Robinson
der
Held des weltberühmten, von
Daniel
Defoe (s. d.) verfaßten englischen
Romans, dessen 1. Teil unter dem
Titel: »Life and strange surprising adventures of robinson Crusoe«
zuerst 1719 in
London
[* 3] erschien und einen so allgemeinen Beifall fand, daß der Verfasser noch in demselben Jahr zwei Fortsetzungen seines
Werkes veröffentlichte. Im 1. und 2. Teil erzählt
Defoe in wunderbar anschaulicher, schlicht natürlicher
Darstellung die mannigfaltigen
Schicksale eines von
Jugend auf durch abenteuerlustigen
Sinn in der
Welt umhergetriebenen Engländers,
dessen einsames
Leben auf einer menschenleeren
Insel nahe der Orinokomündung, wohin er durch
Schiffbruch verschlagen worden,
die erfindungsreiche Art seiner dortigen Einrichtung, seine
Befreiung, Heimkehr und abermalige
Fahrt in
die
Fremde, aus der er
erst nach ereignisvollen
Reisen in
Indien,
China,
[* 4]
Sibirien etc. als begüterter Mann ins Vaterland zurückkommt.
Der 3. Teil, betitelt: »Serious reflexions during the life of robinson Crusoe«
, enthält
hauptsächlich moralisierende Betrachtungen über den
Inhalt des 1. Teils, dem auch schon der 2. an
Reiz
und Bedeutung weit nachsteht.
Defoes
Buch erlebte in
England selbst zahllose
Auflagen, in ganz
Europa
[* 5] massenhafte Übersetzungen
und
Nachahmungen und machte seinen Weg durch die ganze zivilisierte
Welt, wie es denn nach
Hettner
(»Robinson und die
Robinsonaden«,
ein
Vortrag, Berl. 1854) unter dem
Namen
»Perle des
Ozeans« sogar ein Lieblingsbuch der Araber wurde.
Noch 1719 erschien
die erste französische Übersetzung des Robinson
, 1720 die frühste deutsche (Frankf. u.
Leipz., 2
Tle.), welche noch in demselben Jahr 5
Auflagen erlebte. Von neuern
Übertragungen des Originalwerkes sind die von
L. v.
Alvensleben (Leipz. 1850) und Altmüller (Hildburgh. 1869)
hervorzuheben. Der
Nachbildungen, welche unter dem
Namen
Robinsonaden zusammengefaßt werden, zählte J.
Koch in seinem
»Grundriß einer Geschichte der
Sprache
[* 6] und Litteratur der
Deutschen« (Berl. 1798, Bd.
2) bis 1760 bereits 40 auf, zu denen noch eine stattliche Anzahl neuerer zu rechnen ist, darunter der »Österreichische
Robinson« (1822) und der
»Neue
Robinson« von G. H. v.
Schubert (1848). Bereits 1722 erschien ein
»Teutscher
Robinson oder
Bernhard
Creutz« in
Schwäbisch-Hall. Es folgten ein italienischer, französischer, sächsischer, schlesischer,
niedersächsischer, schwedischer, schwäbischer, kurpfälzischer, ostfriesischer
Robinson u. a., sämtlich in deutscher
Sprache;
desgleichen eine
Masse von
Robinsonaden, die sich nach den Berufsarten ihrer
Helden oder sonstigen Beziehungen betitelten, z. B.
ein geistlicher, ein medizinischer, ein jüdischer, ein moralischer
Robinson etc. Von allen Umformungen und
Nachbildungen des
Originalromans
Defoes hat aber keine so großen Erfolg gehabt wie
Campes
»Robinson der jüngere« (Hamb. 1779, 2 Bde.),
eine zu pädagogischen
Zwecken durch eingeschobene
Dialoge voll wissenschaftlicher und moralischer
Erörterungen verballhornte,
an sich aber meisterhafte Umgestaltung der Defoeschen
Erzählung. Das
Buch hat bereits die 92.
Auflage (Braunschw.
1876) erlebt, und schon wenige Jahre nach seinem Erscheinen konnte
Campe ihm nachrühmen, daß es in alle europäischen
Sprachen
(darunter auch ins
Neugriechische und Alttschechische) übersetzt sei. Ein Seitenstück eigentümlicher Art zum Robinson
stellt
sich in
Howells »The life and adventures of
Alexander
Selkirk« (Lond. 1828) dar.
Hier sind die Schicksale eines schottischen Matrosen berichtet, welcher, im September 1704 auf der menschenleeren Insel Juan Fernandez ausgesetzt, daselbst bis zum Februar 1709, wo ihn Kapitän Wood Rogers aufnahm und mit nach England führte, sein einsames Leben in ähnlicher Weise wie der erdichtete Held Defoes fristete (vgl. Wood Rogers' Bericht über Selkirk in »Collection of voyages«, Lond. 1756). Man hat Defoe vielfach vorgeworfen, daß er das Beste in seinem Werk dem Tagebuch (?) oder den sonstigen Mitteilungen Selkirks entnommen habe; der Vorwurf ist jedoch längst durch zuverlässige Untersuchungen entkräftet worden. Von allen dem originalen in mehr selbständiger Art nachgebildeten Abenteurergeschichten in deutscher Sprache verdient als die poetisch wertvollste ausgezeichnet zu werden die unter dem Namen »Insel Felsenburg« bekannte, deren Verfasser Joh. Gottfr. Schnabel (s. d.) war.
Vgl. Hettner, Litteraturgeschichte des 18. Jahrhunderts, 1. ¶
mehr
und 3. Teil; Denis und Chauvin, Les vrais Robinsons (Par. 1862);
Haken, Bibliothek der Robinsone (Berl. 1805-1808, 5 Bde.), welche Auszüge aus den verschiedenen Robinsonaden enthält.