Regenwurm
(Lumbricus L.), Gattung der Anneliden oder Ringelwürmer und zwar aus der Unterordnung der Oligochäten oder Wenigborster. Der Körper besteht aus zahlreichen cylindrischen Gliedern, welche an ihren Seiten die kaum aus der Haut [* 2] hervorragenden Borsten tragen; eine Reihe dieser Segmente; der sogen. Gürtel, [* 3] enthält mächtige Drüsen, welche bei der Begattung ein zum Zusammenheften der beiden Individuen dienendes Sekret ausscheiden. Der Darm [* 4] besitzt eine Anzahl Blindschläuche und vorn einen muskulösen Kropf, in welchem (wie bei Hühnern) durch aufgenommene Steinchen die Nahrung gleichmäßig zerrieben wird.
Das
Nervensystem ist hoch entwickelt.
Augen fehlen, indessen ist der Regenwurm
gegen
Licht
[* 5] und mehr noch gegen
Erschütterungen des
Bodens empfindlich. Besondere
Atmungsorgane mangeln, dagegen ist das Blutgefäßsystem viel verzweigt.
Das
Blut selbst ist rot und enthält farblose Blutkörperchen.
[* 6] Die Regenwürmer sind
Zwitter und befruchten sich wechselseitig.
Die
Eier
[* 7] werden wie bei den
Blutegeln in
Kokons abgelegt; die Embryonen nähren sich von dem
Eiweiß, mit
welchem sie umgeben sind, und machen nur eine geringe
Metamorphose
durch.
Bei Lumbricus trapezoides entwickeln sich nach neuern Untersuchungen aus jedem Ei [* 8] zwei Embryonen, welche eine Zeitlang gleich den siamesischen Zwillingen miteinander verbunden sind. Die Regenwürmer sind nächtliche Tiere, füllen ihren weiten Darm mit humusreicher Erde und modernden Vegetabilien und ziehen Keimlinge und Blätter in die Erde, um sie zu ihrer Nahrung zu verwerten; auch fressen sie Fleisch. Im Winter liegen sie zusammengeballt in größerer Tiefe.
Durch das Abfressen junger Pflanzen schaden sie, werden aber in der Art wieder nützlich, daß sie bei ihren Wanderungen im Boden Röhren [* 9] bilden und mit ihren Exkrementen füllen, den Wurzeln also sowohl das Abwärtswachsen erleichtern, als auch Dünger liefern. Von besonderer Bedeutung sind sie nach Darwin dadurch, daß sie beständig die aus den tiefern Schichten des Bodens stammende Erde durch ihren Darm hindurch nach der Oberfläche befördern, wo sie infolge ihrer lockereren Beschaffenheit leicht vom Wind oder Regen abgeschwemmt wird.
Auch unterwühlen sie in dieser Weise den Boden unter Bauwerken und festen Körpern aller Art, die auf solche Weise allmählich im Erdboden versinken. Nach Darwins Berechnung befördern die Regenwürmer in vielen Teilen Englands jährlich auf jede 6 Hektar Landes ein Gewicht von mehr als 25,000 kg Erde an die Oberfläche und bewirken mithin eine ganz erhebliche Mischung der Schichten, wobei der Untergrund mit Humusstoffen, die seine Zersetzung befördern, in Berührung gebracht wird.
Ihre natürlichen Feinde sind Maulwurf, Igel, Spitzmaus, Kröten, Frösche, [* 10] Tausendfüßer, Laufkäfer. [* 11] Man sammelt sie abends, besonders nach warmen Regen, wenn sie aus ihren Löchern herauskommen, kann sie auch durch Erschütterung des Bodens oder durch Aufgießen einer Abkochung von Walnußblättern hervorlocken. Man benutzt sie als Köder beim Angeln, früher auch als Arzneimittel.
Vgl. Hoffmeister, Die bis jetzt bekannten Arten aus der Familie der Regenwürmer (Braunschw. 1845);
Perrier, Organisation des lombriciens terrestres (Par. 1874);
Darwin, Die Bildung der Ackererde durch die Thätigkeit der Würmer [* 12] (deutsch, Stuttg. 1882).