Technologie
(griech.,
Gewerbskunde), die
Lehre
[* 2] von den
Mitteln und Verfahrungsarten zur Umwandlung der rohen Naturprodukte
in Gebrauchsgegenstände. Da diese Umwandlung nur durch eine Änderung des innern
Wesens, d. h. der
Substanz, nach den
Gesetzen
der
Chemie oder durch eine Änderung der äußern Form oder Gestalt nach den
Gesetzen der
Mechanik erfolgen
kann, so teilt man das Gebiet der Technologie
, das die ganze
Industrie umfaßt, ein in chemische und mechanische Technologie.
Die chemische Technologie beschäftigt
sich mit der
Darstellung chemischer Materialien
(Alkalien,
Säuren,
Salze,
Farben,
Teerfarben,
Ultramarin etc.),
der
Brenn- und
Leuchtstoffe
(Kohle,
Stearin,
Leuchtgas
[* 3] etc.), der
Nahrungs-,
Genuß- und
Arzneimittel
(Brot,
[* 4]
Bier,
Branntwein,
Zucker,
[* 5] Chinin etc.), mit der
Färberei, Druckerei,
Gerberei, Thonwarenfabrikation
[* 6] etc. Die mechanische Technologie
zieht in ihren Bereich
die Bearbeitung der
Metalle, des
Holzes und ähnlicher Materialien auf
Grund ihrer Arbeitseigenschaften (Gießfähigkeit,
Dehnbarkeit,
Schmiedbarkeit,
Teilbarkeit), die Verarbeitung der
Faserstoffe (Spinnerei, Seilerei,
Weberei,
[* 7] Papierfabrikation),
[* 8] die Verarbeitung
der verschiedenen
Produkte
(Stickerei,
Wirkerei,
[* 9] Flechterei etc.) etc. Eine
Menge
Gewerbe gehören selbstverständlich zum Teil
der chemischen, zum Teil der mechanischen an, da sie ihrer
Natur nach sowohl chemische als mechanische
Prozesse verlangen
(Glas,
[* 10] Thonwaren,
[* 11]
Kautschuk etc.).
Als man anfing, den
Gewerben eine wissenschaftliche Grundlage zu geben, lag es nahe, dies in der
Weise zu thun, daß man den
Stoff nach den einzelnen
Gewerben ordnete und diese besonders behandelte (Bierbrauerei,
[* 12]
Branntweinbrennerei,
Färberei,
Gießerei,
[* 13] Schlosserei, Uhrmacherei, Tischlerei, Drechslerei, Böttcherei,
Baumwoll-,
Flachs-, Wollspinnerei etc.). Auf solche
Weise entstand
die sogen. spezielle Technologie
als eine Lehrmethode, welche auch
jetzt noch Anwendung findet, wenn es sich um die
Darstellung solcher
Gewerbe handelt, die wenig oder gar keine gemeinsamen
Anknüpfungspunkte besitzen. Da dies namentlich in den chemischen
Gewerben der
Fall ist, weil in der praktischen Handhabung
der chemischen
Gesetze solche Verschiedenheiten obwalten, daß nur einzelne Gegenstände, z. B.
Feuerungsanlagen,
[* 14] vielen zugleich angehören, so ist hier die
Methode der speziellen Technologie
die
Regel. In der Weiterentwickelung
der Technologie
gewann man jedoch noch eine andre Grundlage für die Behandlung dadurch, daß man
¶
mehr
Gruppen bildete, indem man alle jene Beschäftigungen, welche in ihren Prozessen, Mitteln, Manipulationen etc. viele Ähnlichkeit
[* 16] und Gleichheit besitzen, zusammenfaßte und ohne Rücksicht auf ihre Einzelheiten ordnete und untersuchte. Weil dadurch die
Behandlung eine allgemeinere wird, so heißt diese Art der Darstellung allgemeine Technologie.
Diese Methode reiht alle Mittel zu
gleichem Zweck (Gußformen,
[* 17] Bohrer,
[* 18] Drehbänke u. dgl.) aneinander, macht sie dadurch
übersichtlich und stellt sie zum Vergleich nebeneinander, weshalb sie auch vergleichende Technologie
genannt wird.
