Reichskanzler
,
Erzamt im ehemaligen
Deutschen
Reich, welches vom
Kurfürsten von
Mainz
[* 2]
(Kurerzkanzler) bekleidet wurde.
Der ständige Vertreter desselben am kaiserlichen
Hof
[* 3] war der vom Reichskanzler
ernannte
Reichsvizekanzler (Reichshofvizekanzler), der
zugleich Mitglied des
Reichshofrats und der eigentliche Reichsminister war. Im dermaligen
Deutschen
Reich hat der Reichskanzler
, ebenso
wie der frühere
Bundeskanzler des Norddeutschen
Bundes, eine Doppelstellung. Der Reichskanzler
, welcher vom
Kaiser ernannt wird, ist nämlich
einmal Mitglied und Vorsitzender des
Bundesrats.
Als Mitglied dieser
Körperschaft
ist er Vertreter der preußischen Staatsregierung, und als solcher übt er namentlich auch
die der letztern zustehenden Vorrechte des
Bundespräsidiums aus. Auf der andern Seite ist dem Reichskanzler
aber auch die Leitung der
sämtlichen
Geschäfte des
Deutschen
Reichs
übertragen; er ist der eigentliche und zwar der alleinige verantwortliche
Reichsminister, das vollziehende
Organ der Reichsgewalt. Der ist der
Gehilfe des
Kaisers, namentlich bei der Vertretung des
Reichs auswärtigen
Staaten gegenüber;
er ist der Leiter der gesamten Reichsverwaltung und der oberste Chef der Reichsbehörden (s. d.);
er steht dem Kaiser bei der Überwachung der Ausführung der Reichsgesetze zur Seite;
durch ihn werden die erforderlichen Vorlagen nach Maßgabe der Beschlüsse des Bundesrats im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, und durch ihn übt der Kaiser das ihm zustehende Recht der Berufung, Eröffnung, Vertagung und Schließung des Bundesrats und des Reichstags aus.
Alle
Anordnungen und
Verfügungen des
Kaisers bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung
des Reichskanzlers
, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt; dies gilt namentlich auch für die
Publikation von
Reichsgesetzen. Nicht berührt werden von dieser Vorschrift die rein militärischen Befehle, welche der
Kaiser in seiner
Eigenschaft
als Oberbefehlshaber der Kriegsmacht des
Reichs erteilt. Jene Verantwortlichkeit des Reichskanzlers
entbehrt
zur Zeit allerdings noch einer rechtlichen Ausführung und Normierung; sie ist vorwiegend eine politische, indem der Reichskanzler
sowohl
im
Bundesrat als im
Reichstag bezüglich der Reichsregierung interveniert und durch das
Mißtrauensvotum des letztern vielleicht
zum Rücktritt bestimmt werden könnte. Ein Anklagerecht der
Volksvertretung besteht nicht. Wie aber die
Machtstellung der Reichsregierung zum großen Teil darauf beruht, daß sie mit der weitaus mächtigsten
Landesregierung verbunden,
so ist auch die Übereinstimmung,
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mehr
wenn nicht sogar die Einheitlichkeit der ministeriellen Leitung des Deutschen Reichs und der des preußischen Staats eine Bedingung
der Stärke
[* 5] und des Einflusses der Reichsregierung. Rechtlich notwendig ist die derzeitige Vereinigung der Stellung des Reichskanzlers
und der des preußischen Ministerpräsidenten in Einer Person keineswegs, wohl aber politisch zweckmäßig, wenn nicht
notwendig. Verschiedene Versuche, ein kollegiales Reichsministerium mit verantwortlichen Ressortministern einzurichten, waren
erfolglos.
Dagegen ist durch Reichsgesetz vom bestimmt, daß für den gesamten Umfang der Geschäfte und Obliegenheiten des
Reichskanzlers
ein Stellvertreter (Reichsvizekanzler) allgemein ernannt werden kann. Auch können für diejenigen einzelnen
Amtszweige, welche sich in der eignen und unmittelbaren Verwaltung des Reichs befinden, die Vorstände
der dem Reichskanzler
untergeordneten obersten Reichsbehörden mit der Stellvertretung des Kanzlers im ganzen Umfang oder in einzelnen Teilen
ihres Geschäftskreises beauftragt werden. Doch ist es dem Reichskanzler
unbenommen, jede Amtshandlung auch während
der Dauer einer Stellvertretung selbst vorzunehmen. Übrigens kommt der Titel auch in andern Staaten vor
(s. Kanzler).