Seftigen.
Amtsbezirk des Kantons Bern. Umfasst das von Hügelzügen und Thälern durchzogene Gebiet des bernischen Mittellandes zwischen Aare und Schwarzwasser. Er grenzt im O. an die Aemter Konolfingen und Thun, im S. an Thun, im W. an Schwarzenburg und im N. an den Amtsbezirk Bern. Die Bodengestaltung ist eine sehr mannigfaltige, indem sich in den aus weicherem Gestein (Molasse) bestehenden Bergmassen mehrere kañonartige Einschnitte gebildet haben. Die S.-Spitze des Amtes reicht bis an den in der Stockhornkette liegenden Ganterist (2177 m), von wo aus sich nach N. über Seelibühl (1750 m) die Höhen des Gurnigel zur Giebelegg (1132 m) und über die Gegend von Rüeggisberg hin bis zum Bette des Bütschelbaches erstrecken. Diese Höhen sind oben stark ¶
mehr
bewaldet, während sich an ihren Abhängen saftige Weiden (Vorsassen) und Alpen ausdehnen. Oestl. der Giebelegg beginnt ein langgestreckter Bergrücken, der sich in n. Richtung bis in die Nähe der Stadt Bern zieht und dort im Gurten (860 m) endigt. Es ist dies der Längenberg, dessen höchster Punkt den westl. Vorsprung der Bütschelegg (1058 m) bildet und auf dessen Rücken sich ein fruchtbares, mit zahlreichen Bauernhöfen übersätes Gelände ausbreitet. Nach O. fällt der Längenberg ziemlich steil zum Gürbethal ab. Dieses ist ein typisches Erosionsthal und steigt im O. wieder hinan zu den Moränenhügeln um Gurzelen und Kirchdorf, sowie zum steilwandigen, oben tafelförmigen Belpberg (895 m), dessen höchster Punkt rasch zum Aarethal hinabfällt, wo die Aare von Thierachern bis nach Muri die östl. Grenze des Amtes bildet.
Die vom Ganterist und der Nünenenfluh herabkommende Gürbe durchfliesst das Gürbethal und musste in den letzten 50 Jahren mit grossen Kosten korrigiert und eingedämmt werden. Sie nimmt die Grosse und die Kleine Müsche auf und mündet unterhalb Belp bei Selhofen in die Aare. Auf der W.-Seite des Längenberges fliessen der Bütschel- und der Scherlibach zum Schwarzwasser hinab, das auf der w. Grenze des Amtes der Sense zueilt. Der Boden des gesamten Amtes eignet sich vorzüglich zu Ackerbau und Viehzucht, so dass diese Erwerbszweige denn auch den ersten Rang einnehmen.
Flächeninhalt 19510 ha, wovon 18140 produktives und 1370 unproduktives Land. Jenes verteilt sich auf
ha | |
---|---|
Aecker und Gärten | 8467 |
Wiesen und Hofstatten | 4259 |
Weiden und Alpen | 796 |
Wald | 4618 |
Total | 18140. |
In den niedern Lagen, wie im Gürbethal, auf dem Plateau zwischen Aare und Gürbe und auch auf dem Längenberg, wird beträchtlicher Obstbau getrieben. Die letzte Obstbaumstatistik ergab auf einem Areal von 12406 ha:
Apfelbäume | 61093 |
Birnbäume | 19474 |
Kirschbäume | 30775 |
Zwetschgen und Pflaumen | 28579 |
Nussbäume | 3891 |
Spaliere | 1947. |
Neben dem Ackerbau sind Viehzucht und Milchwirtschaft bedeutend entwickelt. Die Milch wird in 33 Käsereien verarbeitet, während ein kleinerer Teil, namentlich von Belp, nach Bern wandert. Die eidg. Viehzählungen haben folgende Ergebnisse geliefert:
1859 | 1886 | 1896 | 1901 | |
---|---|---|---|---|
Rindvieh | 8607 | 11489 | 13154 | 15151 |
Pferde | 1173 | 1217 | 1305 | 1482 |
Schweine | 3239 | 3814 | 5877 | 6092 |
Schafe | 9031 | 7166 | 4560 | 3126 |
Ziegen | 3723 | 4660 | 4361 | 3312 |
Bienenstöcke | - | 2144 | 3200 | 3011. |
Das Amt Seftigen
besteht aus 8 Kirchgemeinden: Belp, Gerzensee, Gurzelen, Kirchdorf, Rüeggisberg, Thurnen, Wattenwil und Zimmerwald,
sowie aus 27 politischen Gemeinden: Belp, Belpberg, Burgistein, Englisberg, Gelterfingen, Gerzensee, Gurzelen, Jaberg, Kaufdorf, Kehrsatz,
Kienersrüti, Kirchdorf, Kirchthurnen, Lohnstorf, Mühledorf, Mühlethurnen, Nieder Muhleren, Noflen, Riggisberg,
Rüeggisberg, Rümligen, Rüti bei Riggisberg,
Seftigen
, Toffen, Uttigen, Wattenwil und Zimmerwald. 3803 Haushaltungen in 2818 Häusern. 19503 reform.
und deutschsprechende Ew. (100 auf 1 km2), die zur überwiegenden Mehrzahl von Viehzucht und Ackerbau leben.
Ein kleiner Teil findet Arbeit in einigen Fabriken (Kindermehlfabrik in Belp und Tuchfabrik in Steinibach),
sowie als Bauarbeiter in der Stadt Bern.
Verkehr und Industrie haben sich erst seit Eröffnung der Gürbethalbahn entwickelt. Diese
bedient die Stationen Kehrsatz, Belp, Toffen, Kaufdorf, Thurnen, Wattenwil-Burgistein und Seftigen.
Postwagenkurse Kehrsatz-Zimmerwald-Rüeggisberg
und Thurnen-Riggisberg-Gurnigelbad. Mineralquellen und Kurorte: Gurnigelbad (400 Betten) und Gutenbrunnen bei Rümligen. Drei Sekundarschulen
(Belp, Thurnen und Wattenwil). Je ein Amtsspital in Wattenwil und Riggisberg. Erziehungsanstalt für Mädchen
in Kehrsatz. In Riggisberg befindet sich das grosse mittelländische Armenhaus.
Seftigen
, das zuerst zu Burgund und dann den Grafen von Neuenburg
und Nidau gehörte, kam 1381 durch Kauf an Oesterreich, wurde aber
nach dem Sempacherkrieg 1386 und im Krieg gegen Freiburg
1388 durch die Berner erobert, die es als Landgericht
von dem Venner der Zunft zu Pfistern verwalten liessen. Der Venner von Seftigen
hatte 3 Freiweibel. Nach dem Volksaufruhr
von 1513 erhielt das Landgericht einen Freiheitsbrief. Laut Beschluss des Grossen Rates vom hatte Seftigen
ein
Regiment Soldaten zu liefern. Vor 1798 bestanden im ganzen 11 Pfarreien, worauf 1803 die Gemeinden Blumenstein, Thierachern
und Reutigen von Seftigen
abgetrennt wurden. 1803-1831 amtierten der Reihe nach 4 Oberamtmänner, die nachher durch die noch
jetzt jeweilen auf eine kürzere Amtsdauer gewählten Bezirksbeamten ersetzt wurden. Amtshauptort ist Belp. Vergl. Wattenwil,
Ludwig von. Beschreibung des Landgerichts Seftigen
(1772; Manuskr. auf der Berner Stadtbibliothek). - Illustr. Führer durch
das Gürbethal. Bern
1903.