Aber nur durch äußerste Vorsicht in der Äußerung seiner
Ansichten entging
er den protestantischen Ketzergerichten,
während die
Inquisition sein
Vermögen in
Italien
[* 7] mit
Beschlag belegte. Nach zweimaligem Aufenthalt in
Polen (1555 und 1558)
starb er 1562 in Zürich.
Die nach ihm genannte
Partei erhielt eine festere Begründung erst durch seinen
Neffen Faustus. Derselbe war 1539 zu
Siena geboren, mußte aber seine Vaterstadt 1559 verlassen. Seit 1562 in Zürich
lebend, befestigte er sich
durch
Studium des litterarischen
Nachlasses seines Oheims ganz in der von demselben eingeschlagenen
Richtung. Er kehrte dann
nach
Italien zurück, mußte aber nach zwölfjährigem Aufenthalt am florentinischen
Hofe vor den Verfolgungen der
Inquisition
abermals dieFlucht ergreifen; er begab sich 1574 nach Basel
[* 8] und 1578 nach
Siebenbürgen, um in dem zwischen
FranzDavid (s. d. 2) und
GeorgBlandrata (s. d.) ausgebrochenen Streit über die
AnbetungChristi als
Schiedsrichter zu fungieren.
Ebenso erfolglos bekämpfte er im folgenden Jahr zu
Krakau
[* 9] die wiedertäuferischen
Ansichten der dortigen
Unitarier. Erst 1603 ward
der Anabaptismus endgültig aus der
Gemeinde der
Unitarier ausgeschlossen. S. lebte seit 1587 wieder in
Krakau, seit 1598, nachdem
er von den
KrakauerStudenten als Häretiker entsetzlich gemißhandelt und alle seine
Papiere verbrannt worden waren, zu Luclawice
bei einem polnischen
Edelmann; er starb hier Seine
»Opera« bilden den 1. und 2.
Band
[* 10] der »Bibliotheca
fratrum polonorum«.
Christus ist ein menschliches
Wesen, das aber infolge der übernatürlichen Erzeugung und einer Entrückung in den
Himmel
[* 19] (raptus
in coelum) befähigt war, den
Menschen durch
Lehre
[* 20] und
Leben den Weg zu Gott zu zeigen. Durch seinen
Tod hat er die
Wahrheit seiner
Lehre als
Blutzeuge bestätigt und ist göttlicher
Würde teilhaftig geworden.
Taufe und
Abendmahl sind nützliche,
aber nicht absolut notwendige
Zeremonien.
Vgl.
Fock, Der Socinianismus
(Kiel
[* 21] 1847, 2 Bde.);
Ferencz,Kleiner Unitarierspiegel
(deutsch,
Wien
[* 22] 1879).
die Anhänger des Lälius und Faustus Socinus. Lälius Socinus (Lelio Sozzini), aus altem Geschlecht, geb. 1525 in
Siena, ging von der Rechtsgelehrsamkeit zur Theologie über und fand sich bald in einem Gegensatz zur herrschenden Kirchenlehre,
der noch über den der deutschen Reformation hinausging. Seit 1546 machte er Reisen in die Schweiz, nach
Deutschland und Polen, auf denen er mit mehrern Reformatoren bekannt wurde. Er starb schon 1562 in Zürich.
Der eigentliche Begründer
des Socinianismus als einer Gemeinschaft ist sein Neffe Faustus Socinus (Fausto Sozzini), geb. 1539 zu Siena. Er
kam früh durch Untersuchungen über Glaubenswahrheiten in den Verdacht ketzerischer Ansichten, mußte 1559 seine Vaterstadt
verlassen und wandte sich nach Lyon.
[* 23]
Durch den Tod seines Oheims in den Besitz der Handschriften desselben gesetzt, begann er in Florenz,
[* 24] wo er 1562-74 am Hofe des
Großherzogs lebte, die Verbreitung seiner Lehren durch kleine Schriften. Später wendete er sich nach Basel,
Siebenbürgen
(1578) und Polen (1579), wo er nach Beseitigung innerer Zerwürfnisse die Unitarier zu einem festen Gemeindeverbande vereinigte.
Aber auch in Polen wurde er verfolgt, und die Konfiskation seiner Güter in Italien brachte ihn um sein Vermögen. Auf dem Gute
eines seiner Anhänger in der Nähe von Krakau starb er Sein Neffe Wiszowoty gab seine Schriften
gesammelt und im 1. und 2. Bande der «Bibliotheca fratrum Polonorum» (Amsterd. 1656 fg.)
heraus. -
Vgl. Przykovius, Vita Fausti Socini (Krak. 1636);
Illgen, Symbola ad vitam et doctrinamL. Socini (3 Hefte,
Lpz. 1826-40);
Nach des Faustus Tode traten Männer wie Valentin Schmalz (Geistlicher in Rakow, gest. 1622), Joh. Völkel
(Prediger zu Szmigel, gest. 1618), Christoph Ostorodt (Prediger zu Buskow bei Danzig,
[* 26] gest. 1611), Hieron. Moskorzowski (gest.
1625) u. a. an die Spitze der Partei, die 1605 auf Grund der Schriften des Faustus im RakauerKatechismus ihr Bekenntnis aufstellte.
In Polen hatten die S. anfangs freie Religionsübung erlangt, bis die Einführung der Jesuiten der friedlichen Entwicklung ein
gewaltsames Ziel setzte. 1627 wurde die Kirche zu Lublin, 1638 die Schule zu Rakow zerstört und unter
Johann Kasimir (seit 1648) wurden alle socinianischen Prediger und Lehrer geächtet.
Seit dieser Zeit sah sich der Socinianismus, von dem sich außer in Siebenbürgen nur in Preußen
[* 27] und den Niederlanden einige
dürftige Gemeindereste erhielten, auf eine bloß litterar. Existenz zurückgedrängt, hat aber namentlich von
Amsterdam
[* 28] aus auf die Arminianer und selbst auf die luth. Theologie Einfluß geübt. Jetzt giebt es in Siebenbürgen noch etwa 55000 Unitarier,
die den alten S. in der Lehre am nächsten stehen, während die Unitarier in England und Nordamerika,
[* 29] in deren Reihen Männer
wie Biddle (s. d.), Channing (s. d.),
Martineau u. a. hervorragen, ihre Anschauungen noch
¶
mehr
weiter entwickelt haben. Die S. werden als Vorläufer der Rationalisten angesehen. Allerdings erkennen sie die Notwendigkeit
einer übernatürlichen Offenbarung, die in der Heiligen Schrift niedergelegt sei, an, beschränken aber nicht allein die
Inspiration derselben auf das religiös Wesentliche in ihr, sondern räumen auch der Vernunft eine kritische Stellung ein, ohne
freilich das Verhältnis von Schrift und Vernunft zu klarem Ausdruck zu bringen. Am schärfsten ist ihr Gegensatz gegen die
herrschenden Kirchen in den Lehren von der Dreieinigkeit, der Person und dem Werke Christi. Erstere verwerfen sie ganz als schrift-
und vernunftwidrig; in Christus erkennen sie einen wirklichen, aber vom HeiligenGeiste erzeugten und im
Himmel von Gott selbst übernatürlich belehrten Menschen, an dessen göttlicher Verehrung sie übrigens festhalten, dessen
erlöserische Thätigkeit nicht durch Zurechnung seines Verdienstes, sondern vermittelst moralischer Einwirkung erfolgt.
Sie selbst nennen sich Unitarier. (S. Antitrinitarier.)