Südpolarländer
(antarktische Länder), alle diejenigen Länder und Inseln, welche innerhalb oder in der Nähe des südlichen Polarkreises liegen. Manche nehmen das Vorhandensein eines großen Festlandes oder antarktischen Kontinents im S. an, andre bezweifeln die Existenz eines solchen und denken an größere oder kleinere Inselgruppen. Was man bis jetzt entdeckt hat, ist folgendes: Südsüdöstlich von der Südspitze Amerikas liegen zwischen 63½ und 65° südl. Br. Trinity- und Palmerland, 1821 von Powell und Palmer entdeckt; weiter südlich in der Breite [* 2] des Polarkreises das 1832 von Biscoe entdeckte Adelaiden- und Grahamsland und auf der Ostseite des Trinitylandes das 1838 von Dumont d'Urville entdeckte Louis-Philippeland nebst der Insel Joinville.
Von der schon 1599 von Dirk Gerrits gesehenen, aber erst 1819 von W. Smith wirklich entdeckten Inselkette Südshetland ist jener Teil des antarktischen Landes durch die Bransfieldstraße geschieden. Südwestlich davon liegt die Alexanderinsel und unter derselben Breite die hohe Peterinsel, beide 1821 von Bellingshausen entdeckt. Weiter westlich ist nur Wasser und Eis, [* 3] kein Land gesehen worden. Erst unter 170-160° östl. L. v. Gr. entdeckte James Clark Roß (1841-42) die hohe Küste eines schneebedeckten Landes, welches er Victorialand nannte, und welches zahlreiche Berge von 3000 bis 4000 m Höhe trägt, darunter die Vulkane [* 4] Erebus (3770 m), Terror (3318 m) und den 4570 m hohen Melbourne [* 5] als höchsten der gesehenen Gipfel.
Zwischen 165-95° östl. L. v. Gr., unter dem Polarkreis, verzeichneten Dumont d'Urville, Balleny und Wilkes (1839-40) eine Reihe Inseln und unzusammenhängender Küstenstrecken, die unter dem Namen Wilkesland zusammengefaßt werden; einzelne Strecken sind: Adélieland, Clarieland, Sabrinaland, Knoxland, Terminationinsel. Weiter westlich von Wilkesland liegt Kempland sowie das 1831 von Biscoe entdeckte Enderbyland, beides wahrscheinlich nur Inseln.
Auch die schon weiter nördlich liegende, von Cook 1775 entdeckte, 1819 von Bellingshausen untersuchte Sandwichgruppe, das ebenfalls von Cook untersuchte, schon 1675 von Laroche entdeckte Südgeorgien und die 1821 von Palmer und Powell aufgefundenen, 1822 von Weddell besuchten Südorkneyinseln werden hierher gerechnet. Man schätzt das Areal der S. auf 660,000 qkm (12,000 QM.). Falls ein antarktischer Kontinent wirklich vorhanden ist, kann derselbe höchstens an einer Stelle (Australien [* 6] gegenüber) den 70. Breitengrad wesentlich überschreiten und muß auf der atlantischen Seite weit von demselben entfernt bleiben. Hier erreichte Weddell im Februar 1823 unter 33° 20' westl. Länge in fast eisfreiem Meer die Breite von 74° 15'. - Die eisige Öde der antarktischen Felseninseln beschränkt das Pflanzen- und Tierleben fast ganz auf den Ozean; doch sind Klippen [* 7] und Berghänge mit zahllosen Vögeln bedeckt.
Thätiger Vulkanismus tritt besonders im Bereich des Victorialandes in großartigster Weise auf. Die Temperaturbeobachtungen weisen naturgemäß auf die niedrige Sommerwärme und geringe Winterkälte eines durchaus ozeanischen Klimas hin. Seitdem die Challenger-Expedition 1874 über den Polarkreis vordrang und Dallmann 1873-74 Grahamsland untersuchte, und seit der Fahrt der Gazelle (1874-75) ist die Erforschung der S. wiederholentlich von Deutschland [* 8] aus angeregt worden. Namentlich aber war man in Australien dafür thätig, und die dortigen geographischen Gesellschaften erlangten die Bewilligung einer namhaften Summe durch die dortigen Regierungen; da die englische Regierung aber ihre Beihilfe versagte, so kam ein Unternehmen nicht zu stande. ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Südpolarländer
(Antarktis), alle Inseln und Küstenstriche im Südlichen Eismeer innerhalb oder in der Nähe des südl. Polarkreises. Früher nahm man an, daß ein Australkontinent, eine Terra australis, zuweilen auch Magellanica genannt, dort vorhanden sei, ja man erklärte einen solchen für eine notwendige Bedingung des Gleichgewichts der Erde, da der Überschuß an Land in den tropischen und gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel durch eine Landansammlung in hohen antarktischen Breiten der Südhalbkugel ausgeglichen werden müsse.
