Svāmi
Nārājana, s. Indische Religionen (Bd. 17).
Svami Narajana
7 Wörter, 52 Zeichen
Nārājana, s. Indische Religionen (Bd. 17).
Religionen. Unter den Religionen des heutigen Indiens sind vier, die nicht in Indien selbst entstanden, sondern durch Eroberer oder Einwanderer in das Land gebracht worden sind: der Islam, der Parsismus, das Judentum und das Christentum. Der Islam fand Eingang seit dem Eroberungszuge von Mahmūd von Ghasni 1001, gewaltsame Bekehrungen der einheimischen Bevölkerung [* 3] traten aber in größerm Umfange erst ein seit dem fanatischen Aurangseb (1658-1707), und der Islam hat seitdem beständige Fortschritte gemacht.
Heute bekennt sich ein Fünftel der gesamten Bevölkerung von Indien, nach dem Census von 1891 im ganzen 57321164 Menschen, zum Islam. Die Hauptmasse der eingewanderten Mohammedaner sitzt im westl. Indien, vor allem in Sindh und im Pandschab, ferner nördlich in Kaschmir [* 4] und südlich im Dekan in Maisur. Bei der bekehrten einheimischen Bevölkerung bildet der Islam oft nur die Hülle, unter der sich die alte Religion verbirgt, und in den Provinzen, wo Brahmanismus und Islam gleich viel Bekenner haben, fungiert der Brahmane ¶
bei allen Familienfesten der Mohammedaner. Der Parsismus ist 717 nach Indien gekommen, in welchem Jahre vor den Arabern flüchtende Parsen bei Sandschan, nördlich von Bombay, [* 6] landeten. Ihre Zahl beträgt jetzt 89904, sie sitzen in und um Bombay. Gering ist die Zahl der Juden. Der Census von 1891 giebt ihre Zahl auf 17194 an, wobei noch die 2826 Juden in Aden [* 7] mit eingerechnet sind. 10500 sitzen in Bombay, 1450 in Kalkutta, [* 8] 1300 in Cochin, die übrigen sind über Indien zerstreut. Christen wurden 1891 gezählt 2284380; darunter sind 79790 Eurasier und 2036590 Eingeborene. Von den letztern sind 1538800 in Madras [* 9] und den Malabarstaaten, nächstdem am meisten in Bengalen und in Bombay und Sindh. 57 ½ Proz. gehören zur kath. Kirche, 8 ¾ zur syrischen, 257 zur griechischen, abessinischen oder armenischen, der Rest zu verschiedenen prot. Kirchen. -
Vgl. J. A. ^[Jervoise Athelstane] Baines, Census of India, 1891. General Report (Lond. 1893).
Auch abgesehen von diesen vier fremden Religionen bieten die Religionen Indiens noch ein sehr buntes Bild dar. Die Hauptmasse der einheimischen Bevölkerung bekennt sich zum Brahmanismus; der Census von 1891 verzeichnet, einschließlich der Sikh, 209639560 Bekenner desselben. 9280467 Personen werden als Animisten, 1416638 als Dschainas, 7131361 als Buddhisten aufgeführt. Als Animisten wurden alle die bezeichnet, die sich nicht zu einer der übrigen genannten Religionen bekannten, vor allem also die wilden Stämme nichtarischen Ursprungs.
Religionsgeschichtlich pflegt man unter Animismus jetzt die Art der Religion zu verstehen, in der nicht Götter, sondern Seelen oder Geister verehrt werden, also Dämonenkultus im weitesten Sinne, Fetischismus, Schamanismus, Bhūtadienst u. dgl. Dieser Animismus bildet den Grundzug aller Religion in Indien von der ältesten Zeit an bis auf den heutigen Tag; er liegt in gleichem Grade der Religion der eingewanderten arischen Inder zu Grunde, wie der der nichtarischen Bevölkerung der Draviden und Kolarier und der jetzt dem Buddhismus anhängenden tibetanischen Stämme am Himalaja und der Singhalesen auf Ceylon. [* 10]
Die älteste Stufe der Religion der arischen Inder ist die Vedische Religion (s. d., Bd. 16). In ihr muß man streng unterscheiden zwischen dem eigentlichen Volksglauben, den vorwiegend der Atharvaveda lehrt, und der offiziellen Religion des Rigveda. Man glaubte schon in vedischer Zeit, genau wie noch heute, an unzählige Dämonen, Kobolde, Feld- und Waldgeister, Krankheitsgeister, Unheilstifter aller Art, mehr oder weniger persönlich gedachte Substanzen, die dem Menschen schadeten und gegen die man sich durch Opfer und Zauber zu schützen suchte.
