Quecksilber
(Hydrargyrum,
Mercurius,
Argentum vivum)
Hg, das einzige bei gewöhnlicher
Temperatur flüssige
Metall, findet sich gediegen
(Jungfernquecksilber,
Merkur)
[* 2] in kleinen Tröpfchen in ältern
Gesteinen, seltener im
Diluvium,
[* 3] bei
Moschel und
Wolfstein in
Rheinbayern, in
Kärnten,
Krain,
[* 4]
Tirol,
[* 5]
Böhmen,
[* 6]
Ungarn,
[* 7]
Spanien,
[* 8]
Kalifornien,
Mexiko,
[* 9]
Peru,
[* 10]
China
[* 11] und
Australien;
[* 12] außerdem mit
Silber oder
Gold
[* 13] legiert als
Amalgam, mit
Chlor verbunden als
Quecksilberhornerz, in gewissen
Fahlerzen, am häufigsten mit
Schwefel verbunden, als
Zinnober
[* 14] HgS mit 86,3 Proz. Quecksilber.
Die Gewinnung des Quecksilbers
ist verhältnismäßig einfach, weil das
Erz, der
Zinnober, leicht zerlegt und das
Metall durch
Destillation
[* 15] ziemlich rein abgeschieden werden kann. Am einfachsten und billigsten wird das
Erz bei Luftzutritt geröstet,
doch mischen sich hierbei die Metalldämpfe mit großen
Mengen glühender
Gase
[* 16] und lassen sich schwer kondensieren.
Zum Verdichten sind große gemauerte, trockne oder von außen durch
Wasser gekühlte
Kammern oder
Kanäle, in welche
Wasser einfließt,
den röhrenförmig zusammengefügten birnförmigen
Vorlagen aus
Thon (Aludeln) vorzuziehen.
Statt der
Kammern wendet man auch gußeiserne oder hölzerne
Röhren
[* 17] an, die von kaltem
Wasser umströmt
werden. Arbeitet man mit Schachtöfen mit unterbrochenem Betrieb, so erleidet man, von andern Übelständen abgesehen, große
Verluste an Quecksilber.
Bei kontinuierlichem Betrieb verwendet man für
Erze in größern Bruchstücken Schachtöfen, für armes Erzklein
und
Schliege dagegen Flammöfen. Häufig befeuchtet man
Schliege auch mit Vitriollauge und formt sie zu
Ziegeln, welche bei der Verarbeitung in Schachtöfen mancherlei Vorteile gewähren.
Eine vollständigere
Kondensation des Quecksilbers
erhält man durch Vermengen der zerkleinerten
Erze mit
Kalk, Eisenhammerschlag
etc. und
Zersetzung der
Masse in thönernen oder gußeisernen festliegenden oder rotierenden
Retorten, in liegenden oder stehenden
Röhren bei Luftabschluß. Auch bei diesem
Verfahren hat man sich bemüht, einen kontinuierlichen Betrieb
einzuführen
(Ures
Ofen, Exelis Muffelofen).
Patera zersetzt neuerdings in
Idria das Zinnobererz in
Muffeln bei Luftzutritt und
erhält dabei ein Ausbringen von 88-90 Proz. Quecksilber.
Die
Kondensation der
Dämpfe findet in einem weiten, von
Wasser umströmten
horizontalen Blechrohr mit Ausbauchung nach unten statt; aus dem Blechrohr führt ein Thonröhrenstrang
in die
Esse. In
Kalifornien, wo man besondern Wert auf Massenproduktion legte, wurde der
Schachtofen
[* 18] in der verschiedensten
Weise (hinsichtlich der Gestalt, der
Dimensionen, der Abführungsart der
Dämpfe etc.) modifiziert; auch versuchte man, armen
Quecksilber
erzen ihren Metallgehalt auf nassem Weg zu entziehen.
Das gewonnene Quecksilber
wird durch feuchte
Leinwand oder feines
Leder gepreßt oder nochmals destilliert. An den
Wänden der Kondensationskammern
oder der
Retorten sammelt sich ein inniges
Gemenge von fein zerteiltem Quecksilber
,
Schwefelquecksilber,
Quecksilberoxyd,
Chlorquecksilber,
flüchtigem
Öl, Idrialin,
Ruß etc. Diese
Masse (Quecksilber
schwarz, Quecksilberruß,
Stupp) wird durch
Drücken mit einer Krücke von metallischem Quecksilber
befreit und dann zur Beschickung gegeben oder in einem
eignen
Ofen zu gute gemacht oder mit heißem
Wasser und Holzasche oder einem
Alkali tüchtig umgerührt, wobei sich reines Quecksilber
ausscheidet.
