Schiffahrt
skanäle,
s. Kanäle.
Schiffahrtskanäle
4 Seiten, 2'368 Wörter, 17'369 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Schiffahrtskanäle,
s. Kanäle.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Schiffahrtskanäle,
künstlich für Schiffahrt
szwecke hergestellte Wasserstraßen, die entweder
freie offene Durchstiche oder eine fortlaufende Folge durch Stauvorrichtungen voneinander geschiedener Wasserhaltungen sind.
Die durch offene S. verbundenen Gewässer können gleiche Höhe haben, wie z. B. (s. Tabelle I zur Karte) bei dem Bickow- oder
dem Erftkanal, oder zeitweilig verschiedene, wie bei einigen der in das Meer mündenden Kanäle oder, wie
zumeist, dauernd verschiedene. In beiden letztern Fällen haben die S. Strömung, wenn schon meist eine geringe.
Haltungsschiffahrt
skanäle stellen eine Anzahl von wagerechten Wasserbecken dar, die ohne Strömung sind. Deren Höhenunterschiede
werden durch besondere Konstruktionen ihrer Stauvorrichtungen (Schiefe
[* 2] Ebenen, s. d., und Schleusen, s. d.)
für die Schiffahrt
überwunden. Man unterscheidet See- und Binnenlandskanäle. Seekanäle verbinden
zwei Meeresteile miteinander, wie der Nordostseekanal,
[* 3] der Sueskanal,
[* 4] der Canal des deux Mers (s. unten), oder ein binnenlands
gelegenes Wasserbecken mit dem Meer, wie der Manchester-Schiffskanal (s. d.). Binnenlandskanäle gehen entweder
von einem Flußlauf aus und münden weiter unterhalb wieder in ihn ein (Seiten- oder Lateralkanal) oder
sie verbinden zwei Wasserläufe (Wasserscheidenkanal).
Haben in letzterm Falle die S. eine Haltung, die höher liegt als jeder der beiden Wasserläufe, so heißt sie Scheitelhaltung.
Während in offenen S. die Wassertiefen je nach dem Wechsel der Höhe der Wasserspiegel in einem oder beiden der verbundenen
Gewässer sich ändern, bleibt in den Haltungen der Haltungskanäle die Tiefe principiell gleich. Zuweilen
bezeichnet man auch kürzere Durchstiche und Begeradigungen eines Flusses als Kanäle. Fehn- oder Hochmoor-Schiffahrt
skanäle
(vgl. Artikel Fehn- und Moorkolonien) dienen jederzeit in erster Linie der Entwässerung, erst in zweiter der Schiffahrt.
Auch die Flüsse [* 5] selbst kann man durch Einbau von Stauwerken mit Schleusen u. s. w. kanalisieren, d. h. für die Zeit niedriger Wasserstände derart anstauen, daß in den einzelnen Haltungen die für die Schiffahrt erforderliche Tiefe vorhanden ist, wobei die Wirksamkeit eines Stauwerkes bis zum nächst obern reichen soll. Entsprechend der Wasserführung des kanalisierten Flusses besitzen die einzelnen Haltungen stets ein Wasserspiegelgefälle und also eine geringe Strömung. Auch kanalisierte Flüsse, wie z.B. die Stecknitz (s. Stecknitzkanal), werden zuweilen Kanäle genannt.
Die Querschnittsabmessungen der S. sind sehr verschieden. In Frankreich hat sich die von der Nationalversammlung eingesetzte Kommission für Eisenbahnen und Verkehrswege schon 1874 mit einer einheitlichen Regelung der Frage beschäftigt. Diese ist auf dem Wiener Binnenschiffahrtskongreß von 1886 behandelt. Bei Hauptkanälen verlangt man für die Sohlbreite in Frankreich 10, in Deutschland [* 6] und Österreich-Ungarn [* 7] 16 m, für die Tiefe auf freier Strecke 2, für die nutzbare Schleusenlänge 38,5 und 57,5 bis 67, für die nutzbare Schleusenbreite 5,2 und 7 bis 8,6, für die Wassertiefe auf den Drempeln mindestens 2 und 2,05, für die freie Durchfahrtshöhe unter den Brücken [* 8] 3,7 und 4 bis 4,5 m.
Leinpfade müssen auf mindestens einer Seite durchlaufend sein.
