Schraubach
oder
Schrabach (Kt. Graubünden,
Bez. Unter
Landquart).
Wildbach und rechtsseitiger Zufluss der
Landquart; bildet neben dem
aus der Falknis- und Scesaplanagruppe kommenden Thal des
Taschinesbaches das am weitesten verzweigte und flächengrösste
der s. Querthäler des Rätikongebirges. Der Schraubach
entsteht aus den zahlreichen Wildwassern, die im Schiefergebirge
unter dem S.-Rand der Scesaplanakette ostwärts bis unter die
Sulzfluh hin ihre Quellen haben; das Sammelgebiet
erstreckt sich also vom
Girenspitz (2397 m) s. vom
Lünereck unter den Kalk- und Dolomitsteilwänden der
Kirchlispitzen, des
Schweizertors, der
Drusenfluh, des Drusentors und der
Sulzfluh (2820 m) hinter St.
Antönien-Partnun hin. In dieser letztern
Gegend bilden die Schiefergräte des
Schafberges (2463 m) und
Kühnihorns (2416 m) die Wasserscheide gegen
den
Schanielabach.
Die Richtung des vereinigten
Baches ist SW., und seine Mündung in die
Landquart liegt etwa 350 m unterhalb
Schrau oder Schra,
der ö. Dorfgruppe von
Schiers. Der eigentliche Schraubach
weist bis zur Spaltung in die zahlreichen Aeste
im NO., welche Gabelungsstelle
die Grosse
Scheere heisst, eine Länge von etwa 5,5 km und ein Gefälle von nur 45‰ auf. Auf
dieser Strecke erhält er von der
S.-Seite her zahlreiche Nebenarme, doch kommt sein grösster Zufluss von N. Es ist dies
der Salginabach, der das 4 km lange
Salginatobel, eine unter dem
Girenspitz beginnende und eine fast ununterbrochene
Reihe von tief eingeschnittenen, wilden und schauerlichen
Schluchten bildende Rinne, durchfliesst.
Zur
Rechten dieses
Salginatobels liegen vom auf grünen und fruchtbaren Terrassen die
Häuser von
Busserein (940 und 1003 m),
einer Fraktion der Gemeinde
Schiers, und weiter hinten die
Maiensässe
Salgina (1306 m). Hoch oben auf den
Terrassen des Schiefergehänges zwischen dem
Salginatobel und dem Schraubach
liegen die
Häuser und
Maiensässe des einsamen
Alpendörfchens
Schuders (1254 m), und unter diesem Gebiet ist das Gehänge des Schraubach
thales furchtbar erodiert, zerrissen
und verrutscht.
Die
Schluchten reichen vom Bach weg an die 400 m hoch in die Felsseite hinauf, und grosse und schöne
Wiesenstriche sind infolge der Verwitterung und Abtragung der steilen Böschungen in die
Tiefe gesunken. Und wie die Erosion
des Schraubaches
unter
Schuders einen hervorragend grossen Betrag erreicht, so trifft man im Gebiete dieses Wildwassers auch
eine selten gesehene oder doch schwer zu übertreffende Verfaltung und Verbiegung der Schieferschichten.
In der sog. Stierentole, etwa 1½ Stunden hinter
Schiers, zeigen die
Felsen 4-5 stehende, architektonisch grossartig wirkende
und im Einzelnen wieder in der weitestgehenden Art gefältelte Schichtfalten, über deren Konstruktion man nicht genug staunen
kann.
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In der Grossen Scheere teilt sich der Schraubach
in einer Höhe von etwa 900 m in den von N. kommenden Grossbach und den Weissbach,
der sich nach O. hin wieder in den vom W.-Hang des Kühnihorns kommenden Kleinbach und den vom flachen Rücken von Aschuel vor
St. Antönien herabfliessenden Hauptzweig spaltet. Das viel grössere Sammelgebiet des Grossbaches setzt
sich aus dem Varsatschtobel, Stegentobel und den Thalfurchen des Cavellbaches und Aelplibaches zusammen und reicht vom Lünereck
und dem Girenspitz bis zum Schafberg vor Partnun und unter die Sulzfluh hin.