Man verschickt das Quecksilber
entweder in doppelten
Beuteln, die aus einem zusammengeschlagenen, sämisch gegerbten
Hammelfell hergestellt und in Fäßchen verpackt werden, oder in schmiedeeisernen zugeschraubten
Flaschen von 76½ Pfd. engl.
Inhalt. Von
China aus ist das Quecksilber in mit
Harz verschlossenen Bambusstäben von 30
cm
Länge, 5
cm Weite und 14,5 kg
Inhalt in den
Handel gekommen. Als
Mittel gegen Quecksilberdämpfe, welche auf den
¶
mehr
tierischen Organismus höchst schädlich wirken, ist empfohlen, Schwefelblumen oder noch besser Chlorkalk [* 20] in den betreffenden Räumen aufzustellen, Waschen der Arbeiter mit schwach chlorhaltigem Wasser, öfteres Räuchern der Kleidung mit Chlor und innerlich Jodkalium. Das Quecksilber des Handels enthält Blei, [* 21] Zinn, Wismut, Kupfer [* 22] um so mehr, je weniger sich die Tropfen des Metalls runden, und je träger sie fließen; unreines Quecksilber bildet beim Schütteln mit Luft eine an das Glas [* 23] sich anhängende Haut. [* 24] Man filtriert es durch ein Filter von starkem Papier, in dessen Spitze man ein feines Loch gestochen hat, destilliert es zu weiterer Reinigung und erhält dann ganz reines Quecksilber durch wochenlange Einwirkung kalter konzentrierter Schwefelsäure, [* 25] durch Digerieren mit sehr verdünnter Salpetersäure, salpetersaurem Quecksilberoxydul oder Quecksilberchlorid oder durch Zusammenreiben mit Eisenchlorid, Waschen, Spülen und Trocknen. - Reines Quecksilber ist fast zinnweiß, in sehr dünnen Schichten violettblau durchscheinend, es hängt sich nicht an die Wandungen des Gefäßes, und seine Oberfläche bleibt beim Fließen vollkommen abgerundet. Es erstarrt bei -39,5,° ist dann geschmeidig, weich wie Blei, auch kristallisierbar, siedet bei 357°, verdampft aber schon bei gewöhnlicher Temperatur und sehr bemerkbar bei 40°, spez. Gew. 13,59, im starren Zustand 14,39, Atomgewicht 199,8. Durch Verreiben mit Zucker, [* 26] Schwefel, Fett und durch Schütteln mit Chlorcalciumlösung, Salpeterlösung oder Essigsäure kann es äußerst fein verteilt werden. Es hält sich an der Luft unverändert, bildet aber bei längerm Erhitzen an der Luft rotes Quecksilberoxyd; es verbindet sich leicht mit Chlor und Schwefel, löst sich in verdünnter Salpetersäure und in heißer, konzentrierter Schwefelsäure und wird durch Kohle, Phosphor, Zink, Eisen, [* 27] Zinn, Blei, Kupfer aus seinen Lösungen gefällt. Quecksilber bildet zwei Reihen von Verbindungen; in den Quecksilberoxydverbindungen ist nur ein zweiwertiges Atom Quecksilber enthalten, in den Quecksilberoxydulverbindungen enthält das Molekül die zweiwertige Atomgruppe Hg2 . Man kennt nur zwei Oxydationsstufen, das Oxydul Hg2O und das Oxyd HgO. Quecksilberdämpfe sind sehr giftig, die im Magen [* 28] löslichen Verbindungen gehören zu den heftigsten Giften.
Man benutzt das Quecksilber zu Barometern, Thermometern, Manometern und zu analytischen Arbeiten, zur Gewinnung von Gold und Silber, zu Feuervergoldung, zu Spiegeln und zur Darstellung zahlreicher Quecksilberpräparate, die in der Technik vielfache Anwendung finden. In der Medizin wurde Quecksilber schon von den arabischen Ärzten, aber nur äußerlich, angewandt; erst van Swieten verallgemeinerte die innerliche Anwendung, und seitdem sind Quecksilberpräparate die wichtigsten Arzneimittel geworden.
Metallisches Quecksilber gibt man in Dosen bis zu 500 g und darüber bei Darmverschlingungen, wo es rein durch die mechanische Wirkung des schweren Körpers die dislozierten Gedärme wieder in die richtige Lage bringen soll. In seiner Verteilung mit Kreide [* 29] erscheint es in den von den Engländern als mildes Abführmittel gebrauchten blue pins. Mit Fett verrieben, als graue Salbe, wird es zu Einreibungen in die Haut angewendet als Mittel gegen Parasiten (dieselben werden sehr schnell dadurch getötet), ferner als entzündungswidriges Mittel bei Entzündungen der Haut und innerer Organe.
Von seinen Verbindungen werden Kalomel, roter und weißer Quecksilberpräzipitat gegen Krankheiten der äußern Haut und der Schleimhäute verwendet; Kalomel dient als starkes Abführmittel. Ein unschätzbares und wahrhaft spezifisches Mittel ist Quecksilber gegen Syphilis. Auf gesunder Haut und Schleimhaut wirkt Quecksilber als Reizmittel, verursacht Entzündung der äußern Haut, der Schleimhaut der Luftwege, stärkere Absonderung von der Magen- und Darmschleimhaut mit vermehrter und beschleunigter Bewegung des ganzen Darms.
Die Wirkung auf erkrankte Gewebe [* 30] dagegen ist eine umstimmende und bei Entzündungen, die zur Eiterung neigen, eine Entzündung bekämpfende. Wird Quecksilber in einigermaßen erheblichen Gaben angewendet, so tritt mit der Aufnahme desselben in die allgemeine Blutmasse die Allgemeinwirkung (Merkurialismus) hervor und zwar besonders ausgesprochen im Gebiet des Verdauungskanals. Zu dem sogen. Speichelfluß, bedingt durch die intensive Reizung der Speicheldrüsen, gesellt sich eine Entzündung der Mundschleimhaut, das Zahnfleisch schwillt an, an seinem Rand gegen die Zähne [* 31] bildet sich ein gelblicher, später schmutzig grauer Belag, die Zähne werden gelockert.
Erfolgt die Wirkung noch weiter, so bilden sich ausgedehnte Geschwüre und weiterhin eine von scheußlichem Gestank aus dem Mund begleitete, wirklich brandige Entzündung der Mundschleimhaut. Gleichzeitig gesellt sich dazu ein Leiden [* 32] des Magens und Darms sowie Erscheinungen allgemeiner Schwäche (s. Quecksilbervergiftung). Auf welche Weise die spezifische Wirkung des Quecksilbers bei Syphilis zu erklären ist, weiß man nicht. Das in die allgemeine Säftemasse aufgenommene Quecksilber wird bald schneller, bald langsamer ausgeschieden und zwar durch die Leber, die Darmabsonderung, die Nieren, Speicheldrüsen und durch die Haut. Unter Umständen kann es ein Jahr und darüber im Körper verharren.
Quecksilber wird zuerst von Theophrast erwähnt, welcher auch die Darstellung aus Zinnober mit Hilfe von Essig und Kupfer kannte; Dioskorides nannte das Metall hydrargyros und spricht von der Zersetzung des Zinnobers durch Erhitzen mit Eisen. Die Alchimisten knüpften an das Quecksilber viele Spekulationen, und auch die medizinischen Chemiker beschäftigten sich viel mit demselben, so daß seine Verbindungen nächst denen des Antimons am frühsten bekannt wurden. Seit Lavoisier gilt es für einen einfachen Körper.
Die Griechen bezogen schon 700 v. Chr. Zinnober aus Spanien, und die Quecksilberminen von Almaden wurden vielleicht schon von den Phönikern betrieben. In der Römerzeit gewann man jährlich 5000 kg und verschloß dann die Minen. Nach der Entdeckung der amerikanischen Silberminen steigerte sich die spanische Quecksilberproduktion sehr stark. Die peruanischen Zinnoberminen von Huencavelica (im 18. Jahrh. geschlossen) gaben wenig Ausbeute, und was in Idria über den eignen Bedarf in Österreich [* 33] hinaus produziert wurde, kauften die Spanier von der Regierung und blieben mithin Monopolisten. 1525-1645 bereicherte sich die Familie Fugger an diesem ihr überlassenen Monopol.
Während das Vorkommen in Toscana und China für den Weltmarkt ohne Bedeutung blieb, brachte die Entdeckung von Zinnober in Kalifornien eine vollständige Revolution hervor. Gegenwärtig hat Kalifornien die größte Produktion, und Spanien steht in zweiter Linie, während Peru, Österreich, Frankreich und Italien [* 34] geringere Mengen liefern. Der europäische Quecksilberhandel wird gegenwärtig in der rücksichtslosesten Weise von Rothschild in London [* 35] als Monopolisten beherrscht.