Saint
Gingolph
(Kt. Wallis,
Bez. Monthey).
378-430 m. Gem. und grosses
Dorf auf dem Delta der
Morge, welcher
Wildbach
die Landsgrenze zwischen der
Schweiz und Frankreich bildet und das Dorf in zwei staatlich getrennte Abschnitte teilt. 4 km
w. der Bahn- und Dampfschiffstation
Le Bouveret. Die Hauptverkehrsader des zwischen dem
Genfersee und dem Gehängefuss des
Grammont eingeengten Dorfes bildet die grosse internationale Strasse, die von Thonon an dem Seeufer
folgt. Postbureau, Telegraph, Telephon. Dampfschiffstation. Station der Bahnlinie
Bellegarde-Le
Bouveret (auf französischem
Boden, 800 m ^[Berichtigung: 500 m] von der Landesgrenze entfernt).
Schweizerisches Zollamt. Gemeinde, mit La Closettaz, En l'Essert und Le Châlet de la Forêt: 106 Häuser, 660 Ew. (wovon 35 Reformierte);
Dorf: 66
Häuser, 406 Ew. Schweizerisch Saint Gingolph
ist grösser als der zu Frankreich gehörende Teil
des Dorfes.
Fischfang und Schifffahrt; Rettungsgesellschaften. Obwohl die Bewohner diesseits und jenseits der
Morge seit Jahrhunderten
politisch voneinander getrennt sind, bilden sie doch zusammen gleichsam nur eine einzige Gemeinschaft mit regem gegenseitigem
Verkehr. Die Gemeindefeste werden vom
Walliser Gemeindepräsidenten und vom französischen Bürgermeister
gemeinsam geleitet, die bürgerlichen
Güter sind noch nicht endgiltig getrennt, und die Bewohner der Schweizer
Seite haben
es bis heute nicht für notwendig erachtet, eine eigene Kirchgemeinde zu gründen, sondern besuchen die auf französischem
Boden links der
Morge auf einer Anhöhe stehende Pfarrkirche und werden auf dem zu ihr gehörenden Friedhof
begraben. Da die Kirche zum Bistum Annecy gehört, ergibt sich der für die
Schweiz einzige Fall, dass ein Teil ihrer Bürger
unter der geistlichen Oberhoheit einer nichtschweizerischen Diözese steht. «Der
Charakter der Bewohner, von Saint Gingolph
sowohl als auch von
Bouveret, ist eher ernst als heiter, ein
Bild der gefährlichen Lebensweise der stets in Furcht schwebenden Schiffersleute; dabei sind sie entschlossen und mutig,
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mehr
kräftig gebaut, ausdauernd bei den härtesten Arbeiten, unverzagt im schwersten Unglück.»
(F. O. Wolf). Das Gebiet der Gemeinde Schweizerisch-Saint Gingolph
zieht sich vom rechten Ufer der Morge längs dem Genfersee
bis 400 m vor das Dorf Le Bouveret hin und reicht im S. bis zum Gipfel des Grammont (2175 m) hinauf, dessen
Hänge mit prachtvollen Waldungen bestanden sind. Tiefer unten finden wir Kastanienhaine, die der grossen Seestrasse angenehmen
Schatten spenden, und offene Lichtungen, auf denen zahlreiche Bauernhäuser und mehrere Villen stehen.
Sogar ein grosses und luxuriöses Hotel hat sich hier angesiedelt. Die höhern Waldungen liefern den Sägen und Bootbauereien
von Saint Gingolph
treffliches Holz. Die Schiffswerften des Ortes sind die besteingerichteten am ganzen
See und bauen bis zu den grössten und schwersten Lastschiffen. Am Seeufer stehen Flysch und rote Molasse an, die oft
von Moränen und Bergsturzschutt überdeckt sind. Höher oben folgen in verkehrter Schichtenlagerung: Trias (Rauhwacke, dolomitische
Kalke, Gips), Rät, die ganze Jurareihe vom Lias bis zum Malm und endlich Kreide. Diese Gesteine bauen
die Bergstöcke des Grammont und der Borée diesseits und jenseits der Morge auf. Das Dorf Saint Gingolph
selbst steht auf
dem von der Morge angeschwemmten Wildbachschuttkegel.
Saint Gingolph
hatte in früheren Zeiten zwei Herrenhäuser. Das ältere, auf Savoyerboden stehend und
heute in eine Papierfabrik umgewandelt, gehörte dem Abt von Abondance, der zugleich Herr von Saint Gingolph
war. In ihm pflegten
die Kapuziner, die von Franz von Sales zur Ausrottung der Reformation im Unterwallis ausgesandt worden waren, so lange zu
übernachten, bis sie ohne Leibesgefahr im Lande verkehren konnten. Das zweite Herrenhaus, das die Jahreszahl 1588 trägt
und auf Schweizerboden steht, ist nach dem Vertrag von 1569 erbaut oder umgebaut worden, durch welchen die Grenze dieses
von den Wallisern eroberten Gebietes von der Dranse von Thonon zum rechten Ufer der Morge zurückverlegt wurde. 1151: S. Gengulfus;
1204: villula Sannt Gingulphi.
Der h. Gingulph war einer der Märtyrer der thebäischen Legion. Saint Gingolph
ist die Wiege des Geschlechtes de Rivaz, dem
eine Reihe von hervorragenden Männern angehört hat: Peter Joseph de Rivaz (1711-1772), Historiker, Ingenieur, Naturforscher
und Mathematiker, Verfasser der Recherches historiques sur la maison de Savoie und anderer gelehrter Werke;
Karl Emmanuel de Rivaz (geb. in Saint Gingolph
1753), Ritter vom königlichen Orden Karl's III. und der Ehrenlegion, Abgeordneter
zum gesetzgebenden Rat unter der französischen Herrschaft und zweimal Obervogt der Republik Wallis;
der General Emmanuel de Rivaz;
der Staatsrat und Maschineningenieur Isaak de Rivaz († 1829), der 1804 als erster das Automobil erfunden haben soll;
der Geschichtschreiber und Sittener Chorherr Anna Joseph de Rivaz;
Charles de Rivaz, der während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrfach Walliser Staatsrat war.