Radziwill
,
eins der ältesten und ausgezeichnetsten litauischen Fürstengeschlechter mit großen Besitzungen in
Polen,
Litauen und
Posen.
[* 3] Der erste des
Namens, Radziwill
Nikolaus I., geb. 1366, ließ sich 1386 mit Jagello taufen und starb 1446 als
Woiwod
von
Wilna.
[* 4] Von den Sprößlingen des
Geschlechts, das 1518 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, sind
hervorzuheben:
Janus
[* 5] Radziwill
, war
Kastellan von
Wilna, wurde als
Protestant von
Siegmund III. von
Polen seines
Amtes entsetzt und reihte
sich nun den Gegnern des
Königs an, ward aber bei Guzowo geschlagen und starb 1621. Er war vermählt mit
Sophie, einer Tochter
des
Kurfürsten
Johann
Georg von
Brandenburg.
[* 6]
Sein Sohn Boguslaw Radziwill
, geb. 1620, ward vom
Großen
Kurfürsten
von
Brandenburg 1657 zum
Generalgouverneur in
Preußen
[* 7] ernannt und starb 1669. Seine Tochter und Erbin
Luise
Charlotte heiratete 1681 den
Markgrafen
Ludwig von
Brandenburg, 1688, nachdem sie katholisch geworden, den
Kurfürsten
Karl
Philipp von der
Pfalz und starb 1695.
Nikolaus
VI. Radziwill
, der
Schwarze, Stammvater der jetzt lebenden Radziwills
, geb. 1515, vertrieb die
Russen aus
Livland
[* 8] und ergriff mit
Eifer die
Sache der
Reformation. Durch ihn fanden die
Lutheraner
Aufnahme und Unterstützung in
Polen, und
auf seine
Kosten wurde die von
Socinianern aus der
Urschrift übersetzte sogen. Radziwillsche
Bibel
[* 9]
(»Biblia swieta«,
Brzesc 1563) gedruckt. Er starb 1565.
Sein ältester Sohn,
Christoph
Nikolaus Radziwill
, geb. 1549, trat jedoch samt seinen drei
Brüdern
wieder zur katholischen
Kirche über und ließ für 5000
Dukaten
Exemplare der von seinem
Vater besorgten
Bibeln aufkaufen und
verbrennen; starb 1616.
Karl Radziwill
,
Palatin von
Wilna, geb. 1734, ein abenteuerlicher, ruheloser Mann, Großfeldherr von
Litauen, einer der entschiedensten Gegner des
Königs
Stanislaus II.
Poniatowski, bildete zu
Radom eine litauische
Konföderation
gegen denselben und die
Czartoryiskis, wurde deshalb geächtet und seiner
Güter beraubt, flüchtete auf türkisches Gebiet
und lebte sodann in
Dresden.
[* 10]
Später stellte er sich an die
Spitze einer andern, unter dem
Schutz
Repnins
und Rußlands stehenden
Konföderation, zog in
Warschau
[* 11] ein und ward vom
Reichstag in alle seine
Würden und
Güter wieder eingesetzt.
Nachdem er sich mit den
Russen entzweit hatte, wurde er in seiner
Feste Nieswiesz in
Litauen überfallen und floh nach dem
Abfall
seiner Anhänger auf österreichisches Gebiet, wo er sich einige Zeit an die Fürstin Tarkanow, angebliche
Tochter der
Kaiserin
Elisabeth und des
Grafen Rasumowski, anschloß
und sie auf den russischen
Thron
[* 12] zu erheben gedachte. Er starb in
Litauen.
Michael
Hieronymus Radziwill
,
Palatin von
Wilna,
Fürst zu Nieborow, geb. starb und hinterließ
vier
Söhne. Der älteste derselben,
Ludwig
Nikolaus Radziwill
,
Fürst zu Kleck, geb. residierte zu Radziwilomonty in
Litauen
und starb in
Warschau. Dessen Sohn
Leo Radziwill
, geb. war beim
Ausbruch der
Revolution von 1830
Offizier in der
polnischen
Garde, folgte dem
Großfürsten
Konstantin nach Rußland und diente während des ganzen
Feldzugs in den
Reihen der
Russen, wofür er zum kaiserlichen Flügeladjutanten ernannt ward und, als er sich 1833 am
Petersburger
Hof
[* 13] mit der
Prinzessin
Sophie Urussow vermählte, die konfiszierten
Güter seines Oheims
Michael erhielt. Er ward vom
Kaiser
Nikolaus
häufig zu diplomatisch-militärischen Sendungen verwendet und starb im
August 1882.
Der zweite Sohn von
Michael
Hieronymus,
Anton
Heinrich Radziwill
,
Fürst von Nieswiesz und Olyta, geb. vermählte sich 1796 mit
der
Prinzessin
Luise Friederike, einer Tochter des
Prinzen
Ferdinand von
Preußen, ward 1815 preußischer
Statthalter
im Großherzogtum
Posen und starb in
Berlin.
[* 14]
Sein
Haus in
Berlin war der Sammelplatz der ausgezeichneten
Personen. Auch
hat er sich als
Komponist, besonders durch seine
Musik zu
Goethes
»Faust«, einen geachteten
Namen gemacht. Er hatte zwei
Söhne,
Wilhelm,
Fürst Radziwill
, geb. preußischer
General und
Chef des
Ingenieurkorps sowie Mitglied des
Herrenhauses,
gest. und Boguslaw Radziwill
, geb. preußischer
Major
a. D. und Mitglied des
Herrenhauses, gest.
Wilhelms ältester Sohn,
Fürst
Anton (geb. war preußischer
Generalleutnant und Generaladjutant des
Kaisers
Wilhelm I. Einer von Boguslaws
Söhnen ist der
Prinz
Edmund
Radziwill
, geb. eine Zeitlang
Vikar in
Ostrowo und Mitglied der Zentrumspartei im deutschen
Reichstag, jetzt
Benediktiner
im
Kloster Beuron. Er schrieb: »Die kirchliche
Autorität und das moderne
Bewußtsein« (Bresl. 1872);
die kleinern Schriften: »Ein Besuch in Marpingen« (Berl. 1877),
»Canossa oder Damaskus?« (das. 1878).
Der dritte Sohn von
Michael
Hieronymus,
Michael
Geron,
Fürst Radziwill
,
Komtur des
Johanniterordens, geb. machte unter
Kosciuszko
den ersten polnischen
Befreiungskrieg, sodann unter
Napoleon I. 1812 den
Krieg gegen Rußland mit und ward zum Brigadegeneral
ernannt. Im
Januar 1831 wurde er vom
Reichstag zum Oberbefehlshaber der
Armee ernannt. Er kommandierte in
den
Gefechten zu Anfang des
Kriegs und in der
Schlacht bei
Grochow, legte aber schon 26. Febr. das Oberkommando nieder,
weil er die
Fortsetzung des
Kampfes für nutzlos hielt und eine
Versöhnung mit Rußland erstrebte. Nach der
Einnahme von
Warschau ward er
ins
Innere Rußlands gebracht und hier bis 1836 zurückgehalten. Er lebte darauf in
Dresden und starb in
Warschau
mit Hinterlassung von zwei
Söhnen,
Karl (gest. 1886) und
Siegmund. Der jüngste der vier
Brüder,
Andreas
Valentin Radziwill
, geb. 1780,
war
Kammerherr am
Petersburger
Hof und Mitglied des
Staatsrats in
Warschau; starb in
Dresden.