Der Opferpriester war zugleich Zauberpriester; in vedischer Zeit hieß er brahmán (s. Brahma, Bd. 3), und nicht nur beim Volke spielte er die erste Rolle, sondern auch die Fürsten hatten stets ihren eigenen Brahman, der sie auch in den Krieg begleitete, weil es seine Aufgabe war, die Omina und Portenta zu beobachten, üble abzuwehren und gute ausnutzen zu lassen. Er hatte seinen Patron vor Unheil zu schützen und dessen Feinden Unheil zu schaffen. Der Spruch oder das Lied, dessen er sich bediente, hieß ein bráhman, und Dichter des Rigveda rühmen sich, mit dem bráhman ihrem Volke den Sieg verschafft zu haben.
Der Brahman war auch bei allen großen Opfern anwesend; er wird der «Arzt des Opfers» genannt, weil er etwa vorkommende Störungen oder Fehler durch seine Kunst beseitigen konnte. Die Dämonen waren vorwiegend schädlicher Art; doch werden auch freundliche Geister genannt, die Feld und Haus beschützten und dem Menschen helfend zur Seite standen. Diese Dämonen wurden meist in menschenähnlicher, die bösen aber oft in abschreckender und mißgebildeter Gestalt gedacht, zum Teil auch als Tiere.
Kreuzwege galten als ihr Lieblingsplatz, die Nacht als die Zeit, in der sie vorzugsweise ihr Unwesen treiben. Als zornig und geneigt zu schaden dachte man sich auch die Seelen der Verstorbenen, «die Väter» (Sanskrit: pitaras), und der Ahnenkult spielte im Leben des Volks eine hervorragende Rolle (vgl. Caland, Altind. Ahnenkult, Leid. 1893). Göttlich verehrt wurden die Berge, Flüsse, [* 11] Wälder, Bäume, einzelne Pflanzen, vor allem die Somapflanze, aus der ein besonderes Getränk, der Soma (s. d., Bd. 15), bereitet wurde, der als Lieblingsgetränk des Nationalgottes Indra galt.
Von Tieren wurden besonders die Schlangen [* 12] verehrt, dann die Kühe und die Affen, [* 13] unter denen einer, Vṛshākapi, als Bastard des Indra bezeichnet wird. Von ihm wird gesagt, daß, wo er sich in den Gefilden der Arier herumtreibt, man aufhört, Soma zu pressen, weil dann Indra nicht mehr dort als Gott gilt. Von Vögeln werden als göttlich bezeichnet der Falke, der Adler, [* 14] der Geier, der Augurienvogel ist. Göttliche Ehre erwies man auch ausgezeichneten Rennpferden. Der Krieger betete zu seinen Waffen, [* 15] der Landmann zum Pfluge, der Somapresser zu den Preßsteinen, der Priester zum Opferpfosten, der Spieler zu den Würfeln.
Vergöttlicht wurden ferner Menschen, die während ihres Lebens einen großen Ruf hatten und die von den «geborenen Göttern» unterschieden werden als «Götter, die von Haus aus Menschen waren» oder «Götter vermöge ihrer Thaten». In diese Klasse gehören in der vedischen Religion die Ribhu (s. d., Bd. 13), die Künstler der Götter, Jama (s. d., Bd. 9), der Gott des Todes, Trita, vermutlich ursprünglich ein Arzt und Beschwörer, der bereits im Rigveda als ein uralter Gott erscheint.
Auch Phallusdienst ist dem Rigveda bekannt. Diesen fetischistischen Zug hat die ind. Religion zu jeder Zeit gehabt und bis auf den heutigen Tag bewahrt. Er tritt uns weniger klar entgegen in der in Sanskrit geschriebenen Litteratur der Brahmanen, als in den in Pāli verfaßten alten Werken der Buddhisten und den zum Teil ebenfalls sehr altertümlichen Prākritwerken der Dschainas. Untergeordnete Gottheiten aller Art und Dämonen treten darin beständig handelnd auf; die Dschainas haben eine eigene Götterklasse, die Vānamantaragötter, in deren Welt alle gelangen und deren Macht, Ruhm und Glanz alle erhalten, die eines ungewöhnlichen oder gewaltsamen Todes gestorben sind, oder die bei ihrem Tode im Kerker saßen oder am Körper verstümmelt waren.
