Stickstoff
oxydul
(Stickstoffmonoxyd, Stickoxydul, Lustgas, Lachgas) N2O entsteht bei vorsichtigem Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak, bei Einwirkung sehr verdünnter kalter Salpetersäure auf Zink- oder feuchter Eisen- oder Zinkfeile, Schwefelleber oder schwefliger Säure auf Stickstoffoxyd und bei Einwirkung von schwefliger Säure auf heiße verdünnte Salpetersäure. Dargestellt wird es stets durch Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak und Waschen des Gases mit Eisenvitriollösung und Kalilauge; 1 kg des Salzes liefert 182 Lit. Gas.
Ein kontinuierlich arbeitender Apparat zur Darstellung des Gases besteht aus einer mit gereinigtem groben Sand gefüllten, entsprechend erhitzten eisernen Röhre, in welcher das geschmolzene salpetersaure Ammoniak, während es durch den Sand sickert, vollständig zersetzt wird. Man versendet das Gas im flüssigen Zustand in starkwandigen eisernen oder kupfernen Flaschen. Es bildet ein farbloses Gas, riecht und schmeckt schwach süßlich, spez. Gew. 1,52; 100 Volum.
Wasser lösen bei 0°: 130,5, bei 15°: 77,8 Vol. In Alkohol ist es noch leichter löslich;
bei 0° und unter einem Druck von 30 Atmosphären wird es zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert, welche bei -88° siedet, bei -115° erstarrt und, mit Schwefelkohlenstoff gemischt, beim Verdampfen im luftleeren Raum eine Temperatur von -140° erzeugt.
Das Gas kann geatmet werden, unterhält den Atmungs- und Verbrennungsprozeß, und ein glimmender Holzspan entzündet sich darin fast wie in Sauerstoff. Ein Gemisch von 4 Vol. S. mit 1 Vol. Sauerstoff erzeugt beim Einatmen nach 1½-2 Minuten Rausch und Heiterkeit (daher Lustgas). Bei längerm Einatmen erzeugt es Ohrensausen, Rausch, Bewußtlosigkeit und tötet endlich durch Erstickung. Unterbricht man aber die Einatmung, sobald die Bewußtlosigkeit eingetreten ist, so verschwinden alle Erscheinungen schnell und ohne bleibenden Nachteil.
Deshalb benutzt man das Gas als anästhetisches Mittel bei kleinen Operationen. S. wurde 1772 von Priestley entdeckt, Davy beobachtete 1799 seine eigentümliche Wirkung auf den Organismus, und Wells zu Hartford in Connecticut benutzte es zur Hervorbringung einer schnell vorübergehenden Narkose. Es blieb indes ohne praktischen Wert, bis Colton und Porter 1863 von neuem darauf aufmerksam machten. Letzterer führte es in England ein, und 1867 brachte es Evans in Paris [* 2] zur eigentlich wissenschaftlichen Verwertung.
Das S. erleidet bei der Einatmung durchaus keine Veränderung, und dies Verhalten erschwert eine genügende Erklärung seiner Wirkung. Zur Hervorbringung einer vollständigen Narkose sind im Durchschnitt 22-26 Lit. Gas erforderlich. Gewöhnlich währt dieselbe nur 30-90 Sekunden, reicht also nur für kurze Operationen, wie das Ausziehen von Zähnen; doch hat man durch geschickte Leitung des abwechselnden Einatmens von S. und Luft die Narkose auch schon auf 50-90 Minuten ausgedehnt.
Unterbricht man die Zufuhr des Stickstoff
oxyduls vollständig, so tritt schon nach 1-2
Minuten der normale
Zustand wieder ein, ohne daß sich die mindeste Nachwirkung bemerkbar macht.
Lange fortgesetztes Einatmen von S. behufs Herbeiführung
einer vollkommen und lange andauernden Empfindungslosigkeit erfordert immerhin große Umsicht des Operateurs, weil in solchem
Falle leicht bedenkliche Erstickungszufälle eintreten können.
Nun hat aber
Bert das gleichzeitige Einatmen
von
S. und
Luft ohne Abschwächung der
Wirkung des erstern dadurch ermöglicht, daß er gleiche
Volumen dieser
Gase
[* 3] mischt
und sie
unter doppeltem Atmosphärendruck einatmen läßt. In gleicher Zeit wird dann dieselbe
Menge S. den
Lungen zugeführt wie beim
Einatmen des reinen
Gases unter gewöhnlichem
Druck, nebenbei aber erhält die
Lunge
[* 4] die für eine normale
Respiration erforderliche
Menge
Sauerstoff.
Auf solche Weise vermochte Bert bei Versuchen an Tieren eine volle Stunde hindurch gänzliche Empfindungslosigkeit zu unterhalten und in dieser Zeit große Operationen schmerzlos vorzunehmen. Nach 2-3 Atemzügen reiner Luft trat der normale Zustand wieder ein, ohne daß sich irgend welche Nachwirkungen gezeigt hätten.
Vgl. Goltstein, Die physiologischen
Wirkungen
des Stickstoff
oxydulgases
(Bonn
[* 5] 1878);
Schrauth, Das Lustgas und seine Verwendbarkeit in der Chirurgie (Bonn 1889).