Scheren
[* 2] der
Haustiere, das aus diätetischen
Gründen geübte Abscheren der
glatten Deckhaare bei dem
Pferd,
[* 3]
Rind
[* 4] und
Schwein.
[* 5]
Pyrenäische Schmuggler sollen schon vor 200
Jahren die
Maultiere geschoren haben, um
Erkältung zu verhüten; aber erst
seit dem dritten Jahrzehnt dieses
Jahrhunderts hat die
Methode bei dem
Pferd in
England Verbreitung gefunden,
und von da ist sie nach
Frankreich und zu uns gekommen. Ursprünglich sollte das
Scheren dem
Pferd nur besseres Aussehen geben,
das
Pferd sollte auch im
Winter Sommerhaar tragen.
Später rühmte man auch, daß es günstigen Einfluß ausübe auf Wohlbefinden, Gedeihen, Leistungsfähigkeit und Verhütung
von
Krankheiten.
Richtig ist zunächst, daß bei dem geschornen
Pferde
[* 6] das
Putzen erleichtert, die
Ausdünstungen
geregelt und das Nachschwitzen gemindert
werden. Bekanntlich besteht die Thätigkeit der
Schweißdrüsen in einer Aushauchung
von Wasserdampf. Bei anstrengender, schneller
Bewegung, wobei mehr
Wärme
[* 7] gebildet wird, steigert sich diese zur tropfbarflüssigen
Schweißbildung.
Der Schweiß konsumiert dann durch seine Verdunstung eine bestimmte Menge Wärme, welche hauptsächlich dem Körper des schwitzenden Tiers entnommen wird. Sieht man nun bei dem geschornen Pferd nach starker Bewegung wenig oder gar keinen Schweiß, so darf man daraus noch nicht schließen, dasselbe produziere weniger Wärme und verliere weniger Wasser, vielmehr entweicht bei ihm die wässerige Ausscheidung in Dunstform. Bei dem nicht geschornen schlägt sich dagegen die Ausscheidung zwischen den Haaren, die eine Luftschicht führen und niedrigern Temperaturgrad besitzen, tropfbarflüssig nieder. Aber es fällt bei dem letztern sehr ins Gewicht, daß es nach der Bewegung eine höhere Wärmeausgabe hat, weil nun die Feuchtigkeit verdunsten soll. Infolge des Scherens werden die Pferde von diesem sogen. Nachschwitzen im Stall nicht belästigt. Dies hat eine ¶
mehr
günstige Wirkung auf die gleichmäßige Verteilung des Bluts und die geregelte Funktion der blutbildenden Organe. Hierdurch ist es bedingt, daß manche Pferde, welche schlecht fressen, nach dem Scheren mehr Futter aufnehmen. Zu beachten ist, daß das Scheren bei kalter Witterung die Gesundheit momentan stört. Zittern, Zusammenstellen der Füße, rauhe Haut, [* 9] Faltenbildung am Hals und Bauch, [* 10] Traurigkeit, geringer Appetit, Steifheit treten ein, selbst in wärmern Ställen.
Erst nach Wochen gleicht sich das aus. Auch Durchfälle, Katarrhe und Brustentzündungen werden zuweilen beobachtet. Das Scheren
der
Pferde ist im ganzen eine Luxusoperation, aus der man unter Umständen wegen der Steigerung der Leistungsfähigkeit u.
der Minderung des Nachschwitzens Nutzen ziehen kann. Bedeutung hat sie nur für Jagd- und Rennpferde und für sonstige Luxuspferde;
für gewöhnliche Arbeits- und Militärpferde ist sie überflüssig. - Bei dem Rind nimmt man das Scheren hauptsächlich vor
zur Förderung der Mast.
In der großen Mehrzahl der Versuche wurden nur Vorteile für die Futterverwertung durch dasselbe gewonnen, jedenfalls wohl, weil das Putzen erleichtert, die Hautthätigkeit angeregt und der Appetit gesteigert wurde. Bei einem in Belgien [* 11] mit besonderer Sorgfalt durchgeführten Versuch zeigten die geschornen Ochsen unter sonst ganz gleichen Verhältnissen gegenüber den ungeschornen (je 6 Stück) in fünf Monaten 42 kg Mehransatz von Fleisch; das entspricht auch der durch die Erfahrung längst konstatierten Thatsache, daß im April zur Mästung aufgestellte Hämmel geschoren ihr Futter viel besser verwerten, sich leichter, rascher und vollkommener mästen lassen und nach dem Schlachten [* 12] ein wertvolleres, dichteres und schwereres Fell liefern als ungeschorne. - Schweine [* 13] werden nur geschoren, um sie leichter vom Ungeziefer befreien zu können.
Zur Ausführung der Schur benutzte man zuerst einen Kamm zum Aufrichten der Haare
[* 14] und eine auf die Fläche gebogene Schere.
[* 15] Die
Langwierigkeit und der teure Preis der Arbeit veranlaßten weiterhin dazu, Sengapparate für Weingeist oder Gas einzurichten,
mit denen über einem kurz gezahnten Kamm die Haare abgebrannt wurden. Da hierbei aber Brandwunden auf der
Haut und Feuersgefahr nicht sicher vermieden werden können, so verwendet man sie höchstens noch zur Entfernung ganz kurzer
Haare und benutzt jetzt allgemein Pferde- und Rinderscheren
, bei welchen Kamm und Schere zu Einem Instrument vereinigt sind (s.
Figur).
Auch benutzt man vielfach eine maschinelle Vorrichtung, bei welcher die eigentliche Schere eine runde Form besitzt. Die Verschiebung der beiden Blätter, deren kurze Klingen passend übereinander gelegt sind, wird durch einen Treibriemen bewirkt. Ein Gehilfe setzt den Apparat in Bewegung, und das Instrument selbst wird kunstgerecht gegen die Haare gehalten. So kann ohne besondere Mühwaltung in einer Stunde das Deckhaar eines Pferdes oder eines Rindes abrasiert werden.
Vgl. Rueff, Das Scheren unsrer Haustiere (Berl. 1873);
Zündel, Das Scheren
der Pferde (Straßb. 1874).