Zu lange gerade Strecken eines Schiffahrtskanals haben den Nachteil vermehrter Wirkung des Wellenschlags auf die (meist durch besondere Schutzmaßregeln gedeckten) Uferböschungen und vermehrten Austreibens des Wassers durch Wind. Die Länge der Halbmesser gekrümmter Strecken (diese pflegt man breiter zu halten als die geraden) richtet sich nach der Länge der verkehrenden Schiffe; [* 9] bei ältern franz. Kanälen beträgt sie zuweilen nur 30–40, beim Nordostseekanal bis zu 6000 m.
Wasserverlust in S. tritt ein
1) durch Versickerung in Sohle und Böschungen, wogegen man sich zuweilen durch deren Bedeckung mit undurchlässigem Boden schützen muß;
2) durch die (in den Sommermonaten besonders wirksame) Verdunstung;
3) bei Haltungskanälen durch Einlassen des Wassers aus den höhern in die tiefern Haltungen beim Durchschleusen der Schiffe, und durch Undichtheit der Stauvorrichtung (Schleusenthore, Schütze u. s. w.). Gespeist werden die Haltungskanäle durch beide oder einen der durch sie verbundenen Wasserläufe, durch Niederschlage, durch hineingeleitete Flüsse, Bäche oder Speisekanäle, endlich in einzelnen Fällen durch Pump- und Wasserhebewerke.
S. haben die allgemeinen Vorteile der Wasserstraßen (s. Flußschiffahrt) und vor einem schiffbaren Fluß folgende besondere Vorzüge: Die geregelten Ufer erlauben überall das Laden und Löschen der Schiffe ohne schwierige Vorrichtungen, was namentlich für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Bedürfnisse wertvoll ist. Für Haltungskanäle kommen hinzu: Man kann in beiden Fahrrichtungen die Zugkraft gleich günstig ausnutzen, ist von den Wasserständen im Fluß unabhängig, kann also den Kanal, [* 10] wenn dieser nicht gefroren ist, stets befahren, man kann endlich bei zweckmäßiger Führung der Kanallinie Bewässerung oder nach Umständen Entwässerung des umliegenden Geländes erzielen. Auch ist in vielen Fällen die Kanalisierung eines Flusses wegen der großen Wehr- und Uferschutzbauten kostspieliger als die Herstellung eines Kanals, weswegen man auch häufig neben an und für sich schiffbaren Flüssen Seitenkanäle angelegt hat. Nachteile der Haltungskanäle gegenüber offenen Kanälen oder Flüssen sind ihr leichteres Zufrieren und der Zeitverlust beim Durchschleusen der Schiffe.
Die vorhandenen deutschen Schiffahrts- und die flößbaren Kanäle sind in den Tabellen I–III zur hierher gehörigen Karte: Die Schiffahrtsstraßen des Deutschen Reiches zusammengestellt. Zu den wichtigsten deutschen Kanälen zählen die (jetzt durchweg künstlichen) Wasserstraßen in und um Berlin, [* 11] einschließlich der Rüdersdorfer Gewässer und des Motzener Kanals, sodann die S. zwischen Stettin, [* 12] Berlin und Magdeburg, [* 13] nämlich der Finow- und Ihlekanal (nebst den betreffenden Havelkanälen), ferner der den Verkehr von Schlesien [* 14] und Berlin-Hamburg vermittelnde Oder-Spree-Kanal, für den Holzimport nach der Mark Unter-Brahe und Bromberger Kanal und für den Holzexport nach der Ostsee der Gilge- und der König-Wilhelms-Kanal, endlich im Rheingebiet der kanalisierte Main, der Rhein-Marne-Kanal und die kanalisierte Saar. Der 1894 begonnene Elbe-Trave-Kanal soll den jetzt bedeutenden, aber sonst durch den Nordostseekanal ¶
an Hamburg [* 16] verloren gehenden Verkehr von und nach den baltischen Ländern für Lübeck [* 17] sichern. Der 1895 der Vollendung ziemlich nahe Kanal Dortmund-Emshäfen, in den der von Herne nach Henrichenburg mündet, ist einer der größten S. Europas. Er soll einerseits die Heideländereien der Regierungsbezirke Münster [* 18] und Osnabrück [* 19] meliorieren, andererseits der Ausfuhr der westfäl. Kohle, zunächst nach den Emshäfen und durch den Ems-Jade-Kanal nach Wilhelmshaven, [* 20] später, nach Fertigstellung des Mittellandkanals, nach den Weser- und Elbhäfen dienen. Die projektierten deutschen und deutsch-österreichischen S. sind in umstehender Tabelle (S. 440) nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Ausführung, wie sie der Stand vom Frühjahr 1895 ergiebt, geordnet.