Alte Texte rechnen darunter z. B. Leute, die gepfählt, gehängt, lebendig begraben wurden, also Verbrecher, ferner Leute, die durch Waldbrand umgekommen, von einem Berge oder Baume gefallen, die Selbstmörder, u. s. w. Die Götter dieser Klasse sind nach brahmanischen Anschauungen Dämonen; das Volk verehrt aber auch heute noch Menschen dieser Art göttlich und ihr Grab ist ein Platz der Verehrung. Sind doch heute gefürchtete Räuber und Soldaten, ja sogar franz. und engl. Feldherren, die in Indien gestorben sind, zu göttlicher Würde erhoben worden. Der Grund ist, daß man fürchtet, sie möchten wiederkommen, um sich für ihren frühzeitigen Tod zu rächen. ¶
Der ind. Staat hat sich von jeher aufgebaut auf der Dorfgemeinde, die sich in sich abschloß und sich im ganzen selbständig verwaltete. Daraus erklärt sich die ungeheure Zahl lokaler Götter, «this mob of divinities» (Crooke), denen gegenüber die großen Götter der offiziellen Religion gar keine Rolle spielen. Name und Gestalt dieser Gottheiten wechseln überall; nur verhältnismäßig sehr wenige erscheinen mit gleichem Namen in verschiedenen Teilen Indiens heute wieder, wie Sītalā (Sītlā Debī), die Göttin der Blattern, die ebenso im Pandschab wie in Bengalen verehrt wird.
Fast jedes Dorf besitzt ein Bild des göttlich verehrten Affen Hanuman (s. d., Bd. 8), wie einen heiligen Baum. Sonst aber sind die Götter nach Landschaft und Ständen meist ganz verschieden, und so wird es, wenn auch auf engerm Raume in beschränkterm Maße, schon in vedischer Zeit gewesen sein. Für die alte Zeit werden uns als Standesgötter genannt für die Brahmanen Agni (s. d., Bd. 1), der Gott des Feuers, Soma, Savitar, der schöpferische Sonnengott (s. Sūrja, Bd. 15), Bṛhaspati und Sarasvatī, später Göttin der Gelehrsamkeit und Beredsamkeit;
für die Kshatrija, den Adel und die Kriegerkaste, Indra (s. d., Bd. 9);
für die Vaiçja, den Mittelstand, die Marut (s. d., Bd. 11);
für die Çūdra, die dienende Bevölkerung, Pūshan. Im Veda tritt dieser Charakter der Götter als Standesgötter nicht klar hervor;
wohl aber kann man aus einzelnen Beispielen ersehen, daß manche Priestergeschlechter einen Gott vorzugsweise verehrten, den sie für besonders ausbeutungsfähig hielten.
Und das war nicht immer ein Gott ersten Ranges; war Geld zu verdienen, so war unter den Göttern «keiner klein, keiner schwach». Man suchte durch Schmeicheleien den Gott zu gewinnen und ihn sich gegenseitig abspenstig zu machen. Viele Lieder des Rigveda, wenn nicht die meisten, sind auf Bestellung gedichtet worden, was man für die Beurteilung der in ihnen ausgesprochenen religiösen Ansichten sehr in Betracht ziehen muß. In der offiziellen Religion der vedischen Zeit tritt neben den reinen Naturgöttern, dem Himmel, [* 17] der Erde, der Morgenröte, der Sonne, [* 18] dem Gewittergotte, dem Winde, [* 19] vor allem der Gegensatz zwischen den Adityā, mit Varuṇa an der Spitze, und den Dēvā mit Indra als ihr Haupt hervor (s. Vedische Religion, Bd. 16). Unter den Adityā ist Mitra [* 20] (s. d., Bd. 11), unter den Dēvā Jama ein Gott, den auch die Iranier kennen als Mithra und Jima; sie sind also schon indo-eranische Gottheiten, und der Gegensatz zwischen den beiden Götterklassen kann deshalb kein rein zeitlicher sein, sondern ist wahrscheinlich ein lokaler, vielleicht auch politischer gewesen.
Der herrschende und nationale Gott ist Indra, der noch eine reiche Mythologie im Rigveda hat und an den die meisten Lieder dieses Veda gerichtet sind. Er ist durch alle Phasen der ind. Religion hindurch «König der Götter» geblieben, allmählich aber zu einer ganz unbedeutenden Rolle herabgesunken. Um so mehr tritt im Laufe der Zeit Rudra hervor. Rudra, der Vater der Marut und Herr der Tiere, ist ein gefürchteter, wilder Gott, dessen Geschoß [* 21] Fieber und Husten ist, der aber auch als «bester der Ärzte» Krankheiten zu heilen versteht.
