarkeit kennzeichnen soll. Man hat auch versucht, den verschiedenen Temperamenten
einen Einfluß auf
die Entstehung gewisser
Krankheiten zuzuschreiben.