Ricasoli
,
Bettino, Baron, ital. Staatsmann, geb. zu Florenz [* 2] aus einer alten toscanischen Familie, erhielt in Florenz und Pisa [* 3] eine treffliche Erziehung, widmete sich aber dann auf seinem Schloß Brolio bei Siena landwirtschaftlichen Studien, der Kultur des Weins (Chianti) und dem Ackerbau, besonders in den Maremmen von Grosseto. Erst 1847 trat er öffentlich auf, indem er dem Großherzog von Toscana einen Reformplan vorlegte und zum Bürgermeister von Florenz erwählt wurde. 1848 schloß er sich der republikanischen Partei nicht an und wirkte 1849 als Mitglied der Exekutivkommission zur Rückberufung des Großherzogs mit. Da dieser jedoch seine Hoffnung auf eine liberale Regierung täuschte, zog er sich ins Privatleben zurück.
In der Aprilrevolution 1859 trat er als einer der ersten gegen die Regierung auf, ward im Mai Minister des Innern und 1. Aug. Diktator von Toscana und unterstützte durch seine Energie und Konsequenz die Sache der Einigung Italiens [* 4] in hervorragender Weise. Nach der Annektierung Toscanas ward er von Viktor Emanuel zum Generalgouverneur von Toscana und 6. April zum Direktor im Ministerium des Innern, nach dem Tod Cavours aber im Juni 1861 zum Ministerpräsidenten ernannt. Im März 1862 mußte er dem ¶
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Ministerium Rattazzi Platz machen und trat erst 1866 vor dem Krieg mit Österreich [* 6] wieder an die Spitze der Regierung. Allen Versuchungen, sich von der preußischen Allianz loszusagen und ohne weitern Krieg Venetien zu erwerben, leistete er entschiedenen Widerstand. Nach Abschluß des Friedens ließ es seine Aufgabe sein, im Innern des Staats zu dezentralisieren, die Finanzlage zu verbessern und eine vollständige Trennung von Kirche und Staat herbeizuführen.
Allein wieder, wie früher, erwies sich Ricasoli
nicht fähig, die Parteien zu beherrschen und eine kompakte Masse entschiedener
Anhänger um sich zu scharen. Ricasoli
griff im Februar 1867 zu einer Auflösung des Parlaments, ohne daß ihm
jedoch eine geeignete Ergänzung des Kabinetts gelang. So sah er sich im April 1867 abermals zum Rücktritt genötigt. Er
beteiligte sich seitdem wenig am öffentlichen Leben und starb in Rom.
[* 7]
Vgl. Passerini, Genealogia e storia della
famiglia Ricasoli
(Flor. 1861);
»Lettere e documenti del barone B. Ricasoli«
(hrsg.
von Tabarrini und Gotti, Flor. 1886-88, 3 Bde.).