In den Jadschurveden ist ihm ein eigener Abschnitt gewidmet, in dem alle seine Namen zusammengestellt sind. Schon im Rigveda erscheint als sein Beiname das Adjektiv çiva «gnädig», und unter diesem Namen ist er später einer der Hauptgötter des Hinduismus geworden neben Vishṇu, der im Rigveda zwar oft genannt wird, aber eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Bei dem allmählichen Emporkommen dieser beiden Götter werden lokale und polit. Verhältnisse mitgespielt haben, je weiter sich die arischen Inder nach Osten verbreiteten.
Solche Verhältnisse waren es auch, die von der vedischen zu der zweiten Stufe ind. Religion führten, die man den Brahmanismus (s. d., Bd. 3) zu nennen pflegt. Bereits in vedischer Zeit war das Opferwesen sehr ausgebildet und die Zahl der Priester groß. Der Rigveda nennt alle Haupt- und viele Nebenpriester der spätern Zeit bereits mit ihren technischen Namen; der König hatte seinen Hauspriester, ganz wie in der spätern Zeit. Die älteste Zeit kannte Menschenopfer;
von Tieren wurden Rind, [* 22] Ziege, Schaf [* 23] geopfert;
dem Könige vorbehalten war das kostspielige Roßopfer, am häufigsten und beliebtesten war das Sōmaopfer in verschiedenen Formen;
daneben gingen her Darbringungen von Opferkuchen, Getreide, [* 24] flüssiger Butter, Honig, Milch u. dgl., die ins Feuer geopfert wurden.
Für die Ausführung dieser Opfer erhielten die Priester einen Lohn, dessen reichliche Bemessung der Rigveda einschärft und als verdienstlich preist. Zauberspruch und Opfer vermochten die Götter zu zwingen; so oft man ihrer bedurfte, mußte man sich an den Priester wenden, der allein alles Gute verschaffen, alles Üble abwehren konnte. Dieses «Wissen» wurde in Werken niedergelegt, den Brāhmaṇa (s. d., Bd. 3), die ursprünglich nur Erläuterungen zu Opfer- und Zaubersprüchen waren und mit den Sprüchen ein Ganzes bildeten, wie dies noch bei dem sog. schwarzen Jadschurveda der Fall ist, bald aber zu selbständigen Werken zum Teil von großem Umfange anwuchsen, die mit peinlicher Genauigkeit alles verzeichneten, was auf das Opfer Bezug hatte.
Die sorgfältige Kenntnis des Rituals war die unerläßliche Bedingung für das Gelingen des Opfers. Die Götter nahmen nur ein fehlerloses Opfer an, und es war dem eigentlich handelnden Priester, dem Adhvarju, erlaubt, seine Sprüche nur zu murmeln, damit es die Götter nicht merkten, wenn er einen Fehler machte. Aber das war nur eine Ausnahme. Der Adhvarju, wie der recitierende Priester, der Hōtar, und der singende Priester des Sāmaveda, der Udgātar, hatten viele Jahre ernster und eifriger Arbeit auf das Studium zu verwenden, und je schwieriger und komplizierter das Opferwesen wurde, um so mehr mußte seine Kenntnis Eigentum einer bestimmten Klasse werden, die dadurch Macht und Einfluß gewann. Es entstanden zahlreiche Schulen, die sich die Ausbildung der Priester zur Pflicht machten.
In der Hauptsache stimmten sie überein; aber in vielen Einzelheiten wichen sie voneinander ab, oft Dinge, die uns kleinlich und geringfügig erscheinen, für den Inder aber genügten, um eine eigene Schule zu gründen. Die Spuren dieser Thätigkeit finden sich in den Brāhmaṇa, vor allem in dem wichtigsten und umfangreichsten unter ihnen, dem Çatapathabrāhmaṇa, das zu dem weißen Jadschurveda gehört. Zwei Männer sind es vor allem, die in der Entwicklung des Brahmanismus scharf hervortreten, Āruṇi und sein Schüler Jādschnjavalkja. Āruṇi ist eine Hauptautorität für die Bildung der orthodoxen brahmanischen Disciplin; seinem Namen begegnet man überall auf dem Gebiete des Opferwesens. Berühmter aber ist sein Schüler Jādschnjavalkja, einer der hervorragendsten Persönlichkeiten des alten ¶