Der Grossbach selber teilt sich weiter hinten, gegen die Wasserscheide zum Schanielabach hin, in zwei Aeste,
die n. und s. vom Schafberg ihren Ursprung nehmen. Berücksichtigt man das gesamte Einzugsgebiet, so ist der Schraubach
dem
Taschinesbach noch etwas überlegen. An dem wilden Gewässer lassen sich zwei Thalstufen unterscheiden. Die oberste bildet
ein steiles, von vielen Hochthälchen und längern Tobelfurchen durchschnittenes Gehänge, dessen Rinnen
sich nach oben immer tiefer in das Gebirge einschneiden und grossartige Erosionswirkungen in Verbindung mit zahlreichen Rutschungen
an den Bachseiten aufweisen.
Wie beim Taschinesbach folgt auf diese oberste Thalstufe sofort die verlängerte Mündungsschlucht, sodass dort wie hier eine
freundliche, flachere Mittelstufe nicht vorhanden ist. Aber während beim Taschinesbach das Gefälle auf
dieser vordern Strecke 85‰ beträgt, erreicht dasselbe beim Schraubach
nur etwa 45‰. Der Schraubach hat sich in dieser
Stufe, was vom Taschinesbach nicht gilt, einen eigentlichen Thalboden mit einer verhältnismässig breiten, wenig geneigten,
kiesigen Ebene geschaffen und wirft sich hier bald rechts- und bald linkshin.
Bei rascher Schneeschmelze u. besonders bei Hochgewittern bringt der Schraubach
, dessen Quellarme in
meist weichen und stark verwitternden Schieferschichten entspringen, besonders auch eine Unmasse von Schutt u. Schlamm mit
sich, so dass er dann wie ein grauschwarzer Schlammstrom erscheint. Während die Landquart bis Küblis klar u. hell dahinströmt,
ändert sie nach der Aufnahme des Schaniela- u. des Schraubaches
ihre Farbe u. rinnt fortan trübe und
oft dunkel dahin.
Die äussere Mündungsschlucht des Schraubaches
hinter Schrau-Schiers zeigt sich auf der rechten Seite, unter dem Weiler Montagna,
tief in Felsen eingerissen, während das gegenüberliegende Gehänge von Fajauna zwar auch steil, aber weniger zerschnitten
u. dazu bewaldet ist. Die Ueberschwemmungen des Wildwassers haben der Gemeinde Schiers schon viel zu schaffen
gegeben u. die Errichtung von Thalsperren überm Ausgang notwendig gemacht, die oft zerrissen wurden. Um die Verbauung u.
Korrektion der Landquart u. des Schraubaches
von Schiers erwarb sich besonders Dekan Luzius Pool in Luzein († 1828),
ein in der schweizerischen Naturforschung bekannter, vielseitiger Mann, grosse Verdienste.
Die produktive Wasserkraft des Schraubaches
wird von Lauterburg auf der Strecke von 100 m oberhalb Schiers bis zur Mündung
in die Landquart (40 m Gefälle) auf 276 PS geschätzt. Seine Wasserführung mag bei Niedrigwasser 0,3-0,4 m3 in der Sekunde
und bei Hochwasserstand bis zu etwa 80 m3 betragen. Der Schraubach
liegt mit seinem grossen Sammelgebiet
in ausgedehnten Waldrevieren, die nebst denen von Klosters und Seewis die grössten des Prätigaues sind. Im Winter 1889/1890
wurden aus dem Schrautobel 5000 Blöcke oder
etwa 4000 m3 Holz herausgeschafft.
Für solche Transporte wird jeweilen ein mehrere Stunden langer Schlittweg mit zahlreichen «Eisbrücken» erstellt, den täglich 50-60 Fuhrleute mit Pferden und Schlitten passieren, sodass dann in diesen abgelegenen tiefen Tobelschluchten ein lautes und fröhliches, originelles Leben herrscht (vergl. darüber Ed. Imhof im Itinerarium des S. A. C. für 1890/1891). In diesen tiefen Wäldern von Schiers hat sich der Edelhirsch ziemlich zahlreich und bleibend angesiedelt. Der «Bündnerschiefer» des Gebietes gehört nach den neuesten geologischen Forschungen wohl zum grössern Teil dem eozänen Flysch an; er enthält zahlreiche Abdrücke von Fucoiden und unter dem Cavelljoch auch Orbitoides. Andere Horizonte des mächtigen Schiefergebäudes scheinen den Jura- und Kreideflysch zu repräsentieren.