1) Kreis
[* 13] im preuß. Reg.-Bez. Arnsberg, hat 530,46 qkm und (1895) 54 188 E., 2 Städte und 105 Landgemeinden. - 2) Kreisstadt
im Kreis S., in 98 m Höhe, in der fruchtbaren Börde, an den Linien Emden-S. (239,2 km) und Holzminden-Schwerte
der Preuß. Staatsbahnen,
[* 14] Sitz des Landratsamtes, eines Amtsgerichts (Landgericht Dortmund),
[* 15] einer Land- und Kreisbauinspektion,
eines Steuer-, Katasteramtes und einer Reichsbanknebenstelle, hat (1895) 15 407 (7585 männl., 7822 weibl.)
E., darunter 6463 Katholiken und 392 Israeliten, Postamt erster Klasse und Zweigstelle, Telegraph,
[* 16] Reste der ehemaligen Befestigungen,
darunter der Kattenturm und das architektonisch interessante, restaurierte Osthofenthor, sieben Kirchen
(eine katholische), darunter der roman. Dom (kath. Patroklikirche), die Petrikirche, die durch ihre wiederhergestellten mittelalterlichen
Wandmalereien sehenswerte Kirche Maria zur Höhe und besonders die 1314 gegründete, im 15. und 16. Jahrh. ausgebaute,
1850-82 restaurierte und mit zwei Türmen versehene Wiesenkirche, mit schönem Altarblatt (1437), eine
Perle der got. Architektur, ein Archigymnasium, 1534 unter Mitwirkung von Melanchthon gegründet, eine höhere Mädchen-, Rektoratsschule,
evang. Predigerseminar (seit 1892), evang. Lehrerseminar (seit
1806), Präparandenschule, landwirtschaftliche Winterschule, Provinzialtaubstummenanstalt, Blindenanstalt, städtisches Krankenhaus,
[* 17] kath. Marienhospital, Walpurgis-Kinderstift (Waisenhaus), kath.
Leo-Waisenhaus, Gasanstalt, Wasserleitung,
[* 18] Schlachthof, zwei Sparkassen und eine Kreditbank.
Die Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von Nieten, Malz, Maschinen, Hüten, Cigarren, Blechwaren und
Lampen;
[* 19] ferner bestehen ein Puddel- und Blechwalzwerk, eine Aktienzuckerfabrik, 11 Brauereien, 4 Branntweinbrennereien, Dampf-
und Wassermühlen, Dampfsägewerk, Ziegeleien, Getreidehandel, Ackerbau und ein bedeutender Allerheiligenmarkt. Die die Stadt
umgebende Börde (Ober- und Niederbörde) ist ein sehr fruchtbarer Landstrich von 250 qkm mit 10 Dörfern
und etwa 25000 E. Im Dorfe Sassendorf (1300 E.), 5 km von S., ist eine alte, dem sog. Kollegium
der Salzbeerbten gehörige Saline. - S., im Mittelalter eine der ersten Hansestädte mit fast reichsstädtischen Rechten,
war durch seine Einwohnerzahl (20-25000), durch Handel und Reichtum eine der ersten Städte Norddeutschlands.
Auch in der Rechts- und Kunstgeschichte des Mittelalters trat die Stadt hervor. Schon im 12. Jahrh. wurde das SoesterStadtrecht,
die «Schrae» (Jus Susatense) genannt, geordnet, das in vielen andern Städten, Lübeck, Hamburg u. s. w., als Norm diente.
S. gehörte zum Herzogtum Sachsen zwischen Elbe und Rhein und galt als Hauptstadt des Landes der Engern.
Als der letzte sächs. Herzog, Heinrich der Löwe, 1180 in die Reichsacht erklärt war, kam S. mit dem übrigen Westfalen
[* 20] und
Engern an Köln.
Nach einer Reihe vorausgegangener Mißhelligkeiten kam es gegen Mitte des 15. Jahrh. zum Bruche mit Köln. Während in der
SoesterFehde (1444-47) das Streben des Kölner
[* 21] Erzbischofs Dietrich von Mörs darauf gerichtet war, seine
volle Landesherrlichkeit über S. zum Ausdruck zubringen, trachtete die namentlich infolge ihrer Zugehörigkeit zur Hansa reich
gewordene Stadt danach, sich der landesherrlichen Gewalt ihres geistlichen Oberherrn zu entziehen. Am trat die
Stadt unter den Schutz des herzogl. Hauses Cleve,
[* 22] welches schon seit der Mitte des 14. Jahrh. mit den
Kölner Erzbischöfen um die Hegemonie in den niederrhein.-westfäl. Landen gekämpft hatte. Dieser Kampf wurde nun zu Gunsten
der Herzöge von Cleve entschieden, worauf S. und die Börde 1449 unter die Landeshoheit des Herzogs von Cleve
kamen. Die Geschichte der Stadt S. fällt seitdem mit derjenigen der GrafschaftMark zusammen. -
Vgl. Aldenkirchen, Die mittelalterliche
Kunst in S. (Bonn
[* 23] 1875);
Freiherr Heeremann von Zuydwyk, Die älteste TafelmalereiWestfalens (Münst.
1882);