Rhodos
(im Altertum auch Ophiusa, Asteria, Trinakria und Korymbia), östlichste Insel des Ägeischen Meers, 18 km von der kleinasiatischen Küste (Karien) entfernt, 1448 qkm (26,3 QM.) groß, ist stellenweise zwar rauh und felsig, im allgemeinen aber fruchtbar, obwohl jetzt nur teilweise angebaut, und wird von einem Hauptbergrücken (mit dem 1240 m hohen Atabyrios) durchzogen. Hauptort derselben war im Altertum die Stadt an der Nordostspitze, stark befestigt und mit doppeltem Hafen versehen.
Unter den zahlreichen Sehenswürdigkeiten und Kunstwerken derselben wird als eins der sieben
Weltwunder die kolossale, dem
Helios
[* 2] geweihte eherne
Statue, welche in der
Nähe des
Hafens stand, hervorgehoben. Von
Chares um 290
v. Chr. verfertigt, kostete
sie 300
Talente und war 70
Ellen (32 m) hoch; nicht begründet aber ist die Angabe, daß dieser sogen.
Koloß von Rhodos
mit gespreizten
Beinen über dem Eingang des innern
Hafens gestanden habe, und daß die größten
Schiffe
[* 3] mit vollen
Segeln unter ihm hätten durchsegeln können.
Ein Erdbeben [* 4] stürzte ihn schon 223 v. Chr. um, doch ward er von den Römern wiederhergestellt. 672 n. Chr. verkauften die Sarazenen die Trümmer an einen Juden, welcher 900 Kamelladungen damit füllte. Die andern ältern Städte waren Kameiros und Jalysos mit einem Kastell, Ochyroma an der West- und Lindos an der Ostküste. Älteste Bewohner der Insel waren die Telchinen, aus Kreta eingewanderte Phöniker, zu denen sich Karer gesellten. Einen entscheidenden Einfluß auf die Entwickelung des Landes und Volkes übten aber erst die dorischen Einwanderungen aus, als deren Führer der Heraklide Tlepolemos und nach dem Trojanischen Krieg Äthämenes bezeichnet werden.
Lindos, Jalysos und
Kameiros bildeten nebst
Kos,
Knidos und
Halikarnassos, welch letzteres aber später ausgeschlossen wurde,
die sogen. dorische
Hexapolis, deren
Mittelpunkt der
Tempel
[* 5] des tropischen
Apollon
[* 6] an der
Küste von
Karien
war. Ein seefahrendes
Volk, gründeten die Rhodier viele
Kolonien, so auf den Balearischen
Inseln, in
Spanien
[* 7]
Rhode, in
Italien
[* 8] Parthenope, Salapia, Siris und
Sybaris, in
Sizilien
[* 9]
Gela, in
Kleinasien Soloi, in
Kilikien Gagä, in
Lykien Korydalla. Zu einer
wirklich politischen Bedeutung gelangten sie aber erst von der Zeit an, da jene drei
Städte zu einem
Bund zusammentraten und auf der Nordspitze der
Insel die neue Hauptstadt Rhodos
gründeten (408
v. Chr.),
¶
mehr
welche stark befestigt war und einen durch große Molenbauten gesicherten Hafen erhielt. Im Peloponnesischen Krieg hielten
die Rhodier anfangs zu den Athenern, traten aber 412 zu den Peloponnesiern über. Zwar gelang es diesen, die bald darauf
von der demokratischen Partei versuchte Reaktion zu unterdrücken; aber dessen ungeachtet fiel die Insel 394 bei
dem Erscheinen der athenischen Flotte unter Konon wieder den Athenern zu. Zu Alexanders d. Gr. Zeit erhielt die Insel eine makedonische
Besatzung; aber nach seinem Tod ward diese alsbald wieder vertrieben, worauf die eigentliche Blütezeit von Rhodos
begann.
