Stellknorpel
6 Wörter, 54 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Stellknorpel,
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Stellknorpel,
s. Kehlkopf. ^[= (Larynx, s. Tafel: Der Kehlkopf des Menschen), das Organ der Stimmbildung, liegt in der Mittellinie ...]
[* 2] (Larynx), bei den Wirbeltieren, soweit sie mit einer Lunge [* 5] versehen sind, der Eingang zu dieser. Er besteht bei den Amphibien aus zwei Knorpelstreifen, welche durch Muskeln [* 6] bis zum Verschluß der Luftröhre, an deren Anfang sie liegen, genähert werden können. Bei den Reptilien sondert sich ein ringförmiger Knorpel, [* 7] welcher jene erstgenannten (die sogen. Stellknorpel) trägt, von der Luftröhre ab und zerfällt bei den Vögeln und Säugetieren selbst wieder in zwei oder mehrere Knorpelstücke (Schild- und Ringknorpel); zur Bewegung derselben sind alsdann verschiedene Muskeln vorhanden.
Der Eingang zum Kehlkopf wird bei Reptilien und Vögeln unvollkommen, bei den Säugetieren vollkommen durch einen weitern Knorpel, den Kehldeckel, verschließbar. Im Innern des Kehlkopfes bilden sich aus Falten der dort gelegenen Schleimhaut die Stimmbänder, die an den Stellknorpeln befestigt sind und durch diese bewegt werden können, so daß die zwischen ihnen bleibende Spalte (Stimmritze) ihre Weite ändern kann. Sie finden sich bei vielen Fröschen und Eidechsen [* 8] sowie den Krokodilen und den Säugetieren vor und sind zur Hervorbringung der Stimme nötig; bei den Vögeln werden sie durch den sogen. untern Kehlkopf (s. Vögel) [* 9] ersetzt.
Der Kehlkopf des Menschen (s. Tafel »Mundhöhle, Nasenhöhlen und Kehlkopf«) liegt am Zungenbein durch Bänder befestigt, vorn in der Mitte des Halses. Von seinen Knorpeln ist der Schildknorpel (cartilago thyreoidea) der größte; er bildet die vordere und seitliche Wand des Kehlkopfes. Sein am meisten hervorragender Teil heißt Adamsapfel (s. d.). Der Ringknorpel (cartilago cricoidea) bildet einen vollkommenen, horizontal stehenden Ring, dessen vordere Hälfte aber viel niedriger als die hintere ist; sein unterer Rand hängt mit den Knorpelringen der Luftröhre durch Fasergewebe zusammen.
Die Stellknorpel, ihrer Form wegen Gießbeckenknorpel (cartilagines arytaenoideae) genannt, sind beweglich am obern Rande des Ringknorpels eingelenkt und bilden den obern Teil der hintern Wand des Kehlkopfes. Der Kehldeckel (epiglottis) endlich ist eine dünne, herzförmige Knorpelplatte, welche dicht unter der Zungenwurzel hinter dem Schildknorpel und Zungenbein ihre Lage hat. Er steht gewöhnlich aufrecht und etwas schräg nach hinten gerichtet und ist an der innern konkaven Fläche des Schildknorpels (der Stelle des Adamsapfels entsprechend) angeheftet.
Die Stimmbänder (ligamenta glottidis oder vocalia) sind zu zwei Paaren zwischen der hintern Fläche des Schildknorpels und der vordern Ecke der Gießbeckenknorpel ausgespannt, also von vorn nach hinten mitten durch die Höhle des Kehlkopfes gezogen. Die zwischen ihnen bleibende, länglich-dreieckige Spalte, Stimmritze (glottis), ist bei Männern 19-25, bei Weibern 14-17 mm lang, vorn eng, hinten weiter, kann aber auch durch die Bewegungen der Gießbeckenknorpel noch besonders erweitert oder verengert werden.
Die beiden obern Stimmbänder, falsche Stimm- oder Taschenbänder, haben mit der Bildung der Stimme nichts zu thun; sie sind dünn und schlaff und begrenzen die Morgagnische Tasche (die nischenartige Ausweitung der Kehlkopfhöhle zwischen dem obern und untern Stimmband) nach oben. Die untern oder echten Stimmbänder dagegen sind stärker gespannt, dichter und faseriger als jene. Außer denjenigen Muskeln, welche die Lage des Kehlkopfes im ganzen verändern und von ihm nach unten zum Brust-, nach oben zum Zungenbein verlaufen, sind am Kehlkopf selbst kleinere Muskeln vorhanden, welche die einzelnen durch Bänder oder Gelenke miteinander verbundenen Knorpel willkürlich und unwillkürlich gegeneinander bewegen und so die Stimmritze bald verengern, bald erweitern.
Ein besonderer Muskel zieht den Kehldeckel herab und verschließt beim Schlucken den Eingang zum Kehlkopf. Die Höhle des Kehlkopfes ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet, die an ihrer freien Innenfläche (mit Ausnahme der Stellen am Kehldeckel und an den echten Stimmbändern) mit Stimmzellen besetzt und außerdem reich an Schleimdrüsen ist. Die Nerven [* 10] des Kehlkopfes stammen vom Vagus (s. d.). Über die physiologische Bedeutung des Kehlkopfes s. Stimme. Der Kehlkopf des Mannes ist bedeutend größer und umfangreicher als der des Weibes. Beim Kind ist er noch klein, nimmt aber zur Zeit der Pubertät ziemlich schnell seinen vollen Umfang an; beim Jüngling erfolgt zugleich der Stimmwechsel. Die Knorpel des Kehlkopfes (mit Ausnahme des Kehldeckels) haben große Neigung zur Verknöcherung, welche oft schon im Mannesalter, fast immer, zumal beim männlichen Geschlecht, im Greisenalter stattfindet.
Der Kehlkopf, und zumal seine Schleimhaut, ist mannigfachen Erkrankungen unterworfen. Am häufigsten von allen kommen leichtere Schleimhautentzündungen vor (Kehlkopfkatarrhe), welche bald akut, ¶
bald chronisch verlaufen und meist durch Einatmung einer rauhen und kalten oder staubigen, überhaupt verunreinigten Luft, nicht selten auch durch übermäßig angestrengtes Sprechen und Singen entstehen. Die chronischen Formen sind bei herzkranken Personen sowie bei ältern Leuten, welche an Lungenemphysem leiden, durch die dauernde Überfüllung der Schleimhaut mit venösem Blut (Cyanose) bedingt. Beim Kehlkopfkatarrh sondert die gerötete und mehr oder minder geschwollene Schleimhaut einen reichlichen zähen, oft eiterähnlichen Schleim ab. Der Kranke empfindet ein fortwährendes Kitzeln, einen Reiz im K., der ihn zu öfterm Husten nötigt. Je stärker die Schleimhautschwellung, um so mehr ist auch die Stimme verändert.
Gewöhnlich ist Heiserkeit, manchmal vorübergehende Stimmlosigkeit vorhanden; nicht selten springt die Stimme aus dem ihr hierbei eigentümlich rauhen und tiefen Ton unwillkürlich in eine sehr hohe Tonlage über. Wird der Kehlkopfkatarrh chronisch, so bleibt der Fehler der Stimme ein permanenter. Eine schwere Entzündung der Kehlkopfschleimhaut ist der Krupp (s. d.) oder die häutige Bräune. Eine seltene, aber gefährliche Entzündung im Bereich des Kehlkopfes ist die Knorpelhautentzündung (Perichondritis laryngea), welche in einer Eiterung um Ring- [* 12] und Gießbeckenknorpel besteht, welche geradezu die Abstoßung dieser Teile herbeiführen kann, welche dann durch Hustenstöße entfernt werden.
Die Schleimhaut des Kehlkopfes ist häufig der Sitz von Geschwüren, von welchen die syphilitischen und tuberkulösen Geschwüre in erster Linie zu nennen sind. Die Syphilis kann an dem Kehlkopf furchtbare Zerstörungen anrichten, teils durch die von der Schleimhaut ausgehende Verschwärung, teils durch die Narbenbildung, welche sich an die Heilung der Geschwüre anschließt. Die Stimme wird vernichtet, es entsteht oft eine bis zum Verschluß sich steigernde Enge der Stimmritze, so daß der Luftröhrenschnitt gemacht werden muß, will man nicht den Kranken an Erstickung sterben lassen (vgl. Tafel »Halskrankheiten«). [* 13]
Eine sehr häufige Krankheit des Stimmorgans ist die sogen. Kehlkopfschwindsucht. Sie besteht in dem Auftreten mehr oder weniger zahlreicher, oft sehr ausgedehnter tuberkulöser Geschwüre der Kehlkopfschleimhaut, durch welche die Stimmbänder früh zerstört, einzelne Knorpel des Kehlkopfes ausgelöst und ausgestoßen, der Kehldeckel manchmal ganz vernichtet wird. Diese Verschwärung führt zur Heiserkeit, selbst zur Stimmlosigkeit, bedingt aber zuweilen auch durch die begleitende Anschwellung der Schleimhaut eine lebensgefährliche Verengerung der Stimmritze.
Die Kehlkopfschwindsucht kommt nur bei solchen Menschen vor, deren Lungen bereits ausgedehnte Zerstörungen aufzuweisen haben, niemals wird sie als selbständige Krankheit beobachtet. Erwähnt sei hier, daß nicht jede Heiserkeit bei schwindsüchtigen Personen von einer Kehlkopfsschwindsucht ^[richtig: Kehlkopfschwindsucht] abhängig zu sein braucht, sondern ihren Grund in einer Verfettung der Muskeln haben kann, während die Schleimhaut durchaus gesund geblieben ist. Es kommen ferner im K. sogen. Polypen vor (s. Tafel »Halskrankheiten«),
kleine, bald schmal gestielte, bald breit aufsitzende Geschwülste von verschiedenem Gefüge, welche im allgemeinen dadurch störend wirken, daß sie die freie Schwingung [* 14] der Stimmbänder hindern, daher Heiserkeit oder vollständige Stimmlosigkeit erzeugen. Größere Polypen können durch Verengerung der Stimmritze Atemnot, selbst Erstickungsgefahr hervorrufen. Die meisten Kehlkopfpolypen sind warzenförmige Geschwülste von an sich gutartigem Charakter, welche jedoch durch Umfang und Anzahl höchst unbequem werden können.
Auch bösartige Geschwülste, Krebse u. dgl. kommen nicht selten im K. vor. Erwähnt seien endlich der Stimmritzenkrampf (s. d.) und die Stimmbandlähmung, welch letztere erfolgreich durch den galvanischen Strom behandelt wird. In den letzten 20 Jahren hat sich ein besonderer Zweig der Chirurgie, die sogen. Laryngochirurgie, entwickelt, welche darauf abzielt, die Kehlkopfhöhle unter Beleuchtung [* 15] vom Mund her für blutige Eingriffe zugänglich zu machen, eine Spezialwissenschaft, um welche sich Bruns in Tübingen [* 16] großes Verdienst erworben hat.
Die Vervollkommnung dieser Methode hat bald nach der Einführung des Kehlkopfspiegels die Heilkunde um die ganze Reihe der Inhalationskuren bereichert, und seit 1878 ist es mehrfach gelungen, bei krebsigen Zerstörungen den ganzen oder halben Kehlkopf zu entfernen, und ihn nach eingetretener Heilung durch einen künstlichen Apparat so weit zu ersetzen, daß die Kranken mit deutlich vernehmbarer, wenn auch schnarrender Stimme sprechen können. Die Behandlung der Kehlkopfkrankheiten läßt sich nunmehr, wie aus dem Angeführten genugsam hervorgeht, nicht mehr summarisch besprechen.
Das Tragen eines Jeffreyschen Respirators ist bei Heiserkeit in jedem Fall zu empfehlen, da durch ihn die Atmungsluft warm, feucht und rein erhalten wird. In neuerer Zeit wird gegen die Schmerzhaftigkeit von Kehlkopfsgeschwüren sowie gegen den Hustenreiz bei chronischen Katarrhen vielfach das Kokain angewandt.
Vgl. Merkel, Der Kehlkopf (Leipz. 1873);
Bruns, Die Laryngoskopie und die laryngoskopische Chirurgie (2. Aufl., Tübing. 1874);
Derselbe, 23 neue Beobachtungen von Polypen des Kehlkopfes (das. 1874);
Tobold, Laryngoskopie und Kehlkopfkrankheiten (3. Aufl., Berl. 1874);
Waldenburg, [* 17] Die lokale Behandlung der Krankheiten der Atmungsorgane (2. Aufl., das. 1872);
Derselbe, Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Zirkulationskrankheiten (2. Aufl., das. 1880);
Burow, Laryngoskopischer Atlas [* 18] (Stuttg. 1877);
Gottstein, Die Krankheiten des Kehlkopfes (Wien [* 19] 1884).