Innerhalb des südl. Polarkreises sind nur Inseln bekannt. Dazu gehört auch das von Roß entdeckte Victorialand mit den großen
Vulkanen Erebus (s. d.) und Terror. Die angeblichen Festlandränder aber, die man verfolgt haben will,
sind teils nur von weitem gesehen, teils wenig ausgedehnt, teils, wie die östl. und westl.
Ausläufer des sog. Wilkeslandes nachweislich nicht vorhanden. Die wenigen Strecken, die man näher verfolgt hat, machen den
Eindruck des Zerklüfteten, jede einzelne Küste, die man auf Specialkarten niedergelegt hat, zeigt Merkmale
der Fjordküste. Auch die weite Verbreitung vulkanischer Gesteine
[* 9] und vulkanischer Berge deutet in der gleichen Richtung. So
wenig Genaueres man vom geolog. Bau der Inseln und Küsten weiß, so überraschend ist die Allverbreitung der Spuren vulkanischer
Thätigkeit, und auf der übrigen Erde sind Vulkane entweder nur auf Inseln oder in der Nähe der Küsten
zu finden. (Hierzu: Karte der Südpolarlä
nder.)
Das Areal der S. kann vielleicht ½ Mill. qkm betragen. Die antarktischen Länder und Inseln treten nur an zwei Stellen in beträchtlicher Ausdehnung [* 10] auf, die eine Massenansammlung voraussehen läßt, nämlich südlich von Australien zwischen 100 und 170° östl. L. Hier liegt im O. das Victorialand, dessen Küste entlang der jüngere Roß bis zum fernsten südl. Punkt in 78° 10' südl. Br. vorgedrungen ist. Und von hier nach W. ziehen unter 66-67° südl. Br. die von Dumont d'Urville und Wilkes gesehenen, vielleicht aber nicht immer streng von großen Eisansammlungen unterschiedenen Küsten, die als Wilkesland zusammengefaßt werden und zu denen Adélieland (s. d.), Clarieland und Sabrinaland gehören.
Daß das Wilkesland sich nicht bis 165° östlich von Greenwich erstreckt, hat schon Roß bewiesen, und daß das Terminationland nicht existiert, haben die Tiefenmessungen der Challenger-Expedition gezeigt. Die dazwischen liegenden Teile des Wilkeslandes sind noch nicht wieder berührt worden. Eine zweite Gruppe, teilweise aus Inseln bestehend, liegt zwischen 55 und 75° westl. L. und 60-70° südl. Br. Sie beginnt im O. mit dem am weitesten gegen Südamerikas Südspitze vorgeschobenen Joinvilleland (s. d.), daran schließen sich Louis-Philipp-Land, Trinity-, Palmer- und Grahamsland (s. d.), endlich Alexanderland (s. d.). Südlich und südöstlich von diesen Küsten fallen offene Teile des Eismeers, die von Morrell und Weddell befahren worden sind. Unter den vorgelagerten Inseln sind die Gruppen der Südshetland-Inseln (s. d.) und Süd-Orkney-Inseln (s. Neu-Orkney-Inseln) besonders zu nennen. Südgeorgien (s. d.) mit den Sandwichinseln und eine größere Anzahl kleinerer vulkanischer Inseln, bereits unter niedrigerer Breite als die Stateninsel liegend, bildet den Übergang zur gemäßigten Zone.