Mannhaft verteidigte die Rhodier, welche eine große Kriegs- und Handelsflotte besaßen, ihre Stadt gegen Demetrios Poliorketes (304), breiteten ihre Herrschaft sogar über einen Strich der karisch-lykischen Küste sowie über mehrere der benachbarten Inseln aus, vermittelte den Verkehr zwischen den streitenden Großmächten und begründeten zuerst ein allgemein gültiges Handels- und Seerecht. Auch Künste und Wissenschaften blühten. Der aus Athen [* 11] flüchtige Redner Äschines gründete in eine Rednerschule, die von Römern viel besucht wurde.
Nachdem die Insel als treue Bundesgenossin der Römer
[* 12] nach Besiegung des syrischen Königs Antiochos 189 Karien erhalten hatte,
wovon ihr aber 168 bloß die Rhodische Peräa oder Chersonesos, die nächstgelegene Landzunge des Festlandes, blieb, und 42 v. Chr.
von Cassius furchtbar verwüstet worden war, wurde sie 44 n. Chr. der römischen Provinz Asia einverleibt.
Nach dem Verfall Roms kam Rhodos
661 in die Hände des Kalifen Moawijah, ward aber später von den Griechen wiedererobert.
Nachdem diesen die Genuesen Rhodos
abgenommen hatten, versuchte Johannes Kantakuzenos vergeblich, die Insel ihnen 1249 wieder zu
entreißen, was erst dem Theodor Protosebastos gelang. 1310 machten die aus Palästina
[* 13] vertriebenen Johanniterritter die Insel
zu ihrem Wohnsitz (daher auch Rhodiserritter genannt). Nach der Eroberung der Insel durch Sultan Soliman 1522 siedelten dieselben
nach Malta über, und seitdem steht die Insel Rhodos
unter türkischer Herrschaft. Gegenwärtig bildet Rhodos mit
den Inseln des Archipels und offiziell auch dem von Großbritannien
[* 14] besetzten Cypern
[* 15] die Provinz Dschesairi-bahri-sefid (Inseln
des Weißen Meers) mit einem christlichen Gouverneur, dessen Residenz in den letzten Jahren bald Chios, bald Rhodos
gewesen ist. 1843 schätzte
man die Zahl ihrer Einwohner auf 34,000 (in 44 Dörfern), jetzt auf 28,000 bis 30,000 (darunter 6000 Türken
und 2000 Juden, der Rest Griechen).
Hauptprodukte sind: Wein (jährlich sollen 400,000 Pfd. Rosinen in den Handel kommen), außerdem Feigen, Oliven und Südfrüchte
in geringen Mengen. Die Milde des Klimas und die reine Luft machen die Insel zu einem höchst angenehmen und gesunden Aufenthalt.
Die Insel ward seit dem Altertum öfters von Erdbeben heimgesucht, in neuester Zeit namentlich im März 1851 und
im Oktober 1856. Die heutige Stadt Rhodos
, amphitheatralisch gebaut und von außen einen großartigen Anblick gewährend,
ist der Sitz des Paschas und eines griechischen Erzbischofs, hat einige mittelalterliche Befestigungen, sehr verwilderte Straßen
(darunter die Ritterstraße, an deren Häusern noch vielfach die Wappen
[* 16] und Kreuze der Rhodiserritter), einen
kleinen versandeten Hafen, unbedeutenden Handel und gegen 10,000 Einw. Die eigentliche Stadt ist ausschließlich von Türken
(6000) bewohnt; die Christen haben die Vorstadt Neomara, die Juden (2000) dagegen ein eignes Judenviertel inne.
Vgl. Berg,
Die
Insel Rhodos
(Braunschw. 1860-62, 2 Bde.,
mit 70 Radierungen);
Schneiderwirth, Geschichte der Insel Rhodos
(Heiligenst. 1868);
Guérin, L'île de Rhodes (2. Aufl., Par. 1880);
Biliotti und Cottret, L'île de Rhodes (das. 1881);
Torr, Rhodes in ancient times (Cambridge 1885) und in modern times (das. 1887).