Das weitaus wichtigste Projekt ist dasjenige der durchgehenden Kanalverbindung vom Rhein nach Vinnum oder Herne oder Henrichenburg zum Dortmund-Emshäfenkanal und von diesem (bei Bevergern) zur Weser und Elbe (Mittellandkanal). Doch ist die Teilstrecke nach dem Projekt d der Tabelle vom preuß. Abgeordnetenhause 1894 abgelehnt worden, so daß über dieses Projekt noch weitere Ermittelungen angestellt werden. Die Ausführung des Gesamtprojekts erfordert zwar bedeutende Kosten, würde sich aber nicht allein für den Austausch der Industrie- und landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Ostens und des Westens, sondern auch für die Melioration weiter Landesstrecken in der Provinz Hannover [* 21] als in hohem Grade nützlich erweisen.
Ein ebenfalls sehr wichtiges Projekt ist dasjenige der Verbindung Leipzigs mit der Elbe durch den Elster-Saale-Kanal und die Saale. Während die Projekte Leipzig-Aken und Leipzig-Wallwitzhafen in den Hintergrund getreten sind, hat ein ferneres Projekt Leipzig-Torgau wieder dadurch an Interesse gewonnen, daß man in Schlesien eine Verbindung der Oder von Maltsch aus nach der Elbe in der Gegend von Torgau [* 22] anstrebt; mit diesen Projekten würde sich dasjenige des Elbe-Spree-Kanals leicht in Verbindung bringen lassen, so daß dann Leipzig [* 23] nach Hamburg, Berlin und Schlesien leistungsfähige Wasserverbindungen hätte. Unter den fernern zahlreichen Projekten, für die aber zum Teil noch keinerlei eingehendere Vorarbeiten vorliegen, sind hervorzuheben:
1) Rhein-Maas-Kanal, 90 km von Köln [* 24] über Düren-Aachen nach Maastricht. [* 25]
2) Rhein-Seiten-Kanal, 100 km von Straßburg [* 26] über Lauterburg nach Speyer. [* 27]
3) Rhein-Niers-Kanal, 33 km von Ürdingen über Krefeld-Neersen-Gladbach-Rheydt nach Wickrath.
4) Die Vergrößerung des Ludwigs-Donau-Main-Kanals.
In Rußland plant man eine auf 8 Mill. Rubel veranschlagte Verbindung Cherson-Riga, ferner die Wiederherstellung des alten 9 km langen Kanals quer über den Isthmus von Perekop und die Wiederaufnahme der Arbeiten an dem auf 12 Mill. Rubel veranschlagten, 1825–31 begonnenen 10,7 km langen Kanal Niemen-Windau. Ein Kanal zwischen Ob und Jenissei, auf denen sich der mit 102 Dampfern und 200 Transportschiffen betriebene Verkehr auf gegen 800000 t gehoben hat, wurde neuerdings vollendet. In Österreich-Ungarn ist in Aussicht genommen, außer dem Donau-Oder- und Donau-Moldau-Elbe-Kanal, eine Verbindung der Donau zwischen Budapest [* 28] und Dunaföldvar mit der Theiß zwischen Szolnok und Csongrád und eine solche (unter Benutzung der Flüsse Vaca und Bossut) mit der Save; sogar zu einem Kanalprojekt Wien-Bruck-Graz-Unterdrauburg-Trifail-Laibach-Triest sind die Vorarbeiten genehmigt. In Holland wurde 1893 der Merwedeschiffahrtskanal fertig, der eine bessere Verbindung für Amsterdam [* 29] nach dem Rhein schafft. In Belgien [* 30] ist das Projekt, Brüssel [* 31] zum Seehafen zu machen, zwar aufgegeben, dagegen soll durch einen 13 km langen Seeschiffahrtskanal von 22 m Sohlbreite und 8 m Tiefe von Heyst nach Brügge dieses wieder wie in alter Zeit Seehafen werden.
Auch ist an eine 185 km lange Verbindung Antwerpen-Rhein gedacht. In Frankreich ist neben Vergrößerung und Erweiterung des bestehenden Kanalnetzes ein 2 m tiefer Kanal im Bau, der von Jons über Jonage, Meyzieur, Décines, Baux-au-Bélin nach Lyon [* 32] führt. Dagegen wird der in der Hauptsache in der Richtung des bestehenden Canal du Midi gedachte Seekanal Bordeaux-Narbonne (Canal des deux Mers) wohl nicht zu stande kommen, da er bei 401 km Länge, 20 m Sohlbreite und 7,2 m Tiefe und unter Einbau von 22 Doppelschleusen von etwa 186 m Länge und 25 m Breite [* 33] nahezu 2 Milliarden Frs. kosten würde.
