Titel
Rossetti
,
1) Gabriele, ital. Dichter und Gelehrter, geb. zu Vasto im Neapolitanischen, kam 1804 nach Neapel, [* 2] wo er die zuerst ergriffene Malerkunst mit der Poesie vertauschte und eine Stellung als Konservator am königlichen Museum erhielt. Die Revolution von 1820 fand in ihm ihren Tyrtäos; seine herrliche Hymne auf den großen Tag des 9. Juli (»Sei pur bella con gli astri sul crine«) wurde vom ganzen süditalienischen Volk gesungen. Nach eingetretener Reaktion verbarg er sich auf einem englischen Schiff [* 3] in der Verkleidung eines englischen Leutnants.
Die Erfahrungen der Epoche entflammten seine geharnischte Muse zu originellen Gesängen von außerordentlicher Energie. 1822 ging er nach Malta, 1824 nach London, [* 4] wo er seinen bleibenden Wohnsitz aufschlug und einen großen Kommentar zu Dantes »Divina Commedia« (1826-27, 2 Bde.) schrieb. Sein hauptsächlichstes Bemühen, die papstfeindlichen und reformatorischen Tendenzen Dantes nachzuweisen und die Bestrebungen des Jungen Italien [* 5] mit den Grundgedanken des großen Florentiners zu identifizieren, fand damals jedoch lebhaften Widerspruch, der ihm die Fortsetzung des Kommentars verleidete. Zu seiner Rechtfertigung schrieb er noch: »Sullo spirito antipapale« (1830). Er wurde 1831 zum Professor der italienischen Sprache [* 6] und Litteratur am King's College ernannt und veröffentlichte in der Folge noch, außer Gedichten: »Il mistero dell' amore platonico svelato« (1840, 3 Bde.) und »La Beatrice di Dante« (1852, 3 Bde.). Daß er bei aller Heftigkeit, mit welcher er die weltliche Herrschaft des Papstes angriff, ein mildes, ja religiöses Gemüt besaß, zeigen seine Dichtungen: »Iddio e ¶
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l'uomo, salterio« und »L'arpa evangelica«.
Er starb in London. Eine Gesamtausgabe seiner vielfach gedruckten Gedichte besorgte Carducci (»Poesie di Gabr. Rossetti«
, Flor.
1861). In der Reihe der großen politischen Dichter Italiens
[* 8] steht Rossetti
als der dritte neben Giusti und Berchet; poetisch ihnen
nicht völlig ebenbürtig, übertrifft er sie an Kühnheit und Klarheit des politischen Programms, worin
es begründet sein mag, daß das heutige Italien wieder auf ihn zurückkommt.
2) Dante Gabriel, engl. Maler und Dichter, Sohn des vorigen, geb. zu London, bildete sich zum Maler aus und schloß
sich der Künstlergruppe an, die seit 1848 unter dem Namen der Präraffaeliten auftrat. Seine Bilder, sowohl
in Öl als in Wasserfarben, sind von überaus zarter Empfindung und ganz im Geist und der Manier der genannten Schule gehalten.
Die bedeutendsten derselben sind: die heilige Jungfrau vor der Geburt des Heilands (1849), die Vermählung des heil. Georg, Dantes
Traum vom Tode der Beatrice, Venus Versicordia u. a. Auch Illustrationen zu englischen Dichtern (z. B. zu Tennyson) hat er geliefert.
Er starb in Birchington bei Margate. Als Dichter gehört Rossetti
der neuern Dichterschule an, welche man die »fleischliche«
genannt hat (vgl. Swinburne). Er veröffentlichte: »The early Italian poets«, englische Übersetzungen
der altitalienischen Dichter von Ciullo d'Alcamo an bis Dante (1861; neue Ausgabe u. d. T.: »Dante and his circle«, 1873) und 2 Bände
Gedichte: »Poems« (1870, neue Ausg. 1881) und »Ballads
and sonnets« (1881),
welche infolge ihrer Formschönheit, ihrer kräftigen und melodiösen Sprache und der Tiefe und Zartheit der Empfindung, die sie bekundeten, sehr günstig aufgenommen wurden. Seine »Collected works« wurden von seinem Bruder (1887, 2 Bde.) herausgegeben.
Vgl. Sharpe, D. G. Rossetti
(1882); Caine, Recollections on D. G. Rossetti
(1882);
Knight, Life of D. G. Rossetti
(1887). -
Seine Schwester Maria Francesca (geb. 1827 zu London, gest. 1876) schrieb: »A shadow of Dante« (1871, neue Aufl. 1884).
3) William Michael, engl. Kritiker, geb. zu London, Bruder des vorigen, dessen ganze Richtung er teilte, wurde 1845 bei der Steuerbehörde angestellt. Er hat für die »Saturday Review« und viele andre Zeitschriften geschrieben, auch selbständig herausgegeben: »Dante's comedy: the Hell« (1865);
»Criticism on Swinburne's poems and ballads« (1866),
für den damals noch sehr scharf beurteilten Dichter eintretend;
»Fine art, chiefly contemporary« (1867);
»Lives of famous poets« (1878).
Für die Early English Text Society schrieb er: »Éarly Italian courtesy books« (1869). hat auch die Gedichte des exzentrischen Poeten und Malers Blake herausgegeben mit ausführlicher Denkschrift (1868),
sich besonders eingehend mit Shelley beschäftigt (Ausgabe der Werke 1870, 2 Bde.; vermehrte Ausg. 1878, 3 Bde.) und selbst ein längeres Gedicht geschrieben: »Mrs. Holmers Grey« (1869).
4) Christiana Georgina, Schwester der vorigen, ebenfalls Schriftstellerin, geb. 1830, veröffentlichte Gedichte und Erzählungen (zum Teil mit Illustrationen ihres Bruders),
wie: »Goblin Market« (1862),
»The princeps progress« (1866),
»Common place book, and other short stories« (1870),
»Singsong« (1872),
»Speaking likenesses« (1874),
»Annus Domini« (1874),
»A pageant etc.« (1881),
»Letter and spirit« (1883) u. a. Eine vollständige Ausgabe ihrer »Poems« erschien 1878.