Einer auf die Weise gewonnenen Gruppeneinteilung ist namentlich das Gebiet der mechanischen Technologie
fähig, indem z. B.
alle Metallarbeiten, alle Holzarbeiten, die Spinnerei aller Faserstoffe, die Weberei aller Fäden sich in
einzelne Gruppen zusammenfassen lassen. Da diese Methode außerdem nicht nur die anregendste und die fruchtbarste ist, sondern
es auch allein ermöglicht, das ausgedehnte Gebiet der mechanischen Industrie zu beherrschen, so hat sie allgemein als Lehrmethode
in der mechanischen Technologie
Eingang gefunden.
Innerhalb der Gruppen gewinnt man in den Arbeitseigenschaften der Materialien eine weitere Grundlage für
die Anordnung und somit einzelne Kapitel für die Bearbeitung auf Grund der Schmelzbarkeit (Gießerei), Dehnbarkeit (Schmieden,
Walzen, Drahtziehen), Teilbarkeit (Scheren,
[* 19] Meißel,
[* 20] Hobel, Bohrer, Sägen,
[* 21] Fräsen etc.). Die Gewerbskunde wurde zuerst als Bestandteil
der kameralistischen Studien, etwa seit 1772 an der Universität gelehrt. Beckmann (s. d. 2) wurde durch
seine Schriften, in denen er die einzelnen Industriezweige nach der innern Verwandtschaft ihrer Hauptverrichtungen behandelte,
der Begründer der Technologie
, welcher er auch den Namen gab.
Nach ihm waren Hermbstädt in Berlin
[* 22] und Poppe in Tübingen
[* 23] bedeutend, die neuere Richtung aber erhielt die Technologie
durch
Prechtl und Altmütter in Wien
[* 24] und namentlich durch Karmarsch in Hannover,
[* 25] welcher der Begründer der allgemeinen, vergleichenden
Technologie
wurde. Die chemische Technologie wurde in neuester Zeit besonders durch Knapp in Braunschweig,
[* 26] Heeren in Hannover, Wagner in Würzburg,
[* 27] die mechanische durch Hartig in Dresden,
[* 28] Hoyer in München,
[* 29] Exner in Wien gefördert. Die Litteratur der Technologie
ist
außerordentlich reichhaltig.
Als Hauptwerke gelten: Prechtl, Technologische Encyklopädie oder alphabetisches Handbuch der Technologie
, der technischen Chemie und
des Maschinenwesens (Stuttg. 1829-55, 20 Bde.;
Supplemente, hrsg. von Karmarsch 1857 bis 1869, 5 Bde.);
Karmarsch und Heeren, Technisches Wörterbuch (3. Aufl. von Kick und Gintl, Prag [* 30] 1874 ff.);
Karmarsch, Handbuch der mechanischen Technologie
(6. Aufl. von Fischer, Leipz. 1888 ff.);
Kronauer,
Atlas
[* 31] für mechanische Technologie
, auf Grundlage von Karmarsch' »Handbuch«, mit Erklärungen (Hann. 1862);
Hoyer, Lehrbuch der vergleichenden mechanischen Technologie (2. Aufl., Wiesb. 1888);
Muspratt-Stohmann, Encyklopädisches Handbuch der technischen Chemie (4. Aufl., Braunschw. 1886 ff.);
Knapp, Lehrbuch der chemischen Technologie (3. Aufl., das. 1865-75, 2 Bde.);
Bolley-Birnbaums Sammelwerk: »Handbuch der chemischen Technologie« (das. 1862 ff., 8 Bde., in vielen Teilen);
R. Wagner, Handbuch der chemischen Technologie (12. Aufl., Leipz. 1886);
Payen, Handbuch der technischen Chemie (deutsch von Stohmann und Engler, Stuttg. 1870-74, 2 Bde.);
Wagners »Jahresbericht über die Leistungen der chemischen Technologie« (Leipz., seit 1855, jetzt hrsg. von Fischer);
Poppe, Geschichte der Technologie (Götting. 1807-11, 3 Bde.);
Karmarsch, Geschichte der Technologie seit der Mitte des 18. Jahrhunderts (Münch. 1871);
Blümner, Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen und Römern (Leipz. 1875-1884, 3 Bde.);
Noiré, Das Werkzeug und seine Bedeutung für die Entwickelungsgeschichte [* 32] der Menschheit (Mainz [* 33] 1880);
Lazarus Geiger, Zur Entwickelungsgeschichte der Menschheit (2. Aufl., Stuttg. 1878).