Überall sah man lückenlose Firnmäntel, mächtige Gletscher, statt der Felsküsten steile Eisabstürze. Selbst Südgeorgien ist schon vergletschert. Vom 50.° südl. Br. an ist die Vereinigung der erstarrten Wasserhülle des Landes mit der flüssigen des Meers allgemein. Die Gletscher entwickeln sich aber unter andern Bedingungen als in unsern sommerheißen Ländern. Firnbildung durch Schmelzung steht zurück, an ihre Stelle tritt Aufhäufung gewaltiger Massen von Schnee [* 11] und Verfirnung durch Druck.
Dem entsprechend zunächst weite Verbreitung der selbst schon auf den Südshetland-Inseln bis ans Meer herabreichenden Firnhülle, des sog. ewigen Schnees; dann großartige Entwicklung der Gletscher, die mit mächtigen Eiswänden am Meere abbrechen (s. Victorialand); endlich Reichtum des Südlichen Eismeers an Eisbergen geschichteten plattigen Baues und an Packeismassen von gewaltiger Ausdehnung. Jenseits 60° südl. Br. dürften nur selten kleine Fleckchen Erde aus der weißen Firn- und Eishülle hervortreten.
Das antarktische Klima [* 12] charakterisiert sich durch sehr geringe Sommertemperaturen und ungemein geringen Luftdruck. Dieses Gebiet umschließt die niedrigste Sommertemperatur, die man kennt. James Roß berechnete für den 64.° südl. Br. eine Sommertemperatur von 0,9°. Er zählt mit Maximaltemperaturen unter 0°: im Febr. 1841 zwischen dem 69. und 78.° 2 Tage, im Febr. 1842 zwischen dem 66. und 78.° 5 Tage und im Febr. 1843 zwischen dem 62. und 66.° 11 Tage. Selbst in Südgeorgien ist bereits kein Monat frostfrei. Eisbildung von solcher Stärke, [* 13] daß die Schiffahrt erschwert war, beobachtete Roß im Hochsommer am Andererseits sind die Wintertemperaturen gemildert ¶
mehr
durch die starke Feuchtigkeit. In Südgeorgien erwiesen sich 82 Proz. aller Tage feucht, im November und Dezember war nur je ein Tag trocken; selbst im wärmsten Monat Februar schneite es hier 13 mal. In dem eigentlichen Südpolargebiet sind andere Niederschläge als feste nicht zu erwarten. Für die Luftdruckverhältnisse stellte Hann folgende Werte fest:
Geographische Breite
60-67° | 65-71° | 70-75° | 75-78°, |
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Luftdruck
739,7 mm | 737,4 mm | 734 mm | 735,8 mm. |
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Das sind Luftdruckgrößen, wie sie im Nordpolargebiet innerhalb großer, aber vorübergehender Depressionen vorkommen. Thatsächlich ist denn auch das ganze südl. Polargebiet als eine große Cyklone aufzufassen, deren Centrum in der Nähe des Südpols liegt und die von stürmischen Westwinden umkreist wird. Der Mangel selbständiger Luftcirkulationen über großen Landmassen, der diesen westl. Strömungskreis durchbrechen würde, gehört zu den Gründen, einen Australkontinent abzulehnen.
Bei der internationalen Polarforschung 1882-83 bestanden in den S. zwei Beobachtungsstationen: die deutsche in Südgeorgien und die französische auf Kap Hoorn. Im Südsommer 1893/94 haben Hamburger Schiffe, [* 15] namentlich Kapitän Larsen auf der Jason, südlich von den Südshetland-Inseln ein größeres Land, bis über 68° südwärts sich ausdehnend (Oskar II.-Land) und Inseln mit thätigen Vulkanen (Lindenberg-Insel und Christensen-Insel) entdeckt. Neuerdings, besonders seit dem Beschluß des Deutschen Geographentags 1895 ist ein neuer Aufschwung der Forschung bemerkber ^[richtig: bemerkbar]. Eine belg. Expedition unter Leitung des Schiffslieutenants de Gerlache ist im Aug. 1897 zur Erforschung des Südpolargebietes abgegangen; weitere sind in Vorbereitung. -
Vgl. Ruge, Das unbekannte Südland (in den «Deutschen geogr. Blättern», Heft 3, Brem. 1895);
von Haardt, Südpolarkarte 1:10 Mill. (Wien [* 16] 1896);
Wegener, Der Südpol, die Südpolarforschung und die deutsche Südpolarexpedition (Berl. 1897).