In Italien [* 34] denkt man an eine Verbindung des venet. Kanalnetzes zum Po, Naviglio Grande, Tessin nach dem Lago Maggiore. In Großbritannien [* 35] und Irland, wo die Kanäle großenteils in den Händen von Eisenbahngesellschaften sind, denen an einer Hebung [* 36] des Kanalverkehrs nichts liegt, und wo die an den Manchester-Schiffskanal (s. d.) geknüpften Hoffnungen bis jetzt nicht erfüllt worden sind, werden neue Kanalbauten zur Zeit nicht geplant.
Einen Vergleich der Ausdehnung [* 37] der S. in den wichtigsten Ländern Europas ermöglicht nachstehende Tabelle:
Künstliche | |||||
---|---|---|---|---|---|
Schiffahrtsstraßen | |||||
Natürliche | Zusammen: | ||||
Schiffahrts- | Schiffahrtsstr. | ||||
Länder | straßen | Kanalisierte | See- | Kanal- | überhaupt |
Flüsse | strecken | strecken | |||
km | km | km | km | km | |
Rußland | 25000 | 7250 | – 1 | 1000 | 33250 |
Deutsches Reich | 11399 | 862 | 561 | 2211 | 15033 2 |
Österreich-Ungarn | 5250 | – | – | 230 | 5480 |
Schweden | 1450 | 100 | – 1 | 260 | 1810 |
Holland | 1000 | 380 | – | 3080 | 4460 3 |
Belgien | 850 | 800 | – | 770 | 2420 3 |
Frankreich | 3660 | 3400 | – | 5440 | 12500 |
Italien | 2030 | 400 | – 1 | 1520 | 2950 3 |
Großbritannien und | |||||
Irland | 4200 | 800 | – 1 | 2900 | 7900 |
1 Sind den natürlichen Schiffahrtsstraßen zugerechnet. 2 Einschließlich 1725 km Haff- und Außentiefstrecken. 3 Ohne die kleinern Wasserläufe und Kanäle.
Von den außereurop. Ländern haben Kanäle China, [* 38] Ägypten, [* 39] die Vereinigten Staaten [* 40] von Amerika [* 41] und Canada. Überall wird die Vervollkommnung der Verbindungen durch S. angestrebt.
Das Kanalnetz der Vereinigten Staaten wird ebenfalls noch des weitern ausgedehnt. Der bereits begonnene Hennepin-Schiffahrtskanal wird unter Benutzung des Desplainesflusses Chicago mit dem Mississippi und also den Michigansee mit dem Golf von Mexiko [* 42] verbinden. Er soll bei 64 km Länge 55 m breit, 6 m tief werden und 22 Mill. Doll. kosten. Ferner ist geplant eine 54 km lange Durchstechung der Halbinsel Maryland, die unter Benutzung des des Delawareflusses auf 17 km eine kurze Verbindung Baltimore-Philadelphia-Neuyork ¶
fen soll. Das großartigste Projekt ist das einer Kanalverbindung von Duluth und Port-Arthur am Obern See durch den Staat Neuyork [* 44] nach dem Atlantischen Ocean. Doch ist dies Projekt auf 148 Mill. Doll. veranschlagt. Endlich ist von größern Kanalprojekten noch das einer Durchstechung des Isthmus von Krah der Halbinsel Malaka zu erwähnen, das den Seeweg nach China und Japan kürzen soll.
Die Geldaufwendungen für die S. sind in den Budgets der meisten größern Staaten (außer Frankreich) mit denen für die Flußschiffahrt, die Brückenbauten, den Hochwassermeldedienst und die Meliorierungsbauten derart zusammengeworfen, daß ein klares Bild nickt zu gewinnen ist. In Preußen [* 45] waren für Schiffahrtszwecke bei natürlichen und künstlichen Wasserstraßen 1894/95 ausgeworfen 7946850 M., eine fast gleichhohe Summe für Seebauten und Seekanäle, Brückenbauten, Dienstwohnungen. Daneben wurde 1 Mill. als erste Rate von 20 Mill. für Stromverbesserungen gefordert, von denen aber allein 11 Mill. für die ¶