Spiel
,
eine Beschäftigung, die um der in ihr selbst liegenden
Zerstreuung, Erheiterung oder Anregung willen, meist
mit andern in
Gemeinschaft, vorgenommen wird. Man teilt die Spiele
am besten ein in Bewegungsspiele, zu
denen unter andern die
Ball-,
Kugel-,
Kegel- und Fangspiele
gehören, und in Ruhespiele, die solche zur Schärfung der
Beobachtung
und der
Aufmerksamkeit, zur Bethätigung von
Witz und Geistesgegenwart, also die meisten unsrer sogen. Gesellschaftsspiele
,
dazu
Karten-,
Brettspiele, das
Schach u. a., umfassen.
Glücksspiele (s. d.), um
Gewinn betrieben, fallen nicht unter diesen
Begriff des Spiels.
Wenngleich manche Spiele über viele
Völker der
Erde verbreitet sind, so ist doch im ganzen die Art der Spiele
eines
Volkes bezeichnend für seinen
Charakter wie
für seine Bildungsstufe. Das S. beruht daher meist auf volkstümlicher oder örtlicher
Sitte; es kann
aber auch pädagogisch und planmäßig zur
Förderung leiblicher oder geistiger
Kräfte benutzt werden. Der Wert des Spiels
in letzterer Hinsicht, den schon Gesetzgeber und
Philosophen des
Altertums erkannt hatten, ist besonders durch die von
Rousseau,
den Philanthropisten,
Pestalozzi und
Fröbel (s.
Kindergärten) ausgehenden erzieherischen Bestrebungen zur Geltung
gekommen.
Die Bewegungsspiele
hat auch die
Turnkunst, insbesondere das Schulturnen, in ihren Bereich gezogen.
Großer Wert wird diesen
Spielen
in
England beigelegt, wo an allen
Unterrichts- und Erziehungsanstalten bis zu den
Universitäten hinauf Wettspiele
im
Schwange sind. In
Deutschland
[* 2] hat der preußische Kultusminister von
Goßler der
Sache der
Jugendspiele durch
seinen
Erlaß vom erfreulichen Aufschwung gegeben.
Vgl.
Schaller, Das
S. und die Spiele
(Weim. 1851);
Lazarus, Über
die
Reize des Spiels
(Berl. 1883);
insbesondere die Spiel
sammlung von
Guts Muths (7. Aufl., hrsg. von Schettler,
Hof
[* 3] 1885);
Jakob,
Deutschlands
[* 4] spielende
Jugend (3. Aufl., Leipz. 1883);
Kohlrausch und
Marten, Turnspiele
, Wettkämpfe,
Turnfahrten (3. Aufl., Hannov. 1884);
Kupfermann, Turnunterricht und Jugendspiele (Bresl. 1884);
Georgens, Das S. und die Spiele der Jugend (Leipz. 1884);
Köhler, Die Bewegungsspiele des ¶
mehr
Kindergartens (8. Aufl., Weim. 1888);
Wagner, Illustriertes Spielbuch für Knaben (10. Aufl., Leipz. 1888);
Gayette-Georgens, Neues Spielbuch für Mädchen (Berl. 1887);
Wolter, Das S. im Hause (Leipz. 1888).
Über Gesellschafts- u. Unterhaltungsspiele im allgemeinen vgl. Alvensleben, Handbuch der Gesellschaftsspiele (8. Aufl., Weim. 1889); »Encyklopädie der Spiele« (3. Aufl., Leipz. 1878); Georgens, Illustriertes Familien-Spielbuch (das. 1882). - Bei den Alten nahmen die großen öffentlichen Kampfspiele (s. d.) die oberste Stelle ein, aber auch gesellige Spiele hatten sie in nicht geringer Zahl, namentlich die Griechen, so bei Gelagen den Weinklatsch (s. Kottabos), das bei Griechen und Römern sehr beliebte Ballspiel (s. d.) und Würfelspiel (s. Würfel), das Richterspiel der Kinder etc. Ein Brettspiel (petteia), nach der Sage eine Erfindung des Palamedes, erscheint bereits bei Homer als Unterhaltung der Freier in Ithaka (»Odyssee«, I, 107); doch fehlt uns nähere Kunde über die Art der griechischen Brettspiele.
Unserm Schach- oder Damenspiel scheint das sogen. Städtespiel ähnlich gewesen zu sein. Von den verschiedenen Gattungen der römischen Brettspiele sind einigermaßen bekannt der ludus latrunculorum (Räuberspiel), eine Art Belagerungsspiel, wobei die Steine in Bauern und Offiziere geteilt waren und es galt, die feindlichen Steine zu schlagen oder festzusetzen, und der ludus duodecim scriptorum, das S. der 12 Linien, bei welchem auf einem in zweimal 12 Felder geteilten Wurfbrett das Vorrücken der 15 je weißen und schwarzen Steine durch die Höhe des jedem Zug vorangehenden Würfelwurfs bestimmt wurde. Sehr beliebt war im Altertum das Fingerraten, noch heute in Italien [* 6] verbreitet als Moraspiel (s. Mora).
Vgl. Grasberger, Erziehung und Unterricht im klassischen Altertum (Würzb. 1864-81, 3 Tle.);
Becq de Fouqiers, Les jeux des anciens (2. Aufl., Par. 1873);
Ohlert, Rätsel und Gesellschaftsspiele der alten Griechen (Berl. 1886);
Richter, Die Spiele der Griechen und Römer [* 7] (Leipz. 1887). -
Aus der deutschen Vorzeit wird als vornehmstes Volksspiel der Schwerttanz erwähnt, neben welchem Steinstoßen, Speerwerfen, Wettlaufen beliebt waren. Auch das Kegeln und das stets mit Leidenschaft betriebene Würfelspiel sind uralt. Während das Landvolk an diesen Spielen festhielt, wandten sich die höfischen Kreise [* 8] der Ritterzeit vorwiegend den Kampfspielen zu, aus denen sich unter fremdem Einfluß die eigentlichen Ritterspiele (Tjost, Buhurt, Turnier) entwickelten.
Daneben wurde das Ballspiel (von der weiblichen Jugend) und als beliebteste Verstandesspiele das Brettspiel und das Schachspiel (seit dem 11. Jahrh.) eifrig betrieben. In der spätern Zeit des Mittelalters trat, namentlich in den Städten, das Spielen um Geld in den Vordergrund.
Vgl. Schultz, Das höfische Leben im Mittelalter, Bd. 1 (2. Aufl., Leipz. 1889);
Kriegk, Deutsches Bürgertum im Mittelalter (Frankf. 1868 u. 1871);
Weinhold, Die deutschen Frauen im Mittelalter (2. Aufl., Wien